Vatikan-Papier stellt mehr Teilhabe in der Kirche in Aussicht

Am Dienstag hat der Vatikan das Arbeitspapier für die Bischofssynode veröffentlich, die vom 4. bis 29. Oktober in Rom stattfinden wird. Die österreichischen Bischöfe begrüßen das Papier als "überraschend und überzeugend".

In der katholischen Kirche könnten bald mehr Menschen mitbestimmen als bisher. Das am Dienstag im Vatikan veröffentlichte Arbeitspapier für die vom 4. bis 29. Oktober in Rom stattfindende Bischofssynode im Rahmen der seit 2021 laufenden Weltsynode der Kirche stellt zahlreiche Teilhabemöglichkeiten auch für ungeweihte Gläubige zur Diskussion.
Das gilt insbesondere für Frauen. Neben dem Zugang zum Amt einer Diakonin geht das Papier thematisch auf eine mögliche stärkere Beteiligung von Frauen in Leitung und Mitverantwortung der Kirche ein. Erwogen wird zudem eine bessere Einbindung von Kirchenmitgliedern etwa durch neue Ämter auf lokaler Ebene. Über Ausnahmen bei der Ehelosigkeit von Priestern in bestimmten Fällen soll dem Papier zufolge ebenfalls diskutiert werden. 

Die Aufnahme und Mitwirkung möglichst vieler Mitglieder steht in dem sogenannten "Instrumentum laboris" im Mittelpunkt. Willkommen sein sollen auch wiederverheiratete Geschiedene, queere Menschen sowie solche, die in Vielehen leben. Gleiches gilt für Gläubige, die sich aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder Behinderung weniger wichtig oder erwünscht fühlen. Mit einer erneuerten Sprache - in Liturgie, Predigt, Kunst und Kommunikation in allen Medien - soll die Kirche zugänglicher und attraktiver werden.
Statt Macht und Kontrolle soll bei Amtsträgern eine Haltung des Dienens gefördert, eine Atmosphäre der Transparenz, Ermutigung, Inklusion und Zusammenarbeit geschaffen werden. Das gilt ebenso für Bischöfe. Für sie dürfte die vorgeschlagene Dezentralisierung der Kirche von besonderer Bedeutung sein - mehr Verantwortung in regionaler und nationaler Kirche, weniger beim Papst. Dieser synodale Prozess soll das Verständnis von Autorität verändern - bis hin zu einer möglichen kirchenrechtlichen Anpassung. Im von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten Synodalen Prozess berät die katholische Kirche seit bald zwei Jahren über neue Wege der Mitbestimmung und ihre Umgestaltung zu einer "synodal verfassten Kirche". Im Arbeitspapier sind nun auf 71 Seiten viele Impulse von Gläubigen weltweit enthalten. 

Vorbereitet wurde das Papier in verschiedenen Phasen auf unterschiedlichen Ebenen zunächst in den Diözesen und Ortskirchen sowie in kontinentalen Beratungen. Themen wie Missbrauch durch kirchliche Amtsträger sowie Armut, Klimawandel, Migration sollen bei einem Treffen im Oktober im Vatikan vertieft und für eine weitere Diskussion vorbereitet werden.
Das finale Arbeitspapier legt zunächst in zwei Abschnitten Eigenschaften und Unterscheidungsmerkmale einer synodalen Kirche dar und entfaltet drei prioritären Fragestellungen, die sich in der weltweiten synodalen Phase auf allen Kontinenten am stärksten herauskristallisiert haben und der Vollversammlung der Bischofssynode "zur Unterscheidung vorgelegt" werden sollen. 

Bischöfe begrüßen das Papier

Die österreichischen Bischöfe begrüßen ausdrücklich das Arbeitspapier zur Synodenversammlung im Herbst. Es zeichne sich durch eine "große Treue zu dem aus, was in den letzten beiden Jahren bei den Anhörungen auf Ebene der Pfarren, Gemeinden und Gemeinschaften, der Diözesen und Bischofskonferenzen und zuletzt bei kontinentalen Versammlungen ins Wort gebracht wurde" und bilde damit das "inspirierende Arbeitsprogramm" für die Synode im Oktober. Das teilte die Bischofskonferenz zum Abschluss ihrer Sommervollversammlung in Mariazell am Mittwoch in einer Presseerklärung mit.

