Kommentar zum Sonntag – Eines Tages überfliegen wir den letzten Abgrund
In der Regensburger St. Jakobskirche gab es vor Jahren eine Sensation: In einem Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert entdeckte man im Hinterkopf des Gekreuzigten in einem Hohlraum einen Schmetterling, ungefähr vier bis fünf Zentimeter groß, aus vergoldetem Silber.
So stell' ich mir Ostern im täglichen Leben vor: Immer im Hinterkopf haben: Jesus lebt und, weil er es uns vormachte, dürfen wir es ihm nachmachen.
Jesus möchte, dass wir wie eine Raupe aus der scheinbar leblosen Puppe ausbrechen – aus all unseren lähmenden Gewohnheiten, die wir gesponnen haben, und aus den Gefängnissen, in die uns Umstände sperren, und losfliegen!
Auf dem Regensburger Schmetterling ist auf dem rechten Flügel die Mutter Jesu zu sehen, auf dem linken der Lieblingsjünger Jesu. Der Rumpf des Schmetterlings ist Jesus am Kreuz. So wie Maria und die Apostel neue Kraft bekamen, um die Botschaft von Ostern in die Welt zu tragen, so sind wir aufgerufen unsere Begrenzungen zu überfliegen.
Auch wenn wir oft belächelt werden, weil wir das Unvorstellbare im Gottesdienst feiern: Wer mit der Oster-Botschaft im Hinterkopf lebt eines Tages den letzten Abgrund überfliegen zu dürfen, der spürt ab und zu sogar die Schmetterlinge im Bauch. Ostern schenkt Flügel!
Marion Prieler ist Theologin und Religionspädagogin und arbeitet als Pastoralassistentin sowie diözesane Begräbnisleiterin im Seelsorgeraum St. Pius X. – Rum – NeuRum.
