Novemberpogrom-Gedenken: Bischof Glettler in Israel

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler reiste nach Israel, wo er an einer Gedenkreise des Landes Tirol anlässlich der Novemberpogrome im Jahr 1938 teilnimmt.

Angeführt wird die Tiroler Abordnung von Landeshauptmann Günther Platter. Neben Vertretern des Landes sind auch der evangelische Superintendent der Diözese Salzburg und Tirol, Olivier Dantine, und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, Günther Lieder, mit dabei; weiters auch u.a. Studenten der Universität Innsbruck.
Unter den Programmpunkten der Reise stehen ein Treffen mit Tiroler Überlebenden der Shoah, der Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem, des Peres Centers for Peace in Tel Aviv, des Österreichischen Pilger-Hospizes in der Jerusalemer Altstadt und der Besuch von Klagemauer und Grabeskirche. Die Gruppe wird mit zudem mit Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, dem Apostolischen Administrator des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem, zusammentreffen. Auch politische Gespräche in der Knesset stehen auf dem Programm.
Die Rückreise tritt die Gruppe bereits kommenden Samstagvormittag an, da für Samstagabend in Innsbruck eine Gedenkveranstaltung des Landes Tirol (18 Uhr, Innsbrucker Landhaus) anberaumt ist. Inhaltlich sollen in die Veranstaltung auch die Erfahrungen der Israelreise miteinfließen. Die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war in Innsbruck, gemessen an der Anzahl von jüdischen Mitbewohnern und im Vergleich mit anderen Städten, mit vier Ermordeten und besonders heftigen Ausschreitungen eine der blutigsten im damaligen Dritten
Reich.
Dass sich Vertreter der Politik und verschiedener Kirchen und Religionen gemeinsam auf den Weg machen, sei ein positives Zeichen, sagte Bischof Glettler der Nachrichtenagentur "Kathpress" im Interview. "Das macht deutlich, dass wir uns gemeinsam für eine Gesellschaft
einsetzen, die mit Pluralität umzugehen weiß und sich dem Frieden verpflichtet fühlt." Glettler unterstrich die Notwendigkeit, sich die Ereignisse von vor 80 Jahren immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und die Ursachen und Entwicklungen zu bedenken, die zum Novemberpogrom und dem anschließenden Holocaust führten. "Es ist eine Reise zum Nachdenken und Bedenken der Vergangenheit, genauso aber auch ein kritisches Hinschauen auf die Gegenwart, in der es gefährliche Tendenzen von Polarisierungen gibt, so Glettler.
Wie sei es möglich gewesen, dass die Menschen in die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit einer "fast dämonischen Euphorie" hineingelaufen seien und an Kriegspropaganda und politische Heilsversprechungen geglaubt hätten, fragte der Bischof. Er unterstrich zugleich die stets aktuelle Notwendigkeit für jeden Einzelnen, ein inneres persönliches Wertesystem, basierend auf dem Prinzip "humanitärer Verantwortlichkeit", auszubilden. Wenn nämlich eine entsprechende "humanitäre Formatierung von Herz und Seele" nicht vorhanden sei, dann nütze auch die Information über historische Fakten nichts.
Für die Christen sei es zudem wichtig, ins Heilige Land zu reisen, um sich der eigenen Wurzeln im Judentum zu erinnern, sagte der Bischof. Er erinnerte an Papst Johannes Paul II., der von den Juden als "unseren älteren Geschwistern" sprach. Darin komme eine sehr große Wertschätzung zum Ausdruck, die heute in der Kirche Standard sein müsste, so Glettler. Er
erinnerte zugleich an den jahrhundertealten christlichen Antisemitismus, der u.a. auch mitverantwortlich dafür war, dass es zum Holocaust kommen konnte.
Auf den aktuellen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern angesprochen meinte der Bischof im "Kathpress"-Gespräch, "dass wir als Gäste kommen und nicht als Besserwisser". Man sei mit "verschiedenen Deutungen von Wirklichkeit konfrontiert, die nicht deckungsgleich sind, und von
außen kommend muss man das auch so stehen lassen". Nachsatz: "Trotzdem sind wir alle dem Dauerauftrag Versöhnung verpflichtet."
Ihm persönlich sei es noch wichtig, so der Bischof, "dass das Potenzial der Religionen für mehr Mehr an Einheit und Gerechtigkeit in der Welt deutlicher wahrgenommen wird".
Zeichen der Verantwortung
Landeshauptmann Platter verknüpft mit der Israelreise eine klare Botschaft: "Wir tragen Verantwortung, dass die Gräuel der Nazizeit nie wieder passieren dürfen", sagte Platter der "Tiroler Tageszeitung" und weiter wörtlich: "Unser Land und das jüdische Volk verbindet eine lange, wechselvolle Geschichte, die in der Vergangenheit von vielen dunklen Stunden geprägt war." Seine Generation und die Generationen nach ihm hätten, so Platter, diese Verbrechen nicht direkt miterlebt. "Dennoch tragen wir eine Verantwortung, dass solche Gräuel nie wieder passieren. Aus diesem Grund ist eine gelebte Erinnerungskultur von so großer Bedeutung."
Superintendent Dantine bezeichnete die Reise im Vorfeld als "besonderes Zeichen der Verantwortung für das Gedenken an das Schicksal der jüdischen Gemeinde in Tirol". Unmittelbar vor dem 80. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 werde so "auch an die beschämende Geschichte des Schweigens der meisten Menschen und Institutionen zu diesen schrecklichen Ereignissen erinnert. Zu diesen Institutionen gehörte auch die evangelische
Kirche. So hat gerade sie eine besondere Verantwortung für das Gedenken."
Ein O-Ton von Bischof Glettler steht in Kürze unter www.kathpress.at/audio zum Download
bereit. 

Yad Vashem Bild: Berthold Werner