Scheuer: Wurzel von Krieg und Gewalt ist die Verachtung anderer Menschen

Ein religionspolitisches Podiumsgespräch bildete den Abschluss eines Symposiums, mit dem die Theologische Fakultät dem vor elf Jahren verstorbenen Dogmatiker Raymund Schwager gedachte.

Eine wertschätzende Grundhaltung anderen Menschen und anderen Religionen gegenüber sei entscheidend für den Weg zu einer friedlicheren Gesellschaft. Das betonte der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer bei einem Podiumsgespräch zum Thema „Glauben in Zeiten des Terrors“ am Freitag, 4. Dezember an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck. „Die Wurzel des Krieges und der Gewalt liegt letztlich in der Verachtung des anderen Menschen“, so Scheuer.

 

Podiumsgepräch zum Abschluss von "Schwager-Symposium" 

Das religionspolitische Podiumsgespräch bildete den Abschluss eines zweitägigen Symposiums, mit dem die Fakultät dem vor elf Jahren verstorbenen Dogmatiker Raymund Schwager gedachte. Schwager hatte sich seit den 70er-Jahren intensiv mit dem Zusammenhang von Religion und Gewalt beschäftigt und dabei vor allem Theorien des Philosophen und Anthropologen René Girard einbezogen. Auf dem von Univ-Prof. Jozef Niewiadomski moderierten Podium sprachen neben Bischof Scheuer der Provinzial der Schweizer Jesuiten, Christian Rutishauser, der Professor für islamische Religionspädagogik, Zekirija Sejdini und der ORF-Religionsjournalist Johannes Kaup.

 

Sejdini: Viele Attentäter sind Produkt unserer westlichen Gesellschaft 

Die Aufgabe der Religion angesichts des Terrors sei es, sich verstärkt für Gerechtigkeit und für arme Menschen einzusetzen, sagte der islamische Religionspädagoge Zekirija Sejdini. Diese Komponenten sollten die Religionen als tragende Säulen in die Gesellschaft einbringen. Für ihn sei die Frage der Gewalt kein religiöses Problem, sondern stecke als Potential an allen Menschen drin. Bei Terrorakten wie jenen in Paris sei auch immer zu bedenken, aus welchen sozialen Umständen die Attentäter kommen. „Viele der Attentäter sind hier in Westeuropa geboren und daher ein Produkt unserer westlichen Gesellschaft“, so Sejdini.

Auf mögliche Auswirkungen des Terrors auf die Situation der Flüchtlinge machte der Religionsjournalist Johannes Kaup aufmerksam: „Glauben in Zeiten des Terrors heißt, an der Seite der Opfer des Terrors zu stehen, und das sind auch die Flüchtlinge, die zu uns kommen.“ In seiner Arbeit als Journalist merke er, dass vor allem Massenmedien sehr stark von Emotionen leben. Da sei es schwierig, differenziert und ausgewogen zu berichten.

 

Jesuitenprovinzial mahnt zu weitsichtiger Friedensarbeit 

Der Jesuitenprovinzial Christian Rutishauser mahnte zu einer weitsichtigen Friedensarbeit, die letztlich auf eine grundlegende Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse hinausläuft. Denn die Kriege im Orient würden auch mit dem westlichen Lebensstil, mit dem Bedarf an Öl und mit dem Export von Waffen zusammenhängen. „Wenn Gewalt einmal ausgebrochen ist, ist es zu spät. Wir brauchen eine Friedensarbeit zu einem Zeitpunkt, an dem kein Konflikt am Horizont auftaucht“, so Rutishauser. Die beste Prävention gegen Aggression und Gewalt sieht Rutishauser aber in einer „Arbeit an der Innerlichkeit, im inneren Beten“. Rutishauser erinnerte an den deutsch-iranischen Schriftsteller Navid Kermani, der im Anschluss an seine Rede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels die Anwesenden zum Gebet aufgerufen habe.

 

Terror und Gewalt darf nicht mit Gegengewalt beantwortet werden 

Einigkeit herrschte auf dem Podium darüber, dass Terror und Gewalt nicht mit Gegengewalt beantwortet werden dürfen und wirklicher Friede nicht durch militärische Mittel hergestellt werden kann. Die Überwindung von Gewalt sei letztlich ein Geschenk, so Rutishauser. Allerdings könne es Gewaltsituationen geben, in denen auch mit gewalttätigen Mitteln geantwortet werden müsse. Allerdings nicht, um Frieden zu schaffen, sondern um eine noch größere Gewalt einzudämmen. Ähnlich Bischof Scheuer, für den sich angesichts von Gewaltexzessen die ethische Frage stellt, welche Verpflichtung eine Gesellschaft habe, Menschen vor Gewalt zu schützen. Allerdings, so die Auffassung der Podiumsteilnehmer, würde die Politik meist viel zu früh zu gewalttägigen Mitteln greifen, ohne vorher alle anderen Mittel auszuschöpfen.

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Diözese Innsbruck - Aktuell