Bürgler: Papst will mit Entschiedenheit für alle die Tür der Barmherzigkeit öffnen

Stellungnahme von Diözesanadministrator Jakob Bürgler zum nachsynodalen Schreiben von Papst Franziskus zu Ehe und Familie, das am 8. April veröffentlicht wurde.

Heute wurde in Rom das mit Spannung erwartete nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus zu Ehe und Familie veröffentlicht und von den Kardinälen Christoph Schönborn und Lorenzo Baldisseri sowie einem italienischen Ehepaar vorgestellt. Es trägt den Titel „Amoris Laetitia – über die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird“. Diözesanadministrator Jakob Bürgler in einer ersten Stellungnahme.
Intensive Bodenhaftung des PapstesDiözesanadministrator Jakob Bürgler sieht in diesem neuen päpstlichen Schreiben Parallelen zu „Evangelii gaudium – über die Freude des Evangeliums: „Auch dieses Dokument ist eine Einladung zur Freude, zum dankbaren Schauen auf alles Gelingen und Kostbare, das im menschlichen Leben aufleuchtet. Zugleich kennzeichnet das Schreiben des Papstes eine intensive ‚Bodenhaftung‘. Der Blick auf die Realität, wie sie nun einmal ist, ist ein starker Akzent in den Ausführungen des Papstes. Gerade der Blick auf die Realität gehört zu den Voraussetzungen, die Wahrheit zu begreifen.“ Und Bürgler weiter: „Papst Franziskus warnt vor der vereinfachenden Unterscheidung zwischen Ehen und Familien, die ‚in Ordnung‘ sind, die den Regeln entsprechen, in denen alles ‚stimmt“‘ und ‚passt‘, und den ‚irregulären‘ Situationen, die ein Problem darstellen. So einfach und schwarz-weiß ist die Sache nicht.“ Die Aufgabe der in der Seelsorge tätigen Menschen sei nicht so sehr die des Richtens, sondern des Hinhörens, Verstehens, Erschließens und des Begleitens.
Hinhören und demütig verstehenDer Innsbrucker Diözesanadministrator sieht  einige Grundhaltungen, die das ganze Dokument „Amoris laetitia“ durchziehen: Es gilt, die Kunst der Unterscheidung und Differenzierung anzuwenden. Und es geht um das Begleiten und die Integration.Bürgler zitiert dabei aus dem neuen päpstlichen Schreiben: „Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer ‚unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien‘ Barmherzigkeit empfindet.“ (AL 297)Amoris Laetitia stehe im Licht des Evangeliums und sei zugleich getragen vom Hören auf die Menschen, so Bürgler und zitiert: „Ich nehme die Bedenken vieler Synodenväter auf, die darauf hinweisen wollten, dass ‚Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, […] auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden [müssen], wobei zu vermeiden ist, jedwelchen Anstoß zu erregen. Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer pastoralen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi, der die Kirche ist, gehören, sondern dies als freudige und fruchtbare Erfahrung erleben können … Es ist daher zu unterscheiden, welche der verschiedenen derzeit praktizierten Formen des Ausschlusses im liturgischen, pastoralen, erzieherischen und institutionellen Bereich überwunden werden können. (AL 299) Papst: Wir stellen der Barmherzigkeit zu viele BedingungenAufgrund der Komplexität der unterschiedlichen Situationen entwirft Papst Franziskus keine neue Norm: „Wenn man die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen … berücksichtigt, kann man verstehen, dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten durfte.“ (AL 300) Dazu sagt Kardinal Schönborn: „Manche haben sich eine solche Norm erwartet. Sie werden enttäuscht sein. Was ist möglich? Der Papst sagt es mit aller Klarheit: ‚Es ist nur möglich, eine neue Ermutigung auszudrücken zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle‘.“ (Kardinal Schönborn bei der Pressekonferenz)Manche befürchten durch den starken Akzent der Begleitung und Unterscheidung eine Nivellierung der Norm. Dem gegenüber sagt der Papst: „Wir stellen der Barmherzigkeit so viele Bedingungen, dass wir sie gleichsam aushöhlen und sie um ihren konkreten Sinn und ihre reale Bedeutung bringen, und das ist die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen.“ (AL 311)
Offene Tür der BarmherzigkeitBürgler abschließend: „Für Papst Franziskus gehört die Barmherzigkeit zum Kern der christlichen Botschaft. Er hat nicht nur am Beginn des Außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit die Heiligen Pforten geöffnet. Auch in seinem neuen Schreiben wird spürbar, wie sehr er die Menschen mag, und wie sehr er die Zuwendung Gottes den Menschen erfahrbar machen möchte. Die Tür war in der Frage des Umgangs mit Menschen in sogenannten ‚irregulären‘ Situationen nie ganz zu. Papst Franziskus will nun aber die Tür mit Entschiedenheit öffnen, damit die Menschen nicht den Eindruck haben, vor der Tür bleiben zu müssen. Er will, dass alle Anstrengungen in Begleitung und Unterscheidung wahrgenommen werden, damit möglichst viel Integration erfahrbar wird.“  Veranstaltungshinweis im Haus der BegegnungWir dürfen auf eine Veranstaltung am Montag, 18. April um 19 Uhr im Haus der Begegnung in Innsbruck mit folgendem Pressetext hinweisen: Am 8. April 2016 wurde das postsynodale Schreiben von Papst Franziskus  Amoris Laetitia (Die Freude der Liebe) vorgestellt. Es sind die Gedanken und Reflexionen von Papst Franziskus bezüglich der Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie. Mit Spannung wird und wurde erwartet, wie Papst Franziskus den synodalen Prozess in diesem Schreiben aufnimmt und welche Impulse daraus für die Ortskirche – gerade auch zu den brennenden Fragen entstehen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die pastorale Arbeit? Prof. Martin M. Lintner und Prof. Roman Siebenrock präsentieren das Schreiben aus dem Blick vom Moraltheologie und Dogmatik und diskutieren im Anschluss mit den TeilnehmerInnen der Veranstaltung.Referenten: Prof. Martin M. Lintner, Univ.-Prof. Roman SiebenrockModeration: Alexandra Bauer und Alfred Natterer 

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