Besonders hoben die Bischöfe dabei hervor, dass das Instrumentum laboris die Vielfalt der Themen und Anliegen sowie die Kontroversen, die in den vergangenen zwei Jahren formuliert und diskutiert wurden, "weder verschweigt noch glättet", sondern in Form von Leitfragen abbildet. Diese betreffen Armut, Klimawandel, Migration, Frieden und Versöhnung, aber auch Fragen der Teilhabe von Laien in der Kirche und den Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen. Ein Novum stelle dabei die in den Leitfragen zur Synode angeregte "Diskussion um einen möglichen Zugang zum Amt einer Diakonin" dar, heißt es. Auch Fragen zur stärkeren Beteiligung von Frauen in Leitungsfunktionen und die Teilhabe ungeweihter Personen sowie die Frage nach neuen Ämtern oder dem Pflichtzölibat für Priester werde aufgeworfen.

Diese gewählte Methode des Arbeitspapiers "überrascht und überzeugt zugleich", halten die Bischöfe fest. "So werden Spannungen benannt, aber in Form von Wie-Fragen zum Gegenstand einer weiteren Klärung". Der Umgang mit Spannungen stelle dabei kein Problem dar, dass es zu lösen gilt, sondern eine Gabe, "die es zu kultivieren gilt", zitierten die Bischöfe abschließend aus dem Papier. "Diese Generalperspektive nährt die realistische Hoffnung, dass die Weltsynode viele gute Früchte bringen wird." Aus Österreich werden der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, sowie Kardinal Christoph Schönborn als Mitglied des Synodenrates an der Synode teilnehmen, bestätigte die Bischofskonferenz.

