Solidarität: Von der Pflicht zur Kür

Caritasbischof Manfred Scheuer und Caritasdirektor Georg Schärmer haben Bilanz über ein ereignisreiches Jahr 2011 für die Caritas gezogen und einen Ausblick auf künftige Herausforderungen gemacht.

Wo Kirche drauf steht, muss auch Caritas drin sein. So lautet zusammengefasst die Botschaft von Diözesanbischof Manfred Scheuer und Caritasdirektor Georg Schärmer, die im Rahmen einer Pressekonferenz das vergangene Jahr aus Sicht der Caritas Revue passieren ließen und einen Blick in die Zukunft machten.
Im Rückblick wird klar, wie sehr das Jahr 2011 von Katastrophen geprägt war. So erinnert Caritasdirektor Georg Schärmer an das Erdbeben in Japan und an die Hungerkatastrophe in Ostafrika. Überwältigt zeigt er sich von der ungebrochenen Spendenbereitschaft der Tirolerinnen und Tiroler, die allein für die Hungerhilfe in Ostafrika mehr als 1,9 Millionen Euro gespendet haben. Großzügig zeigten sich die Menschen auch bei der Inlandsaktion: Rund 1,6 Millionen Euro wurden für Hilfsangebote der Caritas für in Not geratene Menschen und Familien in Tirol gespendet.
Katastrophen nehmen zu. Die Statistik zeige, vor welchen Herausforderungen die Weltgemeinschaft steht: Vor 13 Jahren war die Caritas bei 120 großen Katastrophen im weltweiten Einsatz. Im Vorjahr waren es bereits 540 Großereignisse, bei denen die Caritas ihre Hilfe angeboten hat, betont Schärmer.
Große Hilfsbereitschaft. „Solidarität und Hilfsbereitschaft in unserem Land sind ungebrochen“, lautet auch der Befund von Bischof Manfred Scheuer, der in der Bischofskonferenz unter anderem den Bereich der Caritas vertritt. Für ihn sei eine „Kirche ohne Caritas keine Kirche“. Der Dienst am Nächsten zähle zu den Grundvollzügen der Kirche, die Caritas stifte Gemeinschaft und Solidarität, so wie es auch die Liturgie tut, betont der Bischof. Die Caritas brauche die spirituellen Wurzeln der Kirche.
Ruf nach Gerechtigkeit. Die Caritas helfe aber nicht nur in konkreten Notsituationen, sondern mahne auch Gerechtigkeit ein, betont Scheuer. In diesem Zusammenhang bekräftigte er die langjährige Forderung, den Beitrag Österreichs zur Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen.
Vor großen Herausforderungen. Wie sehr Kirche und Caritas zusammengehöhren, zeige auch ein Blick auf die Finanzen, sagt Caritasdirektor Schärmer. „Das gesamte Management der Caritas wird von der Diözese bezahlt“. Das sei auch ein wichtiges Argument in den Verhandlungen mit öffentlichen Geldgebern.
In einem Ausblick auf das Jahr 2012 zeichnen sich für Caritasdirektor Georg Schärmer zwei Herausforderungen ab. So brauche es die „Solidarität der Jungpensionisten“, um die Pflege und Betreuung der alten Menschen zu gewährleisten. „Früher dauerte der Pflegedienst durch Angehörige im Schnitt ein halbes Jahr, heute sind es acht Jahre“, weist Schärmer auf die enormen Belastungen pflegender Angehöriger hin. Es brauche dringend ein „Signal an die Gesellschaft, dass Solidarität keine Kür sei, sondern eine Pflicht“.
Ein Schwerpunkt in der Caritas-Arbeit wird auch im laufenden Jahr die Sorge um Kinder sein, deren Eltern suchtkrank sind. Ungebrochen weitergehen werden die Hungerhilfe und Projekte für die Wasserversorgung in den Dürregebieten Afrikas. Die Zahl der Freiwilligen, die in den Pfarren für die Caritas arbeiten, soll von derzeit 3.500 noch weiter gesteigert werden, so Schärmer.
Bedingungslose Zuwendung. Für den Dekan der Theologischen Fakultät der Uni Innsbruck, Jozef Niewiadomski, wird durch die Dienste der Caritas klar, „dass Gott die Liebe ist“. So wie sich Gott bedingungslos den Menschen zuwende, mache es auch die Caritas. Niewiadomski weist auf ein neues Buch hin, das einen Studientag von Diözese und Theologischer Fakultät über die Caritas dokumentiert. Das Buch könne zu einer „sensibleren Wahrnehmung der Kirche in der Gesellschaft“ beitragen, so Niewiadomski. 

Dokumentierte Solidarität
Gelebte Nächstenliebe als Grundauftrag der Kirche – diesem Thema hat sich ein Studientag der Diözese zusammen mit der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck gewidmet. Die inhaltlichen Beiträge sind als Buch herausgegeben worden.  „Solidaritätsstiftende Kirche – auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Caritas“ ist im Wagner-Verlag erschienen und im Buchandel zum Preis von 12,90 Euro erhältlich. 

schaermer_scheuer_niewi.jpg
Diözese Innsbruck - Aktuell