Bischof Scheuer am Dreikönigstag

Am Dreikönigstag wurde das Ponitfikalamt mit Bischof Manfred Scheuer aus dem Innsbrucker Dom in den ORF Regionalradios übertragen.

Am Dreikönigstag, genauer gesagt, am Festtag „Erscheinung des Herrn“, wurde das Ponitfikalamt aus dem Innsbrucker Dom zu St. Jakob in den ORF Regionalradios übertragen.

Gerne kommen wir dem Wunsch zahlreicher Interessierter entgegen und bringen nachstehend den gesamten Wortlaut der Einleitung und der Predigt von Bischof Manfred Scheuer.

 

Einleitung 

Liebe Gottesdienstgemeinde in St. Jakob, liebe Mitfeiernde an den Rundfunkgeräten, liebe Sternsinger, liebe Schwestern und Brüder!

Wie geht’s? Das ist eine alltägliche Frage, die wir einander stellen. Es geht gut, recht gut, halbwegs gut, ausgezeichnet oder einfach schlecht. Es geht gar nichts mehr. Mit dem „Gehen“ drücken wir den Gang des Lebens mit Gelingen, mit Scheitern, mit Höhen und Tiefen, mit den Wegen, Umwegen, Irrwegen und Abwegen aus. Das Gehen wird zum Bild der inneren Befindlichkeit und auch zum Symbol unserer Beziehungen: Menschen gehen aneinander vorbei oder wieder aufeinander zu. – Am heutigen Fest der Erscheinung des Herrn gehen wir mit den Sterndeutern, den Weisen den Weg nach Bethlehem zum Kind in der Krippe. Weihnachten ist dann, wenn wir in Bethlehem ankommen, wenn Jesus bei uns aufgenommen wird. Horchen wir auf unsere innere Sehnsucht, nehmen wir wahr, wer uns auf dem Weg begleitet, und schauen wir auf das, was wir mitbringen.

 

Predigt 

Fremden Menschen, Ausländern, Heiden leuchtet der Stern. Sie suchen und fragen, bis sie den neugeborenen König finden. Die drei Sterndeuter stellen die unterschiedlichen Menschheitstypen und Rassen aus den früher bekannten Kontinenten dar, aus Europa, Asien und Afrika. Sie nehmen schon am Anfang des Evangeliums vorweg, was uns durch Jesus versprochen ist: Alle Enden der Erde werden schauen das Heil unseres Gottes. - Vermutlich tun sich andere Völker zurzeit leichter mit Gott als wir in Österreich und in Europa. Die Afrikaner sind – so habe ich es bei Besuchen erlebt - selbstverständlich religiös. In Indien wird Gott gesucht und in Lateinamerika gibt es keine Kluft zwischen Glaube und Alltag. Vielleicht sind wir in Europa etwas müde geworden und spirituell ausgebrannt.

Wir feiern das Fest der Erscheinung des Herrn, d.h. der Stern ruft auch jene, die am weitesten weg sind auf, den nahen Gott zu suchen. Ich sehe es gegenwärtig als eine Herausforderung an, die Innerlichkeit des Glaubens, die Sehnsucht nach Gott und die Leidenschaft für Ihn zu stärken. Und wir dürfen durchaus die Schönheit des Glaubens in der Liturgie, in Musik und Kunst, in Ritualen und Wallfahrten zeigen. Sicher wäre es fatal, wenn Spiritualität die Brüche des Lebens, die konkrete Unversöhntheit außer Acht lassen, von der realen Lebenswelt entfremden und gegenüber der wirklichen Not gleichgültig machen würde. Vom Evangelium her gibt es einen inneren Zusammenhang von einer Mystik des Herzens und einer Mystik, die im Anderen, im Armen, in den gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Kontexten die Spuren Gottes sucht. Glaube und Gebet sind keine Beruhigungsmittel, sondern geben höchste innere Freiheit, die dazu befähigt, sich angstfreier und nicht korrumpierbar einzumischen in die Verhältnisse, wie sie sind. Wir brauchen personale und sakramentale Räume der absichtlosen Anbetung. Sonst verlieren wir uns kirchlich in bloßen Strukturfragen, in Rechthaberei, im Gezänk der unterschiedlichen Richtungen, im Neid gegenüber jenen, denen etwas gelingt.

Die drei Weisen des heutigen Festes werden in der mittelalterlichen Kunst oft in drei Lebensaltern dargestellt, einer als Jüngling, einer als erwachsener Mann und einer als Greis. Alle drei finden zum Kind und verehren es. – Ihr Kinderlein kommet, heißt es in einem Weihnachtslied. Wenn allerdings die Kinder aus dem Haus sind, dann tun sich die Erwachsenen schwerer mit dem Feiern von Weihnachten. Sind bei uns die Männer schon ganz auf Distanz zur Frömmigkeit oder entdecken sie wieder neue Formen der Spiritualität? Ist Kirche und Religion bei uns Frauensache gewesen, ist es jetzt aber nicht mehr? Hat das Alltagsgeschäft, haben die Erwachsenen, die Mündigen und Emanzipierten nichts oder wenig mit Gott zu tun? – Der Stern ruft die Fernen auf, aufzubrechen zum nahen Gott. In jeder Lebensphase, in jeder Alterstufe will Gott neu gesucht werden. Wir brauchen einen erwachsenen Glauben mit der Unterscheidung der Geister zwischen fanatischen und befreienden Gottesbildern, zwischen Jesus Christus und Verführern, zwischen dem Geist und dem Ungeist. Erwachsen glauben, das heißt, dass Verantwortung nicht delegiert, sondern wahrgenommen wird. Wer erwachsen glaubt, kann Rechenschaft von der Hoffnung geben, die ihn erfüllt.

Die Gaben der Könige, der Weisen, Gold, Weihrauch und Myrre stellen das Kostbare, das Wertvolle, die Licht- und Glanzseiten des Lebens, das Aufsteigende, aber auch das Bittere, das Schmerzliche, das Niederdrückende des Lebens dar. Nach Bethlehem zum Kind führen die Sternstunden der Schönheit, die Erfahrungen der Freundschaft, des Gelingens, der Freiheit, der Freude, Stunden, in denen sich Sinn, Glück und Annahme bündelten. Zum Kind in Bethlehem verweisen Gezeiten der Anteilnahme, der Solidarität, des Spendens, des Teilens, Zeiten der Besuche, der Caritas, der Betroffenheit. Mitbringen dürfen wir aber auch die Tage der Klage, der Niederlage, der Krankheit, der Trennung, des Fluches. In der Anbetung bündeln sich die freudenreichen Begegnungen, aber auch die schmerzlichen Ereignisse.

Die Sternsinger bringen in diesen Tagen den Segen in die Häuser und Wohnungen. Segnen, d.h. die Hand auf etwas legen und sagen: du gehörst in allem und trotz allem Gott. Einen Menschen segnen, d.h. ihn gutheißen, ihn bejahen. Der Segen hat eine gemeinschaftsbildende Kraft in Situationen des Übergangs und des Abschieds. „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.“ (Num 6,24-26) Amen.

Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck

bischofscheuer21a_quer1_internet_2.jpg
Bischof Scheuer am Dreikönigstag