Der lebensrettende Defi
Wir leben in einer eigenartigen, mit vielen Vorbehalten und Herausforderungen belasteten Zeit. Die emotionale Gemengelage ist nicht leicht einzuschätzen. Hunger nach Wellness-Feeling und Geborgenheit – und zugleich ein kaum aufzuhaltenden Verdunsten religiöser Gewissheiten. Ein „Etwaismus“ (Zulehner) scheint sich durchzusetzen: Irgendetwas wird´s wohl geben, wenn nicht, auch egal. Zugleich erleben wir auf allen Ebenen zahlreiche Aggressionsschübe und ein Auseinanderdriften von Lebens-Welten. Alles nicht leicht einzuordnen – und vielleicht gerade deshalb: Wir feiern Ostern – ja, ganz bewusst! In der Botschaft der Auferstehung liegt doch jene befreiende Energie und Gottesnähe, die unsere verwundete Welt und wir alle dringend benötigen.
- Ostern ist ein Neubeginn – mit einem göttlichen Energieschub
Ein guter Bekannter und Freund musste in diesen Tagen erneut in die Herzklinik, um eine Stromschocktherapie über sich ergehen zu lassen. Es war der erfolgreiche Versuch, ein latentes Vorhofflimmern wegzubekommen und das Herz in einen gut rhythmisierten Puls zu bringen. Ähnlich einer Notbehandlung mit einem Defibrillator, der bei einem Herzstillstand lebensrettend sein kann. Ein „Defi“ steht mittlerweile in öffentlichen Gebäuden und Bahnhöfen ganz selbstverständlich zur Verfügung. Mit einem Stromstoß kann ein unerwartetes Aussetzen des Herzens bzw. ein gefährliches Flimmern wieder behoben werden. Es ist ein starker Impuls von außen, meist nicht angenehm, aber rettend, erlösend - aufweckend. Ein österliches Bild?
Durchaus überraschend sind die klaren Ansagen in den österlichen Texten: Er ist nicht hier! Er ist auferstanden! Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?! Geht und berichtet! Und Jesus selbst, der Auferstandene, kommt am Ostermorgen durch die verschlossene Tür und adressiert einen klaren Zuspruch an die verzweifelten Jünger: Der Friede sei mit euch! Empfangt den Heiligen Geist! Ich sende ich euch. Das sind klare Ansagen von Leben, Vergebung und Neubeginn. Energie-Stöße, um das verzagte Herzflimmern angesichts der vielen Bedrohungsbilder zu überwinden: Fürchtet euch nicht! Der wichtigste Impuls gegen das apathische Herzflimmern, das uns lethargisch macht gegenüber den Nöten unserer Zeit.
- Der Auferstandene kommt uns entgegen – mit einer Pädagogik des Fragens
Aber geht das so einfach? Erweckt eine allzu euphorische Ansage nicht den Anschein, das vielfache, abgründige Leid unserer Zeit zu übertünchen? Ich habe fast sektiererische Prediger erlebt, die ihre Glaubensparolen mit dröhnenden Lautsprechern in die Menge geschrien haben. Das tat weh. Der Auferstandene hat eine andere Art, eine andere Pädagogik, um uns zum Leben aufzuwecken. Die Jünger hatten doch ihr Versagen deutlich vor Augen. Sie haben sich keine Belehrung gewünscht. In der vulnerablen Phase kommt ihnen Jesus entgegen – zuallererst Maria Magdalena, die er fragt: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Ähnliche Fragen stellt er auf dem Weg nach Emmaus: Worüber habt ihr gesprochen? Was ist denn geschehen?
Immer ein ähnliches Bild: Der Auferstandene drängt sich nicht auf. Er stellt Fragen und hört zu. Er bringt keine fertigen Antworten, sondern lockt die Verzweifelten aus ihrer Verlorenheit und Hoffnungslosigkeit heraus. Langsam können sie ihr Herz öffnen. Er beginnt mit ihnen ein Gespräch, einen Dialog des Lebens. Man spürt das wachsende Vertrauen, die Klarheit und den zurückkehrenden Lebensmut. Die Pädagogik des Auferstandenen zeigt Wirkung – erfahrbare Nähe, ehrliches Zuhören und Nachfragen. Vor kurzem hat mich ein Freund bei einem Spaziergang mit Fragen überrascht: Was war in den letzten Wochen dein Highlight? Was deine größte Niederlage? Was nimmst du mit? Beim Antworten hatte ich ein „österliches Gefühl“.
- Befreiung aus den vielen Bubbles – mit Dialogen des Lebens
Jesus, der Auferstandene, ruft uns mit Defi-ähnlichen Impulsen und Fragen aus allen Gräbern und Bubbles unserer Zeit heraus – zuerst aus einer üblichen Wellness-Blase, die uns von jenen fernhält, die mit dem Wohlstands-Tempo nicht zurechtkommen. Mit Sicherheit aus der Bubble von Selbstmitleid und Selbstgerechtigkeit, die uns über alles urteilen lässt. In jedem Fall lockt uns der Auferstandene aus den Bubbles der Verzweiflung. Ich denke an eine junge Frau, die schwer drogenkrank und psychisch belastet war. Nach einem intensiven Schrei nach Sinn schlug ihr der Krankenhausseelsorger eine Tauferneuerung vor. Und ein Oster-Wunder geschah. Sie hörte das Wort Jesu: Fürchte dich nicht! Schrittweise kam sie zurück ins Leben.
Nicht immer haben die österlichen Wunder dieses Format, aber sie passieren. Mit Sicherheit dann, wenn wir uns vom Auferstandenen aufwecken lassen zu einer österlichen Neugierde – und aufeinander zugehen. Österliche Menschen legen Hass und Aggressionen ab, die vielen Waffen, die gegen „die anderen“ gerichtet waren. Die Gewissheit, dass Jesus lebt und das Leben mit uns teilt, kann wie ein Defi einen heilsamen Schock auslösen: Die Welt ist doch größer und schöner als die eigene Blase! Wir lernen, miteinander „Dialoge des Lebens“ zu führen, ehrliche Gespräche ohne den Zwang, Recht zu behalten. Wir wollen einander begegnen, erzählen und ermutigen. Über alle Grenzen hinweg – mit der Erfahrung: Das gefährliche Herzflimmern ist weg!
Abschluss: Ostern, nein präziser, der Auferstandene selbst ist der Defi, der 365 Tage zur Stelle ist, aufweckend, heilsam und „lebensrettend“. Die Dynamik, die er auslöst, macht uns zu österlichen Menschen – zu „Herzschrittmachern“, von denen viele Impulse zum Leben ausgehen. Das kollektive Herzflimmern wartet darauf. Der österliche Segen soll uns dabei begleiten!
