Felix Mitterer: Leidensgeschichte auch heute noch aktuell

Die Leidensgeschichte Jesu hat in 2.000 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt. Das sagt der Tiroler Dramatiker Felix Mitterer, der den neuen Text für die Passionsspiele Erl verfasst hat.

Die Leidensgeschichte von Jesus Christus hat in den Augen des österreichischen Dramatikers Felix Mitterer in 2.000 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt: "Das Leiden gibt es weiterhin, wie auch das Unverständnis des Kreuzes", so der Schriftsteller und Schauspieler im Interview mit "Kathpress". Der aus Tirol stammende Mitterer hat den Text der Erler Passionsspiele verfasst, die im Jahr 2013 - mit Aufführungen vom 26. Mai bis 5.
Oktober - ihr 400-Jahr-Jubiläum feiern. Trotz seiner langen Erfahrung im Schreiben für Laiendarsteller sei dieses Werk die größte Herausforderung seiner bisherigen Tätigkeit überhaupt gewesen: "Da der Stoff eine derart große Bedeutung für die Christenheit hat, ist alles anders", so der Autor.
Die Ansprüche, die er selbst stellte, waren hoch: "Sein" Jesus müsse spürbar sein "als Mensch, der Ängste und Qualen zu durchleben hatte und immer wieder von Zweifeln geplagt war, ob er der Berufene war, ob er das annehmen konnte", so Mitterer. Der Blick auf das Umfeld sei hier eine Hilfe - etwa auf Judas und dessen "sehr weltliche Erwartungen an Jesus", oder auf die Frauen um Jesus, die von bisherigen Passionsdarbietungen ungerechterweise "stark vernachlässigt" worden seien, denn: "Schließlich war es Maria Magdalena, die dem Auferstandenen als erste begegnete, und auch die Gottesmutter Maria besaß eine zentrale Rolle", betonte der 64-jährige Dramatiker.
Botschaft der Liebe
Am liebsten wolle er ein junges Publikum ansprechen und hätte sich dafür Darsteller im Alltagsgewand und ohne Bärte gewünscht, so Mitterer, denn die Passion sei mit Blick auf das Leid in der Welt zeitlos und immer aktuell, "bei uns etwa bei einer Krankheit,
anderswo zum Beispiel bei Flucht, Verfolgung oder Mord". Jesus habe sich selbst aktiv entschieden, sich als Opfer darzubringen - ein Inhalt, mit dem er persönlich hadere. Mitterer: "Dass ständig erzählt wurde, man solle Leid auf sich nehmen und würde dafür im Jenseits belohnt, war mir nie sympathisch, und wie Christus uns durch sein Opfer erlöst hat, verstehe ich bis heute noch nicht".
Für Nichtchristen müsse Ostern immer sehr eigenartig sein, gab der Autor zu bedenken, "vor allem beim Blick auf den Hingerichteten am Kruzifix". Jeder, der sich mehr mit dem Passionsereignis beschäftige, erfahre jedoch nicht das blutige Geschehen als deren Mittelpunkt, sondern die Auferstehung - "und damit die Hoffnung auf Erlösung, darauf, dass alles gut wird". Die Botschaft der Passion Jesu sei die Liebe, so Mitterer, "auch die Sorge um Hilflose und Ausgestoßene sowie der Verzicht auf Selbstsucht, Hass und Suche nach
Sündenbocken gehört dazu". Um dies darzustellen, seien auch andere Inhalte aus den Evangelien - darunter die Bergpredigt - in seinen Passionstext eingeflossen.
Ein großes Anliegen sei auch die Tilgung jener Portion Antisemitismus gewesen, die bisherige Passionsstücke "bei allen Bemühen" weiterhin beinhaltet hätten, "nach dem Muster, die bösen Juden haben unseren Jesus Christus umgebracht". Rückendeckung liefere hier die moderne biblische Geschichtsforschung: "Wir wissen heute etwa, dass die Hohepriester der Zeit Jesu von den Römern ernannt statt vom Volk gewählt wurden. Sie waren insofern auch Kollaborateure, die sich, