Synodaler Kulturwandel in Kirche und Gesellschaft unverzichtbar

Bischof Hermann Glettler: Kirche hat sich durch Synode als "lernfähig und geschwisterlich agierende Gemeinschaft" gezeigt - Auch Diözese Innsbruck will künftig verlässlichere Beziehungsnetzwerke und aktives Zugehen auf Menschen fördern

Der Tiroler Bischof Hermann Glettler hat zum Abschluss der Weltsynode die globale Vielfalt der Kirche und den synodalen Prozess als zukunftsweisend gewürdigt. Die Kirche habe sich als "lernfähige und geschwisterlich agierende Gemeinschaft" gezeigt, betonte Glettler gegenüber Kathpress am Sonntag. "Keinesfalls wurde mit dem Abschluss der Versammlung in Rom dieser Prozess beendet", so der Innsbrucker Diözesanbischof. Die Synode habe innerhalb der Kirche einen "nicht mehr umkehrbaren Kulturwandel" angestoßen. Nun gehe es darum, dass sowohl geweihte Amtsträger als auch Laien, Frauen und Männer in pastoralen Berufen sowie die Ehrenamtlichen dem gemeinsamen Ringen um Entscheidungen mehr Raum geben.

 

Auch die vielfach geforderten Reformthemen, etwa das Diakonat für Frauen und das Zölibat, würden nun in Arbeitsgruppen weiterbehandelt, deren Ergebnisse für 2025 erwartet werden, merkte Glettler an. Er zeigte aber auch Verständnis für die Enttäuschung, "dass die vielfach eingemahnten Reformthemen weiterhin offenbleiben".

 

Umsetzung in Diözese
Für seine Diözese Innsbruck kündigte Glettler an, verlässlichere Beziehungsnetzwerke und ein aktives Zugehen auf Menschen zu fördern, "besonders auch auf jene, die von der Kirche enttäuscht wurden oder den Bezug zum christlichen Glauben verloren haben". Dazu brauche es jedoch "in unserem traditionell katholischen Land Tirol einen Kulturwandel", erklärte der Bischof. Viele trauerten noch "einer einstmals omnipräsenten Volkskirche" nach oder täten sich schwer, Veränderungen positiv mitzugestalten. 

 

Außerdem soll es jährlich zwei Pastoraltage geben, "bei denen eine repräsentative Auswahl von Gläubigen zusammen mit der Diözesanleitung wichtige Fragen der Seelsorge und Caritas berät und je nach Themenstellung auch Entscheidungen trifft", kündigte Glettler an.

 

Dankbar zeigte sich der Bischof, dass die Synode im Abschlussdokument auf "die großen Wunden der Welt" hinwies: Kriege, die Situation der Flüchtlinge, soziale Ungerechtigkeit und die Klimakrise. Die Kirche sei aufgerufen, die Botschaft Jesu konsequent an der Seite der Armen und Notleidenden zu leben.

 

Der Wandel hin zu einer "synodalen Haltung und Spiritualität" sei für Kirche und Gesellschaft entscheidend, so Glettler. Die Kirche müsse sich aktiv den Herausforderungen der heutigen Menschheitsfamilie stellen und den synodalen Weg konsequent weitergehen, um Vertrauen durch authentische und verlässliche Beziehungen zu schaffen.

 

Eine Meldung von www.kathpress.at 

Synodaler Kulturwandel in Kirche und Gesellschaft unverzichtbar
Foto: Cincelli/dibk.at

Im Wortlaut: Synodalität leben – jetzt!

Bischof Hermann Glettler zum Ergebnis der Weltsynode, deren zweite Versammlung in Rom zu Ende gegangen ist.

Ich bin dankbar, dass sich unsere Kirche in ihrer kulturellen Vielfalt, die bei dieser Weltsynode deutlich sichtbar wurde, als lernbereite und lernfähige Gemeinschaft gezeigt hat. Vor allem bleibt das wunderbare Bild der runden Tische in der Synodenaula im Gedächtnis der Weltöffentlichkeit. Ein authentisches Ringen um einen gemeinsamen Weg war sichtbar, was auch ohne eine vorzeigbare Liste von konkreten Problemlösungen ein heilsames Zeugnis ist. 

