SchülerInnen stürmten den 8. TheoTag in Innsbruck

Bürgler: Ich möchte Mut machen, ein wenig verrückt zu sein %u2013, Niewiadomski: Das Christentum bleibt für die Moderne das Wasser für morgen

Rund 350 SchülerInnen aus zwölf Tiroler Schulen stürmten heute das Haus der Begegnung in Innsbruck und machten sich beim 8. TheoTag der Diözese Innsbruck ein Bild vom breiten Angebot an kirchlichen Berufen.

In Workshops und an Informationsständen erhielten die jungen Menschen, die vor dem Schulabschluss und vor der Berufs- und Studienwahl stehen, einen optimalen Überblick.

 

Bürgler: „Ich möchte Mut machen, ein wenig verrückt zu sein" 

Diözesanadministrator Jakob Bürgler sprach in seiner Begrüßung die Themen an, die Jugendliche oft beschäftigen: „Es gibt viele und schwierige Fragen im Leben. Entscheidungen, die mehrere Möglichkeiten bieten. Probleme, die zu lösen sind. Einfache und vereinfachende Antworten sind falsch. Es ist wichtig, denken und reflektieren zu lernen. Sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden zu geben.“ In einem theologischen Gedanken zitierte Bürgler Roger Schutz: „Es ist viel wichtiger, Gott zu vertrauen als ihn zu begreifen“. Der Kern des Christentums sei nicht eine Lehre, sondern eine Beziehung, eine Freundschaft. Jesus Christus vertrauen sei der Kern.

Schließlich erinnerte sich Bürgler  an eine Begegnung mit einer Mitschülerin nach der Matura: „Ich habe ihr gesagt, dass ich Theologie studieren möchte und es wage, Priester zu werden. Darauf sie: ‚Spinnst du!‘ Ich habe gemerkt, dass ich etwas Verrücktes tue. Ich möchte Mut machen, ein wenig verrückt zu sein.“

 

Niewiadomski: „Wer an das Sterben der Kirche glaubt, wird dieses Sterben auch erleben.“ 

In einem durch Witz gespickten Vortrag zum Thema: „Christsein - bloß Schnee von gestern oder auch Wasser für morgen” setzte sich Univ.-Prof. Jozef Niewiadomski mit der verbreiteten Meinung, Religion und Modernsein vertragen sich schlecht, auseinander.

Niewiadomski: „Die Trends reden doch eine eindeutige Sprache: Wer up to date sein will, der redet nicht nur davon, dass Muslime erst in der Moderne ankommen müssen und sich im religiösen Bereich säkularisieren müssen. Der modern sein wollende Zeitgenosse wird auch kaum ein gutes Wort über die Kirche zu sagen haben. Die Sprache der Schlagzeilen aufgreifend fällt die Öffentlichkeit ein klares Urteil, dass die Kirche stirbt.“

Diesem weit verbreiteten Glauben setzte Niewiadomski den Grundsatz gegenüber, wer eine Situation als wirklich begreife, der trägt auch dazu bei, dass diese Situation auch wirklich wird. Den deutschen Soziologen Franz Xaver Kaufmann paraphrasierend, sagte er: „Wer an Geister glaubt, wird Geister sehen. Wer bloß an die Macht der Gene oder der Gehirnströme glaubt, dem wird auch nichts Geistiges einfallen. Wer den Menschen als egoistisch oder gar bösartig definiert, wird entsprechende Erfahrungen machen. Wer an das Sterben der Kirche glaubt, wird dieses Sterben auch erleben.“

 

Kirche stirbt nicht, wenn es genug Menschen gibt, die glauben 

Direkt an die SchülerInnen gewendet, vertrat Niewiadomski die Meinung, nicht die ständige Diskussionen über das Gestrig-Sein der Kirche wird das Sterben der Kirche verhindern, sondern der gelebte Glaube. Die Kirche werde nur dann keine sterbende Kirche werden, wenn es genug Menschen gibt, die glauben und durch ihre tagtägliches Vorleben das Vorurteil, Religion sei bloß der Schnee von gestern in Frage stellen. Die Frage, wozu dies auch gut sein soll, beantwortete er mit Hilfe eines Gedichtes des polnischen Dichters Jan Twardowski: “Wir beten, weil andere nicht beten, wir glauben, weil andere nicht glauben, wir lieben, weil anderen das Herz erkaltet ist. Ungleiche brauchen einander, sie verstehen am besten, dass alle auf alle angewiesen sind und ahnen das Ganze.”

 

Verhängnisvoller Irrtum zu glauben, die säkularisierte Welt brauche die Kirche nicht 

Direkt im Anschluss an die Zeilen des Gedichtes bestimmte Niewiadomski das Verhältnis von Moderne und Religion neu: Es sei ein verhängnisvoller Irrtum zu glaube, die säkularisierte Welt brauche die Kirche nicht. Das Gegenteil ist der Fall, so Niewiadomski, und weiter: „Wir müssen der soziologischen Falle entrinnen, die uns ständig zur Überzeugung verführt, dass wir nur deswegen beten, weil andere beten und wir auch deswegen nur glauben, weil andere glauben. Umgekehrte Logik gilt es zu verinnerlichen. Nur dann wird die Kirche einen kreativen Kontrast zur Moderne bieten.“

Die Sache auf die Spitze treibend, formulierte er: „Wer nur modern sein will, der wird auch modern. Dasselbe Wort, unterschiedlich betont, sensibilisiert auf die Sackgassen der Moderne.“ Diese sei in der Ideologie des Aufstiegs, der freigelassenen Konkurrenz, der Logik des Seitenblicks und des Neides zu sehen. Die Folge davon sei die Karikatur des Menschseins: der moderne Mensch, der in der Logik von Aufstieg und Fall gefangen bleibt, wird zum selbstbezogenen Individualisten, dem klassischen homo incurvatus in se ipsum.“

Ungleiche brauchen einander: deswegen braucht die Moderne als Korrektiv zur Logik des Aufstiegs den Glauben an die Menschwerdung Gottes. Dieser Glaube steht für den freiwilligen Weg nach unten; er zeigt direkt die humanisierende Wirkung des Christentums an, so der Innsbrucker Theologe.

 

Christentum bleibt für die Moderne das Wasser für morgen 

Deswegen - so das Fazit des Vortrags - bleibt das Christentum für die Moderne das Wasser für morgen. Für eine Welt, die an der Logik von Aufstieg und Fall zu ersticken droht, ist die Bodenständigkeit des christlichen Zeugnisses rettend. Denn: Nur Christen vermögen im leidenden, im geschundenen und sterbenden Menschen den Gott des Lebens zu entdecken, der die Menschen durch alle Sackgassen hindurch zu sicheren Zukunft, gar zum ewigen Leben zu begleiten vermag. Begleitend - nicht vom oben herab - solle das Christentum der Welt von Morgen ein unerlässlicher Partner sein.

Die jungen Menschen, die sich auch heute für die Religion, für “kirchlich infizierte Berufe und Studien” interessieren seien deswegen Trendsetter, Wellenbrecher und Avantgarde der humanisierten modernen Welt. Die moderne Welt spüre auch, dass sie diese Art des Christentums braucht, wenn sie die Menschlichkeit nicht verlieren will. Religion, Kirche, Theologie sind also nicht bloß der Schnee von Gestern; sie stellen den Inbegriff des Wassers für morgen dar. Das wolle der TheoTag demonstrieren.

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Diözese Innsbruck - Aktuell