Werte Leben- Forum „Zu viel und doch zu wenig“

Die Erde hat 7,5 Milliarden Einwohner, 800 Millionen leiden Hunger, das heißt einer von neun Menschen weltweit muss abends hungrig schlafen gehen. Eine Welt frei von Hunger, eine ambitionierte Ansage aber laut Dr. Franz Fischler nicht unmöglich.

Dr. Franz Fischler, ehemaliger Eu-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei, und jetziger Präsident des Europäischen Forums Alpach, hielt im Haus der Begegnung einen Vortrag zum Thema Hunger in der Welt und wie man diesen eindämmen könnte.

 Außerdem waren mit auf dem Podium Friedhelm Boschert, Vorstandsvorsitzender von Oikocredit Austria, Marlies Hofer-Perktold, Leiterin Finanzen und Controllerdienste der Diözese Innsbruck, Wolfgang Pinner, Raiffeisen Capital Management Wien, und Ursula Scheiber, die Leiterin von Bruder und Schwester in Not. Der Reinerlös der Veranstaltung ging an  kleinbäuerliche Familien in Bolivien.

 Das Recht auf Nahrung ist ein Grundrecht der Menschen, der Hunger gefährlich für die Gesellschaft. Viele zivile Katastrophen der letzten Jahre gehen auf mangelnde Nahrung zurück: 2007 war die Tortillakrise in Mexiko, das rührte daher, dass die USA Mais in biologischen Autosprit verwandelte und so in Mexiko die Grundnahrung knapp wurde, was zu Protestaktionen und Unmut in der Bevölkerung führte. 2008/9 gab es Hungerrevolten in 40 Staaten der Welt, 2011 lösten volatile Getreidepreise den arabischen Frühling aus und ebenfalls 2011 brach nach zwei Missernten der Bürgerkrieg aus. 2015 begann der Massenflüchtlingsstrom aus Flüchtlingscamps im Nahen Osten wegen Lebensmittelmangel, 2016 schlussendlich El Nino, der Dürre, Ernteschwund und Trinkwassernotstand auslöste. Man sieht, dass die Sicherheit der Welt sehr eng mit der Hungerfrage verbunden ist.

 Die Welternährungssicherung ist fundamental, die internationale Völkergemeinschaft hat sich zur Aufgabe gemacht bis zum Jahr 2030 siebzehn Ziele zu erreichen, Ziel Nummer zwei ist die Ausrottung des Hungers. Ein Lösungsansatz dazu ist, die Armut um mindestens 50 % zu reduzieren, da Armut der Zwillingsbruder des Hungers ist. Dazu gehört eine Implementierung von sozialen Schutzsystemen die bis 2030 auch die Armen und Benachteiligten inkludieren. Ebenso gehören dazu Jobs, und das sind in ärmeren Ländern meist Berufe in der Agrarlandschaft. Das heißt die Menschen in den Entwicklungsländern brauchen Bodeneigentum, Ressourcen und know-how. Dieses Bildungspaket im Bezug auf die Agrarwirtschaft würde die Aufklärung über Maßnahmen gegen Dürre, Ernteversicherungen, Reduktion der Preisvolatilität und Verbote gegen schädliche Spekulationsformen beinhalten.

 Es gibt Hunger trotz Überfluss, in Europa und den USA ist Adipositas ein schwerwiegendes Problem. Essen wird in Europa aber auch weggeworfen, in Dritte-Welt-Länder hingegen rühren die Verluste in der Lebensmittelindustrie, welche weltweit 56% betragen, fast nur durch Ernteverluste. Eine Statistik zeigt, dass wenn sich die ganze Welt so ernähren würde wie wir Europäer, würde das Zwei-Grad-Ziel dadurch allein in 50 Jahren ausgeschöpft sein. Ein Lösung gegen die Verluste  in den Dritte-Welt-Ländern wäre einerseits die Lebensmittelketten zu stärken, dies ergäbe weniger Ernteverluste. Ebenso müsste man bessere Lagerungen und neue Finanzierungsquellen für die Entwicklungszusammenarbeit finden. Eine weltweite Ressourcensteuer müsste eingeführt und Land Grabbing, speziell in Afrika, gestoppt werden. Land Grabbing heißt, dass Private InvestorInnen aus Industrie- und Schwellenländern und staatliche Akteure sich durch sogenannte „Auslandsdirektinvestitionen“ und mittels langfristiger Pacht- oder Kaufverträge große Agrarflächen in Entwicklungsländern sichern. Dort werden vorrangig Nahrungsmittel oder Energiepflanzen für den Export angebaut, die der Ernährungs- und Energiesicherung der Investorländer dienen. Das muss durch internationale Regeln gestoppt werden und den Menschen in den Entwicklungsländern muss die Komplexität dieses Land Grabbings verständlich gemacht werden, was ohne Bildung und Forschung nicht möglich ist. Denn wie auch Reiner Klanglos und Wolfgang Lutz in ihrem Buch „Wer überlebt?“ schreiben: „Nicht Klima, nicht Rohstoffe, sondern Bildung ist der Schlüsselfaktor für das Überleben der Menschen.“

Veranstalter und Referenten des Abends, Bild: Diözese Innsbruck