Glettler für mehr Dialog mit Kirchenfernen und Muslimen

Ein Überblick über Aussagen von Hermann Glettler in den Antrittsinterviews mit den österreichischen Medien, zusammengefasst von der Katholischen Nachrichtenagentur KATHPRESS.

Dass der neue Innsbrucker Bischof Hermann Glettler ein Mann des Gesprächs ist, hat er noch am Tag seiner Ernennung durch den Papst in zahlreichen Interviews für verschiedene Medien deutlich gemacht. Die Kirche müsse sich mit viel "Feingefühl" und ohne jede Abwertung um Kontakt mit jenen bemühen, die keine oder eine andere Religion haben, sagte er am Mittwochabend der Nachrichtenagentur "Kathpress". Er wolle als Bischof auch auf jene eingehen, die mit Kirche wenig zu tun haben, und setze dabei vor allem auf Dialog und Begegnung.
Jene, die in der Kirche ihren Dienst tun, wolle er ermutigen, "dass sie diese Arbeit mit Freude tun", sagte Glettler, denn: "Freude ist das Faszinierndste. Freude steckt auch andere an." Das sei auch eine der Grundbotschaften von Papst Franziskus. Glettler: "Wir müssen und einmischen in das alltägliche Leben der Menschen, wir müssen sie einladen und das Gespräch suchen. Wir müssen unseren Glauben authentisch leben und dann kommen bei den anderen oft von selbst die Fragen nach dem, was im Leben trägt."
Auf die sinkenden Zahl der Katholiken bzw. der Messbesucher angesprochen, meinte der Bischof, dass man sich von den Zahlen auch nicht "terrorisieren" lassen dürfe. Freilich müsse man einräumen, dass die traditionelle Volkskirche oftmals nur mehr eine "Fassade" sei. Das Evangelium zu leben, bedeute für jeden, sich "aus der Komfortzone" zu bewegen, sagte er gegenüber der "Presse". Ort der Kirche seien auch die "Umschlagplätze der heutigen Menschen", insbesondere der Jugend.  "Nur zu erwarten, dass irgendwer zu uns kommt, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Ungenierter, aufmerksamer in eine moderne Gesellschaft hinein zu reden, das wäre es."
Er habe für seine neue Aufgabe noch kein Programm, zumal er ja "herausgeschreckt" worden sei, sagte Glettler am Mittwochabend in der ORF-Sendung "Tirol heute". Er setze jedoch auf "organische Entwicklung" und Hinhören, welche die Prioritäten in der Diözese seien. Er wolle deshalb sein Wappen und den Bischofsspruch gemeinsam mit seinen Mitarbeitern suchen. Wichtigstes Anliegen sei für ihn, "das Volk Gottes aufzuwecken" und "das Evangelium in seiner ganzen Frische zu lesen, zu hören und zu leben". Dabei solle man nicht an den Grenzen der Kirche stehenbleiben, sondern "mit Freundschaft, gutem Beispiel und Sorge füreinander" darüber hinausgehen. 
Dem Islam "Ball flach halten"
Dialog sei auch das nötige Grundprinzip gegenüber dem Islam, betonte Glettler im Gespräch mit "Kathpress". Zuallererst gehe es um einen Dialog im Alltag, "in der Siedlung, im Kindergarten oder im Krankenhaus". Dabei sollte man im alltäglichen Zusammenleben bei religiösen Themen "den Ball flach halten", nicht große theologische Fragen wälzen, sondern sich als Menschen unterschiedlicher Prägung bemühen, miteinander umzugehen. Es gehe ihm um "menschliche Verbundenheit und Entgegenkommen", zugleich müssten die theologischen Differenzen im interreligiösen Dialog freilich klar benannt werden. "Wir müssen mutig und selbstbewusst ein christliches Zeugnis geben."
Eine nötige Differenzierung sah Glettler auch bei den sehr unterschiedlichen Ausprägungen des Islams: "Den politischen Islam, der vor Gewalt nicht zurückschreckt, den will ich nicht." Der Bischof nahm hier auch die Muslime selbst in die Pflicht, eine innerislamische Klärung herbeizuführen. Das betreffe etwa auch das hohe Gut der freien Wahl der eigenen Religion und der Religionsfreiheit. Viele Muslime, die sich für das Christentum interessieren, hätten deswegen schon in ihren Herkunftsländern Probleme gehabt oder seien auch aus diesem Grund geflohen. Hier gelte es, diese Menschen klug zu begleiten, zu unterscheiden und dann eventuell zu taufen.
