Gerechter Friede
(KAP) Gerechter Friede kann in den Augen von Bischof Manfred Scheuer nicht durch Aufrüstung oder Unterwerfung gelingen, sondern nur durch "Überwindung der Einäugigkeit durch das Wahrnehmen des Leidens sowie der Ängste des jeweils anderen". Wie der Innsbrucker Diözesanbischof am Samstag im Rahmen einer Predigt in St. Radegund darlegte, sei es ein Irrglaube, Sicherheit durch den Einsatz von Gewalt herstellen zu wollen: "Es wäre eine menschenverachtende Sackgasse, mit Gewalt andere zu beseitigen oder zu töten, um Leiden zu überwinden und Sicherheit für sich selbst zu schaffen."
Scheuer äußerte sich bei einem Gedenkgottesdienst für den selien NS-Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter (1907-1943). Der St. Radegunder habe die "Barbarei des menschen- und gottverachtenden Systems" des Nationalsozialismus "klarer und weitsichtiger" als viele Zeitgenossen gesehen und durch sein "entschiedenes Nein" ein "prophetisches Zeugnis für die christliche Wahrheit" gegeben. Als "Zeuge der Freiheit" habe er mit Gottes- und Nächstenliebe die "Logik des Bösen von innen her aufgebrochen und überwunden", was Scheuer mit einem Zitat von Simone Weil kommentierte: "Der falsche Gott verwandelt das Leiden in Gewaltsamkeit. Der wahre Gott verwandelt die Gewaltsamkeit in Leiden."
Friede sei möglich und auch geboten, so der Bischof mit Verweis auf die Päpste Johannes Paul II. und Johannes XXIII. Letzterer forderte "Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit" als "Säulen" des Friedens. Friedensarbeit umfasse deshalb "Freundschaft mit den Armen, Entwicklungshilfe wie humanitäre Hilfe und Aufbau eines sozialen Umfelds, wo große Spannungen herrschen", so der Bischof. Weitere Elemente seien die Begegnung zwischen den Generationen, die Begleitung von ausgegrenzten Menschen und die Integration von Ausländern und Minderheiten, sowie auch Dialog zwischen Religionen und Kulturen. Für Dialog und das Zusammenleben gelte es "Verbindungen aufzubauen, damit Feinde und Fremde einander ins Gesicht schauen und schließlich entdecken, dass sie Geschwister sind", betonte Scheuer.
"Krieg verdirbt Seele einer Nation
Mit Blick auf die Weltkriege sprach Scheuer von einer "spirituellen Architektur der Völker, die krank werden kann", zumal beide lang vorbereitet statt "aus heiterem Himmel gefallen" seien. Viele hätten Krieg einst als Notwendigkeit gesehen, um gesellschaftlichen Niedergang aufzuhalten - "wie ein chirurgischer Eingriff, der freilich Leid mit sich bringt, aber den Frieden wiederherstellen soll". Eine einfache chirurgische Operation sei Krieg jedoch nie, ganz im Gegenteil ziehe er vielmehr unkontrollierbare Konsequenzen nach sich, betonte Scheuer: "Er hinterlässt tiefe Spuren in der Mentalität der Völker, er verdirbt und schädigt den Charakter der Menschen und macht die Seele einer Nation schlechter." Hass werde von Generation von Generation weitergegeben, ganze Völker seien "nicht mehr die gleichen wie zuvor".
Detailliert analysierte der Innsbrucker Bischof menschliche Haltungen, die einem Krieg vorausgehen. Der Anfang geschehe stets im eigenen Herzen - "mit schlechten Gedanken, mit Verachtung, mit Hass", so Scheuer. Die Verachtung dessen, der anders und verschieden ist, rechtfertige schrittweise Gewalt und dann Krieg. Sie sei "scheinbar zu einer Chiffre unserer Zeit" geworden, so der Bischof mit Verweis auf populistische Strömungen in Europa, die "auf Roma oder Migranten zielen und den schwächsten und benachteiligten Gruppen die Schuld für die eigenen Schwierigkeiten geben". Während hier oft Ängste und Orientierungslosigkeit von Jugendlichen ausgenutzt würden, sei eine Auflösung nur durch Wertschätzung und Dialog möglich.
Der Erste Weltkrieg habe zu einer Vorstellung geführt, "dass unterschiedliche Menschen nicht zusammenleben können", so Scheuer. Minderheiten erhielten somit keinen Platz mehr und Nachbarn über Jahrhunderte galten aufgrund nationaler, ethnischer oder religiöser Unterschiede plötzlich als Feinde.
