Botschaft von Bischof Manfred Scheuer zum Karfreitag

Kreuze in unseren Wohnungen, an Häusern und Wegrändern und auf Berggipfeln tragen die Spuren des Lebens und Sterbens. Sie sind Ausdruck des Mitleidens, der Verbundenheit, der Hoffnung auf Heilung und Versöhnung.

Das Leben mutet uns dunkle Phasen und Nächte, Leiden, Einsamkeit, Depressionen, Unverstandensein, alltägliche Schmerzen, das Zerbrechen von Lebensentwürfen und Plänen, die Gleichgültigkeit und Verachtung, das Gefühl, nicht gebraucht und so überflüssig zu sein, das Umsonst aller Mühe und allen Einsatzes, die Vergeblichkeit ohne spürbaren Trost und auch die Erfahrung des Sterbens und sogar der Gottverlassenheit zu. Und trotz des technischen Fortschritts gibt es auch im 21. Jahrhundert Naturkatastrophen wie Lawinen, Muren, Überschwemmungen, Erdbeben… Junge Menschen kommen viel zu früh bei Verkehrunfällen ums Leben, Flugzeuge stürzen ab, technische Versagen haben Todesopfer zur Folge. Und auch Krankheiten und Epidemien sind nicht überwunden.

Nicht selten werden solche Erfahrungen zum Nährboden von Rachegelüsten und Revanchedenken, von Hass, Aggression oder Resignation. Leid wird für manche zum Haltegriff der Verweigerung gegenüber Gott, zum Grund sich herauszuhalten. Es gibt auch die Flucht in die Sucht, in die Oberflächlichkeit und auch Abstumpfung und Fühllosigkeit. Sündenböcke und Schuldige werden gesucht.

Diese Erfahrungen schreiben sich in das Gedächtnis einzelner Personen, aber auch in das kollektive Gedächtnis ein. Dinge haben ihre Tränen, eine Landschaft ist Trägerin von Erinnerung. Die Kreuze in unseren Wohnungen, an den Häusern, an den Wegrändern, auf den Gipfeln unserer Berge: Sie tragen die Spuren des Lebens und des Sterbens von vielen Generationen. Sie sind Ausdruck des Mitleidens, der Verbundenheit, der Hoffnung auf Heilung, Versöhnung und Leben.

Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck 

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