Vom Hunger der Menschen und dem Recht auf Nahrung

Der Tiroler Thomas Preindl war als Caritas-Katastrophenhelfer im Dürregebiet von Ostafrika. Im Interview berichtet er über die dramatische Situation der Menschen und hofft auf die Großzügigkeit der SpenderInnen in Tirol. Am 13./14. August wird in all...

Hunger und Dürre in Ostafrika: Die Bilder der Not sind in den Medien allgegenwärtig. Auch Caritas-Katastrophenhelfer Thomas Preindl berichtet von der katastrophalen Lage am Horn von Afrika. Er ist vor kurzem von einem Einsatz zurückgekehrt, in dem er die Hilfsmaßnahmen der Caritas koordiniert hat.

Vom 13. bis 15. August wird in den Gottesdiensten in der Diözese Innsbruck speziell der hungernden Menschen in Ostafrika gedacht für die Hilfsprojekte der Caritas gesammelt. Bischof Manfred Scheuer appelliert an die Solidarität der Gläubigen: "Den Hungrigen etwas zu essen und den Durstigen etwas zu trinken zu geben ist ein Grundauftrag für uns Christen“, so Scheuer. Der Bischof dankt allen Tirolern, die mit einer Spende helfen, die Not der Menschen zu lindern und ihr Überleben zu sichern.

 

INTERVIEW 

Der Tiroler Thomas Preindl war als Katastrophenhelfer der Caritas in den Krisengebieten Ostafrikas, um die Hilfsmaßnahmen der Caritas für die hungernden Menschen zu koordinieren. Eine Hilfe, die nicht zuletzt durch die großzügigen Spenden der Tirolerinnen und Tiroler möglich wird. 

 

Sie kommen direkt aus dem Norden von Kenia. Wie haben Sie die Situation der Menschen dort erlebt? 

Der Niederschlag in Nordkenia reicht generell nicht aus, um dort Ackerbau zu betreiben. Daher sind die Menschen dort Nomaden, betreiben Weidewirtschaft und leben von ihren Tieren. Die Menschen stehen nun vor der Tatsache, dass es drei Jahre lang nicht mehr geregnet hat. Die Vegetation ist abgestorben, den Tieren kommt das Futter abhanden. Die Bestände sind bedroht und damit auch die Menschen, die von den Tieren leben.

Wie sieht es mit der Versorgung der Menschen aus? 

Was die Nahrung betrifft, leben die Menschen am Limit. Jede weitere Verschärfung der Situation bedeutet ein absolutes Desaster. Was wir in Nordkenia verhindern wollen sind Tragödien wie in Südsomalia, wo 29.000 Kinder bereits verhungert sind. Wir versuchen einerseits die Trinkwasserversorgung sicherzustellen, indem wir Wassertanks aufstellen, wo die Menschen mit Kanistern Wasser holen können. Gleichzeitig verteilen wir nahrhafte Nahrungsmittel wie Bohnen, Linsen oder Öl zum Kochen. Wir kümmern uns auch darum, die wenigen Brunnen, die in diesem Gebiet noch arbeiten, funktionsfähig zu halten.

Kinder leiden besonders unter der Hungersnot. Wie kann ihnen geholfen werden? 

Es gibt spezielle Programme für Kinder unter fünf Jahren, in denen bezahlte lokale Arbeitskräfte einen energiereichen und gesunden Brei kochen, den man im Bedarf noch mit Vitaminen anreichern kann. Diese Nahrung erhalten die Kinder aus dem Dorf.  Wenn die Schule wieder beginnt, werden wir man auch Schulernährungsprogramme machen.
  

Was passiert mit den Tieren, die ja eine Lebensgrundlage der Menschen bilden? 

Die Tiere sind bereits in einem sehr schlechten Zustand. Bevor die Tiere verenden, kaufen wir sie von den Nomaden auf und zahlen ihnen dafür mehr, als sie am Markt bekommen würden. Die Tiere werden geschlachtet und das Fleisch an die Bevölkerung verteilt. Später, wenn hoffentlich im November die Dürre beendet ist, weil es wieder geregnet hat und die Weiden wieder wachsen, unterstützen wir die Nomaden beim Kauf neuer, gut genährter Tiere.

Abgesehen von dieser Nothilfe: Was kann die Caritas langfristig tun, um solche Katastrophen zu verhindern? 

Zum Beispiel in den Tierbestand investieren – wie ich gerade ausgeführt habe. Das Ganze muss aber ökologisch angepasst sein. Die Dürren nehmen zu, das Klima ändert sich, daher hat es wenig Sinn, in riesige Tierherden zu investieren. Die Zeit der großen Herden ist vorbei, das muss man den Nomaden auch sagen. Aus diesem System auszubrechen und sich an die Umwelt anzupassen, das ist ein Prozess, den wir von der Caritas begleiten können. Aber auch unsere langfristig angelegten Projekte in Afrika stellen die Vorsorge in den Mittelpunkt.

Wie schaut die Arbeit der Caritas in den Krisengebieten jetzt konkret aus? 