Dennoch nehme ich bei nicht wenigen Gläubigen eine Enttäuschung wahr, dass die vielfach vorgetragenen Reformthemen nicht entschieden wurden. Papst Franziskus hat sie in spezielle Arbeitsgruppen delegiert, deren Ergebnisse für Sommer 2025 erwartet werden. Neben den vielen inhaltlichen Inspirationen und Vorgaben, die sich im umfangreichen Abschlussdokument finden, ist der eigentliche Ertrag der Weltsynode, dass ein Grundmaß an Synodalität zukünftig maßgeblich sein wird. Auf allen kirchlichen Ebenen vollzieht sich jetzt schon ein Kulturwandel, der nicht mehr umkehrbar ist. Es geht darum, dem Zuhören, der gegenseitigen Unterstützung mit den unterschiedlichen Charismen und Berufungen sowie dem gemeinsamen Ringen um Entscheidungen mehr Raum zu geben – geweihte Amtsträger und Laien, Frauen und Männer in den pastoralen Berufen und die vielen Ehrenamtlichen gemeinsam! 

 

Wir versuchen dies in der Diözese, indem wir zum Aufbau von tragfähigen Beziehungsnetzen und Weggemeinschaften in den Seelsorgeräumen ermutigen. Wir wollen die Menschen mit ihren unterschiedlichen Erwartungen und Lebensgeschichten aufmerksamer empfangen, besonders auch jene, die von der Kirche enttäuscht wurden oder einfach den Bezug zum christlichen Glauben verloren haben. Dazu braucht es auch in unserem traditionell katholischen Land Tirol ein entschlossenes Umdenken. Zu viele trauern noch einer einstmals omnipräsenten Volkskirche nach und tun sich schwer, Veränderungen positiv mitzugestalten. Alle Getauften und Gefirmten sind jedoch dazu eingeladen und mit ihren Begabungen und Kompetenzen mehr denn je gefragt – mit neuer Freude und Kraft aus einer persönlichen Freundschaft mit Jesus. Vertrauen wächst nur durch verlässliche Beziehungen, darauf hat die Weltsynode mit Nachdruck hingewiesen – ganz egal, ob in der Nachbarschaft, in den Gemeinden und vielfältigen Lebensbereichen einer säkularen Gesellschaft oder in den kirchlichen Gemeinschaften. Um dies zu unterstützen wird es zukünftig zusätzlich zu den bewährten Gremien in unserer Diözese jährlich zwei Pastoraltage geben, wo eine repräsentative Auswahl von Gläubigen zusammen mit der Diözesanleitung wichtige Fragen von Seelsorge und Caritas berät und je nach Themenstellung auch entscheidet. 

 

Besonders dankbar bin ich, dass im Abschlussdokument der Synode deutlich auf die großen Wunden unserer Welt hingewiesen wird: Auf die erschütternde Anzahl der Kriege und deren Opfer, auf das Schicksal der Vertriebenen und der Flüchtlinge weltweit sowie auf die zunehmende Zahl der Opfer des Klimawandels und der sozialen Ungerechtigkeit. Die Synode schloss sich außerdem den energischen Appellen von Papst Franziskus zum Frieden an. Damit wird deutlich, dass die katholische Kirche inmitten einer herausgeforderten Menschheitsfamilie nicht zuerst um das eigene Wohlergehen besorgt ist, sondern unmissverständlich auf der Seite der Armen die Nachfolge Jesu zu leben versucht. Wichtig scheint mir in allen Bereichen die Weiterentwicklung einer synodalen Haltung und Spiritualität. Dies ist vermutlich nicht nur für die Kirche die entscheidende Überlebensfrage, sondern ebenso für unsere verwundete Gesellschaft, in der immer härtere Abgrenzungen und gegenseitige Verwerfungen festzustellen sind. Das Zeugnis einer lebendigen Einheit ist wichtig – eine Einheit, die stark genug ist, um unterschiedliche Überzeugungen wertzuschätzen und für die gemeinsame Mission der Kirche fruchtbar zu machen. 

 

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