Pogromnacht: Scheuer stellt Frage nach unverschuldetem Leid
Der 75. Jahrestag der Reichspogromnacht bzw. die nachfolgende Schoah geben laut dem Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer Anlass für kritische Fragen: Die Theodizée-Frage, warum Gott so etwas zugelassen hat - "Wo warst Du, Gott, als Frauen und Kinder, alte und junge Leute ermordet und in die Todeskammern geschickt wurden?" - gehe Hand in Hand mit der Rückfrage an den Menschen selbst. Wie Scheuer im Rahmen einer Gedenkveranstaltung in Innsbruck sagte, stehe man heute in großer Betroffenheit vor der Frage, "was war in der Geschichte unseres Landes, in den Köpfen und Herzen der Menschen unseres Landes, dass solche Ausgeburten des Bösen geschehen konnten?" Und weiter: "Wo war der Mensch - und wo die Menschlichkeit -, als unseren Brüdern und Schwestern so Furchtbares zugefügt wurde?"
"Adam, wo bist du?"
Der Innsbrucker Bischof zitierte den jüdischen Religionsphilosophen Abraham J. Heschel, der Gottes "Adam, wo bist du?" und die zahlreichen Varianten davon als die Urfrage von Religion bezeichnete. Dieser Ruf ergehe immer wieder an den Menschen, etwa, wenn Gott den Kain fragt: "Wo ist dein Bruder Abel?" Dessen Antwort "Bin ich denn der Hüter meines Bruders?" hält Scheuer entgegen: "Die Botschaft der jüdischen und der christlichen Bibel mutet uns zu, dass wir einander aufgetragen sind, füreinander sorgen, Verantwortung tragen ... Die Bibel traut uns zu, dass wir Freunde und Anwälte des Lebens sind, dass wir Lebensräume schaffen, in denen in die Enge getriebene Menschen Ja zum Leben sagen können."
Wachsamkeit gegenüber Ausgrenzung
Bischof Scheuer zitierte in seiner Wortmeldung zur Pogromnacht auch die diesbezügliche jüngste Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich. Darin wird die gemeinsame Trauer der Kirchen mit den jüdischen Gemeinden unterstrichen sowie das gemeinsame Bekenntnis zum Gott Israels. Zudem bekunden die Kirchen Wachsamkeit "gegenüber jeglicher Form von Politik, die auf Abwertung und Ausgrenzung von Minderheiten setzt. Insbesondere sind wir hellhörig im Hinblick auf jede Form des Antisemitismus und werden ihr entschieden entgegen treten."
Die ganze Predigt finden sie hier.
Quelle: kathpress.at
