"Frauen müssen sich mehr zutrauen"
Das hat die Publizistin Ingeborg Schödl, Verfasserin mehrerer Bücher über die streitbare Kirchenfrau, im Interview mit "Kathpress" dargelegt. Charakteristisch für Dengel sei ihr Mut gewesen, dem gesellschaftlichen Frauenbild ihrer Zeit nicht zu entsprechen und Neues zu wagen. "Wenn sie sagte: 'Die Stärke der Frauen ist viel größer als sie selbst vermuten', so ist sie damit heute noch aktuell. Frauen müssen sich mehr zutrauen", so die Buchautorin.
Dengel, geboren am 16. März 1892 in Steeg (Bezirk Reutte), war eine der ersten Tiroler Ärztinnen. Sie ging nach Indien und gründete die "Missionsärztlichen Schwestern" mit dem Ziel, Ordensfrauen als Ärztinnen, Hebammen oder Pharmazeutinnen auszubilden und in Armutsregionen zu schicken. Ehe sie zu Lebzeiten 48 Spitäler erbauen konnte, stieß sie innerkirchlich auf Widerstand: Ordensfrauen war es verboten, in der Geburtshilfe tätig zu sein. Papst Pius XI. kippte auf Dengels Drängen die 700 Jahre alte Regel, der Orden wurde anerkannt. Heute betreiben 600 Mitglieder in Asien, Afrika und Lateinamerika Spitäler, Entbindungsstationen, Mutter- Kind-Zentren sowie Ausbildungsstätten; für Dengel läuft ein Seligsprechungsverfahren.
"Ihrer Zeit weit voraus"
"Dengel war ihrer Zeit weit voraus. Sie scheute nie davor zurück, neue Ideen umzusetzen, knüpfte dafür Netzwerke und ergriff die Chancen, die sich ihr boten", beschrieb Schödl das Vorgehen der umtriebigen Ordensgründerin. In gleich mehrfacher Hinsicht sei Dengel eine Vordenkerin gewesen, habe "an vorderster Front" und nachhaltig Veränderungen bewirkt - auch weit über ihr erfolgreiches Ringen um Aufhebung des Ordensfrauen-Berufsverbotes hinaus, so die Einschätzung der Autorin.
"Sie hat in der Mission völlig neue Schritte gesetzt, indem sie just in die muslimischen Gebiete Indiens und Pakistans ging. Dort herrschten zu ihrer Zeit entsetzliche Zustände in der Geburtshilfe", so Schödl. Dabei sei es stets um "Hilfe zur Selbsthilfe" gegangen, habe Dengel doch vor allem Einheimische in neue Methoden der Geburtshilfe sowie in richtiger Ernährung geschult und damit zu den "Hauptakteuren" ihres Wirkens gemacht. Wichtig sei ihr auch die Verbesserung von Strukturen und die Hilfe vor Ort gewesen. Erst viele Jahrzehnte später setzten sich derartige Konzepte in der Entwicklungshilfe allgemein durch.
Die Aufgabengebiete des Ordens hätten sich seither verlagert, "vermutlich würde sich Anna Dengel heute den Flüchtlingen widmen, da sie mit viel Fingerspitzengefühl immer auf die Probleme der Zeit einging", so die Einschätzung Schödls. Noch zu Lebzeiten habe die Sozialpionierin ihren Aktionsradius auch auf Länder des "Nordens" erweitert, wobei es heute etwa in England, Niederlande, Deutschland, Belgien und Italien Ordensniederlassungen gibt. Ziel in Dengels Heimatkontinent ist mittlerweile vor allem der Einsatz für Menschen, die vom Gesundheitssystem nicht aufgefangen werden, ältere Menschen oder Menschen in Sinn- und Lebenskrisen.
Vorbilder lebendig halten
In Österreich, wo die Missionsärztlichen Schwestern nicht vertreten sind, wurde Anna Dengel vielfach geehrt, u.a. mit dem Ehrenring des Landes Tirol und dem großen goldenen Ehrenzeichen der Republik. Um auch Jahrzehnte nach ihrem Tod ihre Bekanntheit über die Grenzen Tirols hinaus zu steigern und die Projekte der "Missionsärztlichen Schwestern" zu unterstützen, wurde vor wenigen Jahren der "Verein der Freunde Anna Dengel" gestartet. Schödl bezeichnete diese Erinnerungsarbeit als wichtig. "Menschen brauchen Vorbilder, an denen sie sich anhalten können - besonders auch starke Frauen. Solche gibt es in der Kirche, durchaus auch im 20. und 21. Jahrhundert", so die Publizistin.
Aktuell sammelt der Verein für das Krankenhaus in Attat/Äthiopien, das 1969 als letzte Gründung Dengels dazukam. Die ärztliche Leitung liegt heute in Händen der deutschen Gynäkologin Schwester Rita Schiffer. Die anderen Ärzte, darunter zwei Frauen, sind Äthiopier. Acht missionsärztliche Schwestern aus fünf Nationen arbeiten hier, die meisten Afrikanerinnen. Das Krankenhaus mit 3.500 ärztlich begleiteten Geburten jährlich ist bis heute noch das einzige in der Region, in der über eine Million Einwohner leben. Es sei dringend auf Spenden angewiesen, heißt es seitens des Unterstützervereins. Ein "Geburtstagsgeschenk" von 25.000 Euro kam zuletzt aus Dengels Heimat, vom Lions Club Reutte.
(Spendenkonto für das Krankenhaus Attat von "Jugend Eine Welt": RLB Tirol, Kennwort: "Attat", IBAN: AT66 3600 0000 0002 4000; Infos: www.freundeannadengel.at)
Eine Meldung von www.kathpress.at