Theologinnen: Bemühen um Konsens wird deutlich

Das Arbeitspapier zeigt deutlich das Bemühen um einen weltkirchlichen Konsens in wesentlichen Zukunftsfragen für die katholische Kirche. Das haben unisono die Theologinnen Regina Polak, Petra Steinmair-Pösel und Elisabeth Rathgeb betont. Sie äußerten sich im Kathpress-Interview am Rande der Beratungen der Bischofskonferenz in Mariazell zu "instrumentum laboris". Polak und Rathgeb gehören dem nationalen Synodenteam an, Steinmair-Pösel war Mitglied des Redaktionsteams zur Erstellung des österreichischen Synoden-Synthesepapiers. Polak und Steinmair-Pösel gehörten zudem zu den Österreich-Delegierten bei der Kontinentalversammlung in Prag.
Petra Steinmair-Pösel, Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) in Innsbruck, sieht in dem Arbeitspapier die konsequente Fortsetzung des bisherigen Synodalen Prozesses. Sie sprach gegenüber Kathpress von einer "Synchronisierung unterschiedlicher Positionen". Die unterschiedlichen Positionen seien sowohl auf der europäischen Kontinentalsynode im Februar in Prag als auch auf Weltebene deutlich geworden. Jeder Teil der Weltkirche habe andere Priorisierungen, jetzt gelte es in Rom nochmals abzuwägen, welche Themen für die Kirche im 21. Jahrhundert essenziell seien. So komme es wohl nicht von ungefähr, dass im Arbeitspapier die Punkte Armut, Umwelt oder Migration anderen Themen gegenüber vor gereiht seien. Freilich sei auch das Frauenthema weltweit wichtig, aber vielerorts wohl nicht so zentral wie in Westeuropa. Steinmair-Pösel räumte ein, dass sie zugleich die Ungeduld in der Kirche in vielen Ländern Europas verstehen könne. Sie würde es deshalb auch begrüßen, wenn die Synode "pastorale Probier- oder Experimentierräume" eröffnen würde. So könnten die Teilkirchen in einem gewissen Rahmen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sein, ohne dass dies gleich als Widerspruch gesehen wird. Auch beim Frauenthema könnte sich die Theologin dies vorstellen.
Unterschiedliche Gewichtungen auf Weltebene
Für die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak entzieht sich das "instrumentum laboris" der sonst üblichen synodalen Logik und Arbeitsweise von vorgegebenen Thesen, an denen es sich abzuarbeiten gilt. Die Themen der sieben Kontinentalsynoden sind in Fragen umgewandelt worden. Dies solle zum nochmaligen Nachdenken anregen und die synodale Kultur in der Kirche stärken, so Polak. - Nach Meinung der Theologin ein durchaus innovativer oder gar historischer Ansatz, allerdings auch ein gefährlicher. Denn der Text werde wohl auch Kritik ernten. Schon jetzt werde von mancher Seite bemängelt, dass er zu wenig theologisch fundiert sei oder es endlich Entscheidungen brauche und nicht Fragen. Alle Themen, die auf Europa-Ebene angesprochen wurden, würden sich jedenfalls in dem Arbeitspapier wiederfinden, so der Befund Polaks. Überdies aber auch andere Aspekte, etwa Überlegungen über die künftige Ausgestaltung des Papstamtes, die weder in Österreich noch auf Europa-Ebene laut Prof. Polak Thema waren. Dass Themen wie Armut oder Migration vor den westlichen "heißen Eisen" wie dem Diakonat für Frauen oder dem Pflichtzölibat stehen, zeige wohl unterschiedliche Gewichtungen auf Weltebene.
Die Pastoraltheologin räumte weiters ein, dass sie in heimischen Breitengraden auch Frustration über den Text verstehen könne. Viele "heiße Eisen" seien hierzulande seit Jahrzehnten diskutiert worden. Das habe freilich auch mit der privilegierten Situation der Kirche in Westeuropa zu tun; einer wohlhabenden Kirche in freien Ländern. Hier habe man auch theologische Fortschritte erzielen können, die in anderen Ländern nicht möglich waren. Und dies müsse man nun auch in die Weltkirche einbringen, so Polak: "Das mahnt mich persönlich auch dazu, mich noch in Geduld zu üben." Freilich: Entscheidungen müssten kommen, spätestens bei der Synode 2024. Eindringlich warnte Polak davor, in Österreich nun bequem im Sofa Platz zu nehmen und nach Rom zu blicken. Auch in Österreich müsse der synodale Prozess weitergehen und auf allen Ebenen in der Kirche implementiert werden. Sie habe bei den Beratungen der Bischöfe in Mariazell den starken Eindruck gewonnen, dass die Bischöfe dies auch sehr ernst nehmen. 
Stärkung der synodalen Kultur
Einen vertieften synodalen Prozess in Österreich erwartet sich auch die Tiroler Caritasdirektorin Elisabeth Rathgeb; auf allen Ebenen. Sie finde in dem Arbeitspapier viele Impulse, mit denen nicht nur in Rom, sondern auch in Österreich weitergearbeitet werden könne und solle. Rathgeb räumte ein, dass sie bei der ersten Lektüre auch enttäuscht gewesen sei, dass der Text kaum klare Ansagen zu verschiedenen Themen biete, etwa was die Frauen betrifft. Dahinter stehe wohl die Einsicht, dass der Synodale Prozess nun nochmals im gemeinsamen Nachdenken an Tiefe und Breite gewinnen sollte, um in strittigen Fragen einen größeren Konsens in der Weltkirche zu erzielen. Nachsatz: "Wahrscheinlich ist das der einzige Weg." Erfreut zeigte sich die Caritasdirektorin darüber, dass Themen wie Armut, Migration oder der Klimawandel in dem Dokument höchste Priorität haben. Ihre Sorge, dass karitative Themen zu kurz kommen, sei unbegründet gewesen. Rathgeb: "Das wichtigste Anliegen, das der Papst mit diesem Arbeitspapier verfolgt, ist die Stärkung der synodalen Kultur in der Kirche." Diese synodale Kultur sei zudem auch eine erfreuliche kirchliche Gegentendenz zu so manchen politischen Entwicklungen in Richtung Populismus und autoritären Systemen. 

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