Kirchenhistoriker: Von Canisius Demut und Hierarchieskepsis lernen

Wiener Kirchenhistoriker Prügl in Theologie-Podcast zu 500 Jahre Petrus Canisius: Bibelfrömmigkeit, Bildungsbegeisterung und Hierarchieskepsis machen Canisius bis heute aktuell

Petrus Canisius (1521-1597) kann heute in überraschender Weise sogar ökumenisch gelesen werden: Als Mann, den Bibelfrömmigkeit, Demut, Bildungsbegeisterung und eine gewisse Hierarchieskepsis prägten. Das hat der Wiener Kirchenhistoriker Prof. Thomas Prügl in einem aktuellen Beitrag des Theologie-Podcasts "Diesseits von Eden" aus Anlass des 500-Jahr-Gedenkens an Petrus Canisius unterstrichen. "Die Art und Weise, wie er selbst das Bischofsamt abgelehnt hat, weil er gesagt hat, es gibt Wichtigeres zu tun, als zu herrschen, zeugt von einer gewissen Demut, die einer Pastoral immer gut ansteht."

 

Canisius habe zudem als Mann des Wortes eine tiefe Bibelfrömmigkeit ausgezeichnet - "das wird gern übersehen" - und dies ganz im Geiste der damals noch jungen Ordensgemeinschaft der Jesuiten, der er sich angeschlossen hatte. "Es ist eine Bibelfrömmigkeit, die ihren Reiz bis in die heutige Zeit hat."

Video-Podcast

Darüber hinaus schilderte Prügl in dem Podcast gemeinsam mit der Wiener evangelischen Kirchenhistorikerin Astrid Schweighofer das historische Gesamtsetting, in dem Canisius in seinen wenigen, dichten Wiener Jahren ab 1552 wirkte: "Der Protestantismus hat einen enormen Zulauf in Wien gefunden. Wir dürfen davon ausgehen, dass große Teile der Wiener Bürgerschaft protestantisch geworden sind. Die Kirche liegt am Boden, sowohl personell als auch institutionell und auch wirtschaftlich. Die Universität liegt am Boden und allen voran hier auch die Theologie." Nur mehr zwei Professoren lehrten demnach zu Canisius' Zeit an der Fakultät und über einen Zeitraum von 20 Jahren habe es keine einzige Priesterweihe in Wien gegeben. "Das sind Zahlen, die ausdrücken, dass man hier kirchlich vor einem Scherbenhaufen stand."

In dieser Situation habe sich Canisius als strategisch kluger Kopf erwiesen, der alle Register zu ziehen vermochte: Er war begehrter und erfolgreicher Prediger, ein gebildeter Theologe, er sah früh die Notwendigkeit aktiver Bildungsarbeit und er kannte die Fallstricke kirchlicher Hierarchie gut genug, um das Angebot, Bischof von Wien zu werden, abzulehnen. Canisius wollte vielmehr "Graswurzelarbeit" leisten und die katholische Seelsorge angesichts von etwa 80 Prozent Evangelischen in Wien neu aufbauen.

Dass dies dringend notwendig war, erläutert in dem Podcast auch Kirchenhistorikerin Schweighofer: "Antiklerikalismus und Pfaffenhass waren weit verbreitet und die kirchlichen Missstände - dazu gehörte die kritisierte Lebensweise und Pfründenanhäufung der Priester, deren ungenügende Ausbildung, besonders aber der Ablass, der das Heil der Menschen an die Bezahlung von Geldbeträgen band - wurden offen diskutiert und kritisiert."

Eine Art theologisch-kirchliches Profil von Petrus Canisius zeichnete in dem Podcast der Theologischen Fakultäten Österreichs und Südtirols schließlich der Innsbrucker Kirchenhistoriker Mathias Moosbrugger, der zuletzt auch ein neues Buch über Canisius vorgelegt hat. Zum einen sei Canisius "kompromisslos katholisch" gewesen, zugleich jedoch auch von einer überraschenden "Weltfreudigkeit" gekennzeichnet, führte Moosbrugger aus. Als Jesuit habe er nämlich - bei aller Überzeugung von der ausschließlichen Wahrheit des Katholizismus - das jesuitische Motto "Die Welt ist unser Zuhause" gelebt; das bedeutet, er habe eben nicht angesichts einer aus den Fugen geratenen Welt der Reformation die "Weltflucht" angetreten, sondern sich - darin Karl Rahner nicht unähnlich - um so mehr auf die Welt eingelassen.

Mathias Moosbrugger: "Er hat theologisch gesagt, darauf vertraut, dass Gott auch bei denen heil wirken kann, deren Wege nicht dem katholischen Goldstandard entsprachen, den er an sich selbst anlegte und für den er unermüdlich arbeitete. Er hat im Vertrauen auf Gott, im konkreten Umgang mit ganz konkreten Menschen eine imposante theologische und pastorale Inkonsequenz gelebt."

Der Podcast "Umstrittener Wanderer zwischen den Welten: 500 Jahre Petrus Canisius" kann unter https://diesseits.theopodcast.at/500-jahre-petrus-canisius nachgehört werden. Zudem ist das Interview mit Thomas Prügl in seiner Langfassung als Video über den YouTube-Kanal der Erzdiözese Wien abrufbar (https://www.youtube.com/watch?v=qrokOWdjTds).
Eine Meldung von www.kathpress.at