Von der "Presse" auf das Flüchtlingsthema angesprochen, vertrat der neue Bischof die Ansicht, Österreich habe die Grenzen der Aufnahme noch nicht erreicht und sei "noch aufnahmefähiger". In der Frage müsse man jedoch mit "gutem menschlichem Augenmaß" vorgehen und auch die Sorgen wahrnehmen. Nicht zielführend sei es dabei, Ängste medial breitzutreten und somit zu verstärken. "Wichtiger wäre, wenn man Beispiele aufzeigt, wo Integration gelungen ist. Wir müssen lernen, als eine vielfältige, auch kulturell bunte Gesellschaft zu leben."
Papst Franziskus bezeichnete Glettler gegenüber "Kathpress" als "kritisches Gewissen der Weltöffentlichkeit". "Er sprudelt wie eine Quelle, seine Nähe zu den Armen bricht stets hervor. Sein Wort hat immer eine Frische, weil es keine Theorie ist. Er spricht in die Herzen der Menschen hinein." Der Papst sei eine "unglaublich einende Figur". Er hoffe sehr, so Glettler, dass sowohl er persönlich wie auch die Diözese Innsbruck noch viel vom Papst lernen könnten.
Für Frauendiakonat, Viri probati und Zölibat
Positiv äußerte sich der designierte Innsbrucker Oberhirte über die etwaige Zulassung von Frauen zum Diakonat, deren Möglichkeit Papst Franziskus derzeit durch eine Kommission prüfen lässt. Es würde ihm viel Freude bereiten, wenn das "relativ bald in die Zielgerade kommt und positiv entschieden wird", sagte er der Austria Presseagentur (APA).  Dass Frauen in der katholischen Kirche irgendwann einmal Priester werden dürfen, sei "so utopisch nicht". Aber es brauche zunächst einmal "Schritte" wie eben das Diakonat für Frauen. 
Weiterdenken sollte man jedoch auch die "vielen Signale des Papstes" hinsichtlich einer Möglichkeit, sogenannte "Viri probati" - verheiratete Männer, die wegen eines vorbildlichen Lebens zu Diakonen geweiht werden können - die Aufgaben von Priestern anzuvertrauen. Um Pfarren und auch die Priester zu entlasten, sollten Laien vor Ort stärker in "Leitungsverantwortung" eingebunden werden, so Glettler. "Dass die Leitung der Pfarren so eng an die Priester gebunden wird - ich glaube da braucht es strukturelle Neuüberlegungen und konkrete Maßnahmen zur Entlastung."
Der Zölibat habe für ihn "sehr wohl eine Bedeutung", betonte der künftige Innsbrucker Bischof. Auch wenn er ein Wegkommen davon langristig nicht ausschließe, hätte er bei sofortiger Aufgabe dennoch die "Sorge, dass auch bei uns etwas wegbricht", sagte Glettler, und weiter: "Der Zölibat ist von außen betrachtet ein idiotischer Verzicht. Aber von innen betrachtet ist es eine Verrücktheit um des Evangeliums willen - wenn es aus einer geistlichen Quelle heraus gelebt wird." Er selber wolle dazu beitragen, dass der Zölibat für viele junge Menschen wieder "eine faszinierende Lebensform" werde.
Hinsichtlich der Diskussion um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen erklärte Glettler der "Tiroler Tageszeitung", die Diskussion dürfe nicht nur auf die Kommunion zugespitzt werden. Wichtig sei mehr Augenmerk auf Begleitung, welche auch Papst Franziskus in "Amoris laetitia" gefordert habe. Denkbar sei für ihn jedoch eine Freistellung, ob man "aus Solidarität gegenüber allen anderen, deren Lebenstraum ebenfalls zerbrochen ist", bewusst auf die Kommunion verzichte oder nach einer Zeit der Klärung erneut das Sakrament empfange.
Änderung bei Bischofsbestellungen
Für "dringend notwendig" erachte er Änderungen beim Modus der Bischofsbestellungen, erklärte Glettler gegenüber der "Presse" mit Hinblick auf das fast zweijährige Warten der Diözese Innsbruck auf einen neuen Bischof. Dass jeder Bischof die Aufgabe der Benennung von drei Nachfolgern habe, werde oft "über den Haufen geworfen", zudem seien die "intransparenten Interventionen" mühsam und für die Betroffenen verletzend. Letztlich könne man jedoch "immer vermuten, dass in diesem menschlichen Entscheiden immer der Heilige Geist wirkt", so Glettler, Nachsatz: "Aber beim Arbeiten darfst ihm nicht zuschauen, sonst wirst ganz schwummelig."