Christliche Kirchen schärfen ihr soziales Profil

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In welchen sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen sollen sich die christlichen Kirchen besonders engagieren? Darüber diskutierten die Teilnehmer einer Dialogveranstaltung im Rahmen der Initiative „Sozialwort 10 “ am 6. Juni im Haus der Begegnung in Innsbruck. Es war dies das erste von insgesamt drei Treffen, bei denen das Sozialwort der 16 christlichen Kirchen in Österreich aus dem Jahr 2003 fortgeschrieben werden soll.
Bischof Scheuer: Gegensätze sind deutlich spürbar
In einem Grußwort erinnerte der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer an den Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils, "nach den Zeichen der Zeit zu forschen und diese im Licht des Evangeliums zu deuten", wie es in der Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes" heiße. Bereits das Konzil spreche von großen sozialen und gesellschaftlichen Umgestaltungen die heute zum Teil noch deutlicher zu sehen seien. Massiv zugenommen seit dem 2. Vatikanischen Konzil habe etwa die Mobilität der Menschen, die nicht nur mehr Freiheit, sondern auch Belastungen bringe. Scheuer.: "Die allgemeine Erreichbarkeit der Dinge macht die Welt nicht vertrauter, sondern entfremdet sie uns auch."  Mit dem technischen Fortschritt würden die Menschen nicht mehr nur die Hoffnung auf ein besseres Leben verbinden, sondern auch die Erfahrung von Bedrohung. Die größere Freiheit habe zu neuen Erfahrungen der Abhängigkeit und Unfreiheit geführt. Ebenso habe man erkennen müssen, dass das Wirtschaftswachstum nicht automatisch zu mehr Wohlstand für alle geführt habe.  Massiv gestiegen sei der Einfluss der Medien und der Zugang der Menschen zu Information, bemerkte Scheuer. "Viele können die Informationen nicht mehr verdauen." Scheuer sieht die großen Herausforderungen im Auseinanderklaffen von Reich und Arm, in der Frage des Zugangs zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie in der Friedens- und Versöhnungsarbeit.
Superintendent Pöll: Christliche Kirchen wollen  Wandel mitgestalten
Der Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich, Lothar Pöll, wies auf die biblischen Quellen für die soziale Verantwortung der christlichen Kirchen hin: "Ohne soziales Profil hört die Kirche auf, Kirche Jesu Christi zu sein", so Pöll. Das Sozialwort ermutige die Kirchen, ihr soziales Profil zu stärken. Pöll erinnerte in seinem Grußwort unter anderem an die ungleiche Verteilung von Vermögen,  den Leistungsdruck, der auf vielen Menschen lastet oder die Frage der Finanzierbarkeit des Sozialstaates. Die Kirchen wollen den Wandel in der Gesellschaft mitgestalten und suchen daher den Dialog mit Menschen in Politik, Gesellschaft und Religion, so Pöll. "In  einer Zeit von Zukunftsangst ist die Kirche gerufen, den Menschen wieder Visionen zu geben und ihnen Mut zu machen".
In zwölf Dialogrunden befassten sich die Teilnehmer mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Themen, die zu den zentralen Herausforderungen der Gesellschaft zählen. Die Ergebnisse wurden zum Abschluss präsentiert und für die Weiterarbeit gereiht.  Dabei kristallisierten sich neun Themenbereiche heraus: Das Eintreten der Kirchen für eine gerechte Finanzwirtschaft, eine gerechte Verteilung der Arbeit, für den Sozialstaat als Menschenrecht und für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Kirchen sollen weiters ihre Stimme in Sinnfragen und Fragen der Lebensbewältigung erheben, sich für Flüchtlinge und Entwurzelte einsetzen und für die Entlastung der Familien stark machen.
Die Ergebnisse der Dialogveranstaltung in Innsbruck werden von der Katholischen Sozialakademie aufbereitet und münden in die nächste Dialogveranstaltung am 10. Oktober in Wels. Zu diesem Treffen werden ausdrücklich auch Vertreter anderer Religionen und der Zivilgesellschaft eingeladen, um mit ihnen in Dialog über die gesellschaftlichen Herausforderungen zu treten.
Aufbauend auf die Rückmeldungen aus den Lesekreisen und auf die Ergebnisse der ersten Dialogveranstaltung wird die zweite Dialogrunde vorbereitet. Diese wird eine explizite Einladung an die Zivilgesellschaft und an andere Religionen enthalten, um mit Anders-Denkenden und Anders-Gläubigen in einen Dialog über die kommenden gesellschaftlichen Herausforderungen zu treten. 

www.sozialwortzehnplus.org 

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Diözese Innsbruck - Aktuell