Gebet für den Frieden im Innsbrucker Dom

Rund 200 Menschen „durchbrachen“ am Mittwochnachmittag den Alltag und beteiligten sich im Dom zu St. Jakob in Innsbruck an einem „Gebet für den Frieden“. Auf Initiative der Gemeinschaft Sant Egidio Innsbruck folgte die Diözese Innsbruck im Jahr der Barmherzigkeit dem Gebetsaufruf von Papst Franziskus und lud zu einem Wortgottesdienst mit Durchschreiten der Jubiläumspforte.

Bürgler: Friede heißt auch Vergebung 

Ausgehend von Jesaja 2, 1-5 ging Diözesanadministrator Jakob Bürgler in seiner Predigt auf die Bedeutung des Friedens ein. Nachstehend die Predigt des Diözesanadministrators im Wortlaut:

 

„Zwei Bewegungen sind es, die wir heute tun. Eine äußere, die in das Innere führt, und eine Innere, die ins Äußere führen soll. Die äußere Bewegung besteht darin, dass wir die Pforte der Barmherzigkeit durchschritten haben. Diese äußere Bewegung führt ins Innere: Wir dürfen in uns, in unseren Herzen, die zärtliche Zuneigung Gottes spüren und sein Erbarmen erfahren. Und eine innere Bewegung: Wir beten gemeinsam mit Papst Franziskus um Frieden. Diese innere Bewegung im Herzen soll nach außen wirken: Das Gebet und der innere Frieden sollen sich auswirken für eine friedlichere Welt. Von außen nach innen und von innen nach außen. Zwei Bewegungen, die uns in Bewegung bringen.

 

Unzählige sehnen sich nach einer Zukunft in Frieden. Frère Roger Schutz, der Gründer der Communauté de Taizé, fragte in seinem letzten unvollendetem Brief: „Was ist das für ein Frieden, den Gott schenkt?“ Es ist zunächst ein innerer Frieden, ein Frieden des Herzens. Dieser innere Friede erlaubt es, einen hoffnungsvollen Blick auf die Welt zu richten, auch wenn Gewalt und Konflikt die Welt zu zerreißen und kaputt zu machen drohen.

Ändert sich etwas mit unserem Gebet, mit unserem Vertrauen auf eine friedlichere Zukunft? Sind nicht nach wie vor das Leiden und das Kreuz der Menschen erdrückend und ausweglos? Von Albert Schweitzer gibt es den Ausspruch: „Beten verändert nicht die Welt. Aber beten verändert die Menschen, und Menschen verändern die Welt.“ Es geht von innen nach außen, von mir zu den anderen, wie eine kraftvolle Dynamik der Menschlichkeit. Die Wandlung im Herzen führt zur Wandlung von Strukturen, Handlungen, Reaktionen und Systemen – letztlich zur Wandlung der Welt, die uns umgibt, in der wir leben und die wir prägen. Insofern ist das Gebet um den Frieden der wichtigste „Knopf“, an dem wir drehen können.

 

Die Worte des Propheten Jesaja, die wir im biblischen Text gehört haben, sind eine Hilfe, um jene Zeiten in den Blick zu nehmen, „welche durch die Ankunft des Messias anbrechen werden. Jesaja lebt in einer konfliktreichen Zeit ... Doch der Herr drängt ihn, nicht zu resignieren und der schrecklichen Logik der Kriege, dem gewohnheitsmäßigen Drang zu ungerechten Bündnissen und der unbedingten Verfolgung eigener Interessen zu widerstehen. Während der Prophet an anderer Stelle zum Vertrauen auf den Schutz Gottes aufruft, lässt er hier die Vision eines unerwarteten Friedens in einer Zeit aufleuchten, die von Konflikten geprägt ist und in der das Volk in den egoistischen und gewalttätigen Ideen einer kleinen Welt gefangen ist.“[1]

„Zum Berg strömen alle Völker.“ Dies ist die Vision einer universalen Rettung, von der niemand ausgeschlossen ist. Alle Völker werden angezogen sein von der Kraft der Weisheit, die vom Herrn ausströmt. Diese Weisheit verändert das Herz jener Menschen und Völker, die auf sie hören, und es wird eine Zeit des Friedens unter allen anbrechen: „Dann schmie­den sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen.“ Diese Vision leitet die Heilige Schrift, und sie leitet uns, die wir zum Gebet zusammengekommen sind.

 

Papst Franziskus hat die gesamte Kirche zur Feier des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit aufgerufen. Er ist davon überzeugt, dass unsere Kirche nicht in erster Linie eine Erneuerung von Strukturen oder Pastoralplänen benötigt, sondern eine „pastorale Umkehr“. Dazu ruft uns die Feier des Jubiläums in persönlicher und gemeinschaftlicher Weise auf: zur Umkehr des Herzens, um die Barmherzigkeit des Vaters im Himmel aufzunehmen und in neuer Weise zu leben. Die „Medizin der Barmherzigkeit“ ist das Mittel, das die Kirche in einer Welt voller Gewalt, Terror, Zerrissenheit und Erbarmungslosigkeit statt der Strenge anwenden möchte.

Das Durchschreiten der Pforte ist ein Symbol für den Lebensweg, den jeder Mensch zurücklegen muss. Zum Pilgern und zum Durchschreiten der Pforte muss jeder den Alltag unterbrechen, er muss sich auf den Weg machen und umkehren, bereit sein, sich zu erneuern und neu zu beginnen. Um barmherzig zu sein, benötigen wir alle Umkehr und Hinwendung zu Gott, der Quelle der Barmherzigkeit.

 

Friede heißt Vergebung, die als Frucht der Umkehr und des Gebetes von innen her geboren wird und im Namen Gottes die Heilung der Wunden der Vergangenheit möglich macht. Friede bedeutet Aufnahme, Bereitschaft zum Dialog, Überwindung der Verschlossenheit, nicht Strategien zur Absicherung, sondern Brücken zur Überwindung des Abgrunds. Friede heißt Zusammenarbeit, lebendiger und konkreter Austausch mit dem anderen, der ein Geschenk und kein Problem ist, ein Bruder, mit dem man eine bessere Welt aufzubauen versucht. Friede bedeutet Erziehung, ein Aufruf, um jeden Tag die schwierige Kunst der Gemeinschaft zu erlernen, um sich die Kultur der Begegnung anzueignen und das Gewissen von jeder Versuchung zu Gewalt und Verhärtung zu reinigen, die dem Namen Gottes und der Würde des Menschen entgegenstehen. Es geht zutiefst um unser christliches Zeugnis. Ganz im Sinne dessen, wie es Gerda Schaffelhofer, die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs, vor kurzem in Klagenfurt gesagt hat: Europa soll “das Christentum einfach leben statt sich Sorgen um das christliche Erbe zu machen”.

 

Zum Jahr der Barmherzigkeit gehört auch die Praxis der Werke der Barmherzigkeit. Ein solches Werk kann das Gebet für den Frieden in der Welt sein. „Wir tragen in uns die Erwartungen und Ängste vieler Völker und Menschen und legen sie Gott zu Füßen. Wir haben Durst nach Frieden, wir haben das Verlangen, den Frieden zu bezeugen, vor allem aber müssen wir um den Frieden beten, denn der Friede ist ein Geschenk Gottes und unsere Aufgabe ist es, um ihn zu bitten, ihn zu empfangen und ihn jeden Tag mit seiner Hilfe aufzubauen.“ (Papst Franziskus, Friedenstreffen Assisi 2016)!

DA Jakob Bürgler