Wir brauchen heute den Aufbruchsgeist der Sterndeuter

Bischof Glettler: Wie die drei Weisen aus dem Orient Gott suchen und aufeinander zugehen in Zeiten unseliger Debatten und Zerwürfnisse.

"Wir brauchen den heiligen Aufbruchsgeist der Sterndeuter, um Gott und einander mit neuer Leidenschaft zu suchen!" Das sagte Bischof Hermann Glettler beim Ökumenischen Gebetsabend am Samstag im Pfarrzentrum Innsbruck-St. Pirmin. Er bezog sich in seiner Predigt auf das Motto der Gebetswoche für die Einheit der Christen (18. bis 25. Jänner): "Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten" (Mt2,2). Auch heutige Christen müssten sich wie die drei Weisen aus dem Osten auf den Weg machen, "aller Selbstgenügsamkeit und kollektiven Müdigkeit zum Trotz", und sich in Zeiten "unseliger Debatten und Zerwürfnisse" für Respekt und Versöhnung einsetzen.

Konkret warb der Innsbrucker Bischof für die demnächst vorgestellte Initiative "Red ma doch!": Zwei Personen, die in wesentlichen Bereichen anderer Meinung sind, treten dabei eine Stunde lang in Dialog - ohne Vorwurf, mit größtmöglicher Wertschätzung, wie Glettler erläuterte. In den vergangenen Monaten seien viele einander fremd geworden. Es gelte "den mühsamen Weg zu- und miteinander wieder neu zu wählen".

Unter den Teilnehmenden am Ökumenischen Gebetsabend seien Christen, die ihre Heimat im Osten - in Syrien, im Libanon, im Iran - verlassen mussten, wies Glettler hin. Ihre Häuser seien zerbombt, sie selbst aufgrund ihrer politischen Überzeugungen oder ethnischen Zugehörigkeiten verfolgt worden. "Unter uns sind also Suchende nach einer neuen Heimat, nach Gott und Menschen, die sich nicht in ihrer Sattheit verbarrikadieren", sagte der Bischof.

 

Vorbild "Jesus-People" in Aleppo 

Glettler berichtete von einem Besuch mit einer kleinen Caritas-Delegation im März 2018 in Aleppo. Dort habe er Father Sami SJ kennengelernt, der während der schrecklichen Jahre der Bombardierung der nordsyrischen Metropole mit einem Team von muslimischen und christlichen jungen Leuten täglich 8.000 Menüs kochte und an Hungernde verteilte. Das Engagement dieser als "Jesus-People" bezeichneten Gruppe sei "ein Leuchtturm ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit" und "ein Aufbruch aus der Angst und exklusiven Besorgtheit um das eigene Befinden", lobte Glettler.

Hierzulande herrsche nicht diese extreme Situation, "aber dennoch sind wir als Jesus-People gefragt". Glettlers Aufruf: "Wir müssen Jesus, unseren König, suchen, der uns in den verzagten, verhärmten und frustrierten Menschen unserer Zeit um Zuwendung bittet." Was Christsein ausmache, sei nichts anderes, als "Gott im nervösen Getriebe unserer Zeit mit neuer Leidenschaft zu suchen, ihn in den vielen bunten Gesichtern und menschlichen Geschichten sowie im Verlust vertrauter Sicherheiten wahrzunehmen".

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Ökumenischer Gebetsabend im Pfarrzentrum Innsbruck-St. Pirmin. Foto: Obholzer