Geld und Gerechtigkeit – geht das zusammen?

Themen der Ethik und Nachhaltigkeit mit der Finanzwelt in Verbindung zu bringen, ist das Anliegen des Forums „Werte leben", zu dem die Diözese Innsbruck seit einigen Jahren einlädt. Am 7. November stand das Thema „Geld und Gerechtigkeit" auf dem Programm.

„Geld" und „Gerechtigkeit“ sind komplexe Begriffe mit einer umfangreichen Theoriegeschichte, die ganze Bibliotheken füllt. Sie zusammenzubringen, ließ die Köpfe von Podium und Publikum rauchen und warf herausfordernde Fragen auf, die dazu anregen, das eigene Handeln in vielerlei Hinsicht zu überdenken. 

Nach einleitenden Worten von Mag. Markus Köck, dem Finanzkammerdirektor der Diözese Innsbruck, diskutierten auf dem Podium: PD Dr. Silke Ötsch, Finanz- und Wirtschaftssoziologin, Mag. Georg Schärmer, Caritasdirektor der Diözese Innsbruck und Mag. Armin Schneider von der Österreichische Nationalbank. Es moderierte Dr. Klaus Gabriel, Geschäftsführer von CRIC (Corporate Responsibility Interface Center), Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage. 

Armut an sich sei gut erforscht, so die übereinstimmende Meinung auf dem Podium. Neben bekannten, teils plakativen Zahlen, wie z.B., dass ein Prozent der Weltbevölkerung über 50% des globalen Vermögens besitzt, überraschten auch andere Fakten: so entscheiden in Wien 7 Kilometer Unterschied in der Lage des Wohnorts über 10 Jahre Lebenserwartung. Reichtum dagegen sei zum überwiegenden Teil kaum erforscht, oftmals sogar tabuisiert. Genaue Zahlen fehlen, weil sie kaum zu erheben sind. Bittet man Menschen, sich selbst in eine wirtschaftliche Schicht selbst einzuordnen, so stuft sich nur ein Drittel der Befragten richtig ein. Die oberen und unteren Schichten werden dabei am häufigsten ausgelassen, Reichtum und Armut oftmals nicht richtig (selbst) eingeschätzt.  

Armin Schneider hob die Bedeutung finanzieller bzw. insgesamt auch volkswirtschaftlicher Bildung hervor. Basics zum Thema Umgang mit Geld, Sparen und Vermögensaufbau seien ebenso wie Wissen über die übergeordneten Strukturen, wie z.B. Staatsanleihen, sehr ausbaufähig. Er wies außerdem nachdrücklich darauf hin, dass nicht alles rund ums Thema Geld so genau messbar sei, wie in den Medien oft der Anschein erweckt werde – in sämtlichen Erhebungen sei immer viel Schätzung enthalten, z.B. in den Angaben über das österreichische Durchschnittsvermögen und sogar über das Bruttoinlandsprodukt. Zahlen in Relation zu setzen und richtig zu interpretieren, sei essentiell für eine gute Einschätzung der Situation. 

Konkrete Zahlen aus der Tätigkeit der Caritas in der Diözese Innsbruck legte Georg Schärmer vor. Jährliche werde zwischen 5000 und 6000 Menschen geholfen, die über ein sehr geringes disponibles Einkommen verfügten. Diese Menschen kämen gut „durch“, solange absolut nichts passiere – keine Reparaturen, kein Selbstbehalt bei Arztrechnungen etc. Auch sei es diesen Menschen nicht möglich, den Kindern durch Rücklagen Startkapital für deren Zukunft zu ermöglichen. Er wies auch auf die über 20.000 pflegenden Angehörigen in Tirol hin, vor allem Frauen, die für ihre Tätigkeit keinerlei Geld erhielten und oft von Armut gefährdet seien. Sorgen bereite Schärmer die Ausgrenzung der Armen gegen die Armen – eine alte Methode, die auch in unserer Zeit wieder vermehrt angewandt werde. Bestrebungen wie die Abschaffung der Notstandshilfe hätten das Potential, ein großes neues Prekariat zu schaffen und so die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderzutreiben. 

Soziologin Silke Ötsch brachte hierzu Überlegung zur Elitenbildungs- und Klassentheorie sowie zu Mechanismen sozialer Schließung (Max Weber) ein. Seit den 70er-Jahren sei eine Laissez-faire-Politik gegenüber den Finanzmärkten zu beobachten, die ihr Primat in Zeiten der Finanzmarktliberalisierung immer weiter ausbauen konnten. Eliten grenzten sich ab durch globale Standards und Curricula und nähmen immer mehr Positionen in Wirtschaft, in der Politik und an Universitäten ein. Oft seien hierbei die Herkunft aus einem gehobenen bürgerlichen Milieu und der gemeinsame Habitus entscheidender als die tatsächliche Leistung. All dies sei eine starke Bremse für sozialen Wandel. Ötsch appellierte eindringlich dafür, das Primat der Märkte zu hinterfragen und der Gemeinwohl- sowie Postwachstumsökonomie und Modellen der Bürgerbeteiligung mehr Raum zu geben. 

Immer wieder stellte sich die Frage, was Wohlstand eigentlich konkret heißt. Natürlich spielen hier auch immaterielle Güter wie Gesundheit, ein soziales Netzwerk, eine sinnvolle Beschäftigung und das Erleben von Selbstwirksamkeit eine wichtige Rolle. Immer gibt es aber Rückkopplungen zu materiellen Gütern, ohne die auch etliche immaterielle Güter in Mitleidenschaft gezogen werden. 

Mag. Marlies Hofer-Perktold, Leiterin Finanzen und Controllerdienste der Diözese Innsbruck, dankte den Podiumsgästen abschließend für ihre Zeit und Expertise und lud zu einem informellen Austausch im Anschluss ein, bei dem die vielen aufgeworfenen Fragen noch vertieft werden konnten. 

Klaus Gabriel, Georg Schärmer, Silke Ötsch, Markus Köck, Marlies Hofer-Perktold, Armin Schneider (v. li.). Foto: Kaltenhauser