Befreiung und Neubeginn – Vesper zu 80 Jahre Kriegsende
Mit einer feierlichen Vesper erinnerten Bischof Hermann Glettler und der evangelische Superintendent Olivier Dantine, gemeinsam mit Pax Christi, Sant’Egidio und der Fokolar-Bewegung, an das Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Zentrum des ökumenischen Gebets stand das Licht der Auferstehung, das selbst die tiefste Finsternis durchdringen kann.
Bischof Hermann Glettler erinnerte in seiner Predigt eindringlich an die beispiellosen Verbrechen des Nationalsozialismus, den systematischen Mord an Millionen von Menschen und die tiefe Zäsur, die dieser Krieg für die Menschheit bedeutete: „Mit gnadenloser Präzision wurde eine industrielle Tötungsmaschinerie entfesselt. Es war ein Zivilisationsbruch, dessen Ausmaß unfassbar bleibt.“ Dennoch sei das Kriegsende nicht nur Schlussstrich, sondern auch Beginn eines neuen Weges gewesen. „Heute stehen wir in Ehrfurcht und Dankbarkeit vor Gott – im Gedenken an das Ende des Krieges, in Demut über die geschenkte Befreiung und den Neuanfang“, so Glettler.
Die Befreiung vom Krieg, so betonte Bischof Glettler, sei kein punktuelles Ereignis, sondern ein langwieriger Prozess – begleitet von Wunden, die schwer heilen. Und doch werde dieser Weg getragen von einer Kraft, die größer ist als das Leid: der „von Gott geschenkten Trotzdem-Kraft“. Dieses Vertrauen, das der Glaube schenkt, gleiche einem Licht, das von Mensch zu Mensch weitergegeben wird – eine Hoffnung, die sich sinnbildlich in der Osterkerze widerspiegelt.
„Hüten wir dieses Licht“, mahnte der Bischof, „dem wir uns innerlich von Neuem weihen – im Bewusstsein, dass wir alle Verantwortung tragen für unsere verwundete Welt.“
Mit Nachdruck warnte Glettler vor den „nächtlichen Hypotheken“ der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, deren Schatten bis heute nachwirken. Der Friede sei ein kostbares Gut, das wir nicht als selbstverständlich hinnehmen dürften.
Wahres Erinnern, so der Bischof, erfordere konkrete Schritte zur Versöhnung. Es brauche eine „Herzensbildung“, die über bloßes historisches Wissen hinausreiche – eine Erziehung des inneren Menschen, um Unrecht zu erkennen und sich mutig für Gerechtigkeit einzusetzen.
„Bitten wir heute besonders um den Heiligen Geist – jene Liebeskraft und schöpferische Energie Gottes, die wir so dringend brauchen, um einen nachhaltigen und gerechten Frieden zu gestalten“, schloss Glettler seine Predigt.
