Alte Pfarren, junge Diözese und ein Archiv
Ein Jubiläum, wie 60 Jahre Diözese Innsbruck, ist immer ein Anlass, eine Rückschau zu halten. Privat geschieht das über die Suche nach alten Alben oder Tagebüchern in Kellern und Dachböden, in der Hoffnung, Erinnerungsstücke zu finden. Eine Institution wie eine Diözese pflegt ihre Erinnerungen dagegen systematisch – und befragt bei Jubiläen das eigene Archiv.
Vergleichsweise kurze Zeitspanne zentral archiviert
Das in der Innsbrucker Riedgasse angesiedelte Diözesanarchiv ist, wie auch die Diözese selbst, nicht alt. Die Bestände reichen bis in das Jahr 1919. Zu dieser Zeit wurden erstmalig mit der Filiale der Diözese Brixen, diözesane Dienststellen in Innsbruck eingerichtet. Aus diesen entwickelte sich die Apostolische Administratur Innsbruck-Feldkirch und schließlich 1964 die Diözese Innsbruck entwickelt.
Es handelt sich um eine historisch gesehen kurze Zeitspanne, wenngleich eine sehr bewegte: Zeiten der Not, des Krieges, des NS-Terrors, wie der Hoffnung und des Aufbruchs. „Auch technisch lässt sich die Entwicklung von handgeschriebenen Briefen, über Schreibmaschinenseiten, frühen Computerausdrucken und Faxnachrichten bis hin zur immer digitaleren Verwaltung festmachen“, erklärt Diözesanarchiviar Martin Kapferer. Über 800 Laufmeter sogenannter „Archivalien“ zeugen davon.
Deutlich älteres Material in den Pfarren
Wesentlich älter sind dagegen die Pfarren und Seelsorgestellen in der Diözese. Erste christliche Siedlungen und Kirchenreste lassen sich bis in die spätrömische Zeit zurückverfolgen, die ersten pfarrlichen Schriftstücke bis ins Hochmittelalter: aus dem Jahr 1113 datiert die älteste pfarrliche Urkunde (Kapellenweihe in Telfs).
All diese alten und umfangreichen Archive befinden sich bis heute in den jeweiligen Pfarren. Sie vermitteln damit die vollständigste Übersicht über die Geschichte, Kunst und Kultur einer Region, so Kapferer: „Dazu zählen über 6000 bekannte (Pergament-) Urkunden, und zehntausende Schriftstücke der letzten Jahrhunderte, die für uns heute die Menschen früherer Zeiten, ihren Glauben, ihre Fähigkeiten, aber auch ihre Nöte vergegenwärtigen.“
Nicht nur sammeln, auch aufarbeiten und zur Verfügung stellen
„Aber ein Archiv ist kein Archiv, wenn nur Informationen ungeordnet gesammelt und gehütet werden, und nicht auch die interessierte Öffentlichkeit diese Schätze nutzen darf“, betont der Diözesanarchivar. Insbesondere bei Pfarrarchiven in immer zahlreicher werdenden unbesetzten Pfarren innerhalb der Seelsorgeräume werde dies immer schwieriger. Auch der Klimawandel setzt den Archiven zu. Die immer heißer und feuchter werdenden Sommer beschleunigen die Schimmelbildung und erhöhen die Gefahr immer neuer, aggressiverer Schädlinge, wie den Papierfischen.
„Andere Diözesen sind Innsbruck da schon einen entscheidenden Schritt voraus, indem die Pfarrarchive als Leihgaben zentral, klimatisch perfekt deponiert sind“, erläutert Kapferer. Die Pfarren würden dadurch von der Verantwortung befreit, und durch die Ordnung und das Archivpersonal stehen die Archive zur Nutzung zur Verfügung. Der Überblick über die Pfarrarchive ermögliche „einen unglaublichen Schatz, der gehoben werden könnte.“
Aber nicht nur der drohende Verlust des historischen Erbes stellt eine Herausforderung dar. Eine ebensolche ist der Medienbruch von Papier als Informationsträger hin zum nur mehr virtuellen Material einer digitalen Verwaltung. „Wie kann der Inhalt einer Datei in ein paar oder in Hunderten Jahren noch gelesen werden? Und vor allem: Wie können wir uns sicher sein, dass der Inhalt dieser Datei dann auch noch unverfälscht ist, obwohl diese vielfach umkopiert und in neue Datenformate migriert wurde?“, fasst Kapferer zusammen. Auch das seien Aufgaben, die archivisches „Knowhow“ erfordern.
Kommission zur Unterstützung der Archivtätigkeiten
Im Rahmen dieser Gesichtspunkte ist auch die Archivkommission der Diözese Innsbruck tätig. Derzeit gehören ihr zehn Personen an. Den Vorsitz führt die Archiv- und Bibliotheksleiterin des Stift Wilten, Miriam Trojer, ihr Stellvertreter ist der Theologieprofessor Mathias Moosbrugger. Weitere Mitglieder sind der Direktor des Landesarchivs, Christoph Haidacher, Diözesanarchivar Martin Kapferer, Matthias Rettenwander vom Paulinum Schwaz, die Direktorin des Diözesanarchivs in Brixen Erika Kustatscher, Kanzler der Diözese Innsbruck Winfried Schluifer, Bernhard Mertelseder vom Tiroler Bildungsforum, Sr. Gertraud Egg von den Barmherzigen Schwestern Zams sowie der Historiker Stefan Ehrenpreis vom Institut für Geschichtswissenschaften der Universität Innsbruck.
Die anerkannten Archivexpert:innen, Historiker:innen und kirchliche Verantwortungsträger:innen unterstützen das kleine Archivteam in der Herausforderung, Sensibilität zu erzeugen und machbare Lösungen zu finden, bevor der „Überlieferungsverlust“ eintritt. „Mag professionelle Archivierung mit Kosten verbunden sein, stehen diese in keiner Relation zum drohenden Erinnerungs- und Wissensverlust“, erinnert der Diözesanarchivar.