Wir arbeiten immer mit lokalen Strukturen und Organisationen zusammen wie in Kenia mit der Organisation PACIDA. Sie als Einheimische kennen die Sprache, die Kultur. Dadurch haben wir auch einen guten Zugang zu den Menschen. Die Spendengelder fließen von Österreich über die Caritas direkt zu diesen Organisationen. Dabei ist uns wichtig, dass der Weg der Spenden immer nachvollziehbar und transparent bleibt. Um das Geld dann wirklich sinnvoll einzusetzen, braucht es einerseits die Experten und Expertinnen von außen, ebenso aber das Wissen der Einheimischen, die die Situation im betreffenden Gebiet besser einschätzen können. DieCaritas Österreich möchte in den nächsten Monaten 70.000 Menschen in Kenia, Somalia und Äthiopien mit Lebensmitteln bzw. sauberem Trinkwasser versorgen. Der Hilfsumfang des internationalen Caritas-Netzwerks kommt mehr als 400.000 Menschen zu Gute.

Brechen solche Dürrekatastrophen völlig überraschend aus oder sind sie vorhersehbar? 

Eine Dürre zeichnet sich bereits Monate vorher ab. Es gibt unzählige Daten und Informationen in Bezug auf die Veränderung der Vegetation, Niederschlagsmenge, usw. Die Frage ist nur, ob der politische Wille besteht, etwas zu tun. Das ist der Vorwurf, den man den Regierungen und der internationalen Gemeinschaft machen muss. Die UNO hat im Vorjahr auf die verschärfte Situation in Ostafrika hingewiesen, und es ist nichts passiert. Im Sinne einer Vorsorge kann man sich auf eine Dürre einstellen. Das bedeutet, man muss versuchen, strategisch Lebensmittellager aufzubauen, und das ist etwas, was in der Verantwortung der jeweiligen Regierung liegt. Das muss man auch einfordern. Wenn z.B. Wasser knapp ist, muss man das Wasser effizienter nützen. Leider gibt es für diese Vorsorge viel zu wenig finanzielle Mittel. Dabei spart jeder Euro, den wir in die Vorsorge investieren, zwei Euro an Katastrophenhilfe.

Nehmen diese Katastrophen aufgrund des Klimawandels zu? 

Inwieweit hier das weltweite Klima eine Rolle spielt, muss die Wissenschaft sagen. Die Menschen in den Dürregebieten sagen uns zwei Dinge: Die Abfolge der einzelnen Dürren hat zugenommen und die Dauer der einzelnen Dürren ist länger geworden. Das heißt auch, dass es keine Erholungsphasen mehr gibt. Früher hat es alle 20 Jahre eine Dürre gegeben, und dazwischen haben sich die Menschen erholen können. Die letzte große Dürre war 2006, also vor weniger als fünf Jahren.

Wesentlich zur Hungersnot beigetragen haben auch die hohen Lebensmittelpreise. Wo liegen die Ursachen für die Verteuerung? 

Im Jahr 2008 sind die Nahrungsmittelpreise explodiert. Man hat das mittlerweile gut analysiert und hat verschiedene Faktoren als Ursachen gefunden. Ein Faktor ist: Es werden viele Nahrungsmittel zur Produktion von Biotreibstoff verwendet. Da sieht man schon, dass Energiepolitik massive Auswirkungen auf die Entwicklungsländer hat. Eine weitere Ursache für teure Lebensmittel ist die Spekulation. Wir von der Caritas setzen bei unseren langfristigen Projekten zur Bekämpfung des Hungers darauf, den Menschen selbst die Möglichkeit zu geben für sich und ihre Familien bzw. für den lokalen Markt zu produzieren.  Wir versuchen also die kleinbäuerlichen Strukturen zu erhalten und zu stärken.

Sind hungernde Menschen nur Bittsteller oder haben Sie ein Recht auf Nahrung? 

Es gibt ein verbrieftes Recht auf Nahrung, dahinter steht eine völkerrechtlich bindende Konvention, die unter anderem auch von der Regierung von Kenia unterzeichnet wurde. Hunger ist nicht nur eine Frage der Menschlichkeit, sondern vor allem eine rechtliche Frage.

Sie waren in den vergangenen Jahren in vielen Krisengebieten unterwegs. Wie verarbeiten Sie persönlich die Erfahrungen? 

Jeder hat da seinen eigenen Weg. Vor Ort sind wir immer in ein Team eingebunden, das heißt, man redet und reflektiert viel und wird viel von dem los, was man gesehen hat. Man ist so konzentriert auf die Arbeit, dass man wenig zum Nachdenken kommt. Das kommt dann oft erst nach der Rückkehr in die Heimat.

Bilder dokumentieren ummittelbarer die Not der Menschen als viele Worte. Aber sie zeigen auch, wie die Hilfsmaßnahmen der Caritas funktionieren und was mit den Spendengeldern passiert. In der Bildergalerie rechts zeigen Fotos aus Nordkenia, wie die Dürre das Leben der Menchen bedroht und auf welche Weise ihnen geholfen werden kann.

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Diözese Innsbruck - Aktuell