Ostern: Eine Frage des Kalenders

Der Streit um den "richtigen" Ostertermin ist so alt wie das Christentum selbst: Schon im Urchristentum wurde über diese Frage mitunter heftig gestritten.

Und es war auch nicht so wie heute, dass alle Christen das Osterfest an einem Sonntag begingen. Grund zur Auseinandersetzung boten bereits die Evangelien mit ihren zwischen dem Johannesevangelium auf der einen Seite und dem Matthäus-, Markus- und Lukasevangelium auf der anderen Seite abweichenden Angaben zur Leidensgeschichte Jesu.

Historiker verweisen etwa darauf, wie lange sich in den mit Johannes verbundenen Gemeinden der Urkirche - Ephesos und das westliche Kleinasien - der Tag des Pessach-Beginns als Osterdatum gehalten hat. Gemeinden, die Ostern am Pessach-Beginn (und daher meistens nicht am Sonntag) feierten, hießen in der Urkirche "Quartodecimaner", die am Sonntagstermin orientierten "Dominicales". Die Auseinandersetzung zwischen "Dominicales" und "Quartodecimaner" ging als "Osterfeststreit" in die Kirchengeschichte ein. Papst Viktor I. wollte um 200 eine einheitliche Datierung für die gesamte Kirche durchsetzen. Er ordnete deshalb an, dass in den einzelnen Provinzen Synoden durchgeführt werden. Auf ihnen sprach sich die Mehrheit für die Praxis der "Dominicales" aus.

Entschiedener Widerstand kam aber aus dem Kerngebiet der "Quartodecimaner" in Kleinasien. Für deren Gemeinden machte sich Bischof Polykrates von Ephesos zum Sprecher. Der Papst verlangte jedoch von den Kleinasiaten, sich der Mehrheitsentscheidung zu beugen. Er drohte ihnen den Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft an. Allerdings erntete Viktor I. dafür scharfe Kritik - auch von dem hoch geachteten Kirchenvater Irenäus von Lyon. Dessen Appell zur Toleranz hatte Erfolg und bewirkte, dass die "quartodecimanische" Minderheit noch das ganze 3. Jahrhundert hindurch ihrem Brauch treu bleiben durfte.

Erst bei der Synode von Arles (314) wurde erneut der Termin "erster Sonntag nach Pessach-Beginn" eingeschärft. Das Konzil von Nicäa (325) schloss die "Quartodecimaner" schließlich aus der kirchlichen Gemeinschaft aus. Von da an ging ihre Zahl ständig zurück.

Die "Ostertafel" des Dionysius Exiguus
Doch damit war der Streit um den richtigen Ostertermin noch nicht beendet. Denn wenn man sich auch auf den Sonntag geeinigt hatte, war man sich über den "echten" Frühlingsvollmond nicht einig. Kritisch war ein "Sonntagsvollmond" an einem 21. März - wie etwa im Jahr 387. War das jetzt noch ein Wintervollmond oder bereits Frühling? Aus den Schriften des Kirchenvaters Ambrosius ist zu erfahren, dass sich die Kirche darüber nicht einigen konnte: In Rom feierte man Ostern im Jahr 387 am 21. März, in Alexandrien aber erst am 25. April. Es dauerte weitere 140 Jahre, bis sich Römer und Alexandriner über einen gemeinsamen Ostertermin einigen konnten. 525 bat Papst Johannes I. den Mönch Dionysius Exiguus in der Sache um Rat. Dieser errechnete eine "Ostertafel" für einen Zyklus von 532 Jahren. Mit der Akzeptanz dieser "Ostertafel" im Westen wie im Osten war der eigentliche Osterfeststreit beendet. 

1.000 Jahre lang - bis zur Kalenderreform von Papst Gregor XIII. im Jahre 1582 - gab es jetzt ein gemeinsames Osterdatum für die gesamte Christenheit. Weil die Ostkirche aber die Kalenderreform des Papstes nicht mitmachen wollte und am alten Julianischen Kalender festhielt und festhält, feiert sie ihr Osterfest seither nur von Zeit zu Zeit zeitgleich mit katholischen und evangelischen "Westchristen".

Vorstöße in der Neuzeit
In der Neuzeit gab es mehrere Vorstöße, den Ostertag auf einen bestimmten Sonntag festzulegen. 1897 wandten sich Repräsentanten der astronomischen Wissenschaft diesbezüglich an den Papst, 1931 auch der Völkerbund.
1997 fand dazu eine Konferenz auf Initiative des Weltkirchenrats in Aleppo statt, bei der auch der Vatikan vertreten war. Ein fester Ostertermin, wie ihn etwa die Tourismusbranche und die Geschäftswelt wünscht, wurde verworfen. Stattdessen wurde die hohe symbolische Bedeutung des Osterdatums betont. Mit dem Festtermin, der sich astronomisch aus dem Stand von Sonne und Mond errechnet, werde nicht zuletzt die kosmische Dimension der Auferstehung Christi dargestellt, hieß es im Kommunique von Aleppo.
Der Weltkirchenrats-Entwurf sieht deshalb vor, den Ostertermin weiterhin auf den Sonntag zu legen, der dem ersten Frühlingsvollmond folgt. Die astronomischen Daten, das heißt die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche, sollen dabei nach "genauest möglichen wissenschaftlichen Methoden" und computergestützt bestimmt werden. Als Grundlage der Berechnungen soll nicht der Null-Meridian von Greenwich, sondern der Längengrad von Jerusalem, dem Ort von Jesu Tod und Auferstehung, benutzt werden. 

Kritik am "päpstlich-kommunistischen Kalender"
Die größten Schwierigkeiten in der Ostertermin-Diskussion kommen zur Zeit aus der russischen Orthodoxie und vom Berg Athos. In der emotionalen Beurteilung mancher Orthodoxer bleibt der Gregorianische Kalender eben der Kalender eines Papstes, was mitunter als Zumutung empfunden wird. Dazu kommt der Umstand, dass in Russland der Gregorianische Kalender durch die Kommunistische Partei eingeführt wurde. Damit gilt er nicht nur als päpstlicher, sondern auch als kommunistischer Kalender. Allerdings gibt es auch orthodoxe Stimmen, die darauf hinweisen, dass der Gregorianische Kalender zumindest von einem Christen eingeführt wurde. Der Julianische hingegen stamme unzweifelhaft von einem Heiden - Julius Cäsar.
Eine Reform der Berechnung des Ostertermins auf orthodoxer Seite ist derzeit kaum zu erwarten. Da die Aleppo-Berechnungsart wesentlich stärker dem westlichen als dem östlichen Kalender ähnelt, könnte dies als weiteres Zugeständnis an den Westen verstanden werden und zu Abspaltungen führen, meinen Beobachter. 

Inzwischen ist allerdings auch eine ganz praktische Weiterentwicklung bemerkbar: In einigen Ländern haben sich die Minderheitskirchen dem Ostertermin der Mehrheitskirchen angeschlossen. So hält sich beispielsweise die katholische Kirche in Griechenland an den orthodoxen Ostertermin, während die orthodoxe Kirche in Finnland gemeinsam mit den Protestanten (und wenigen Katholiken) feiert. In vielen Ländern des Nahen Ostens wiederum orientierten sich die Katholiken am orthodoxen Osterdatum, damit alle Christen vor den Muslimen gemeinsam Zeugnis für den Glauben an Leiden, Tod und Auferstehung Jesu geben können. (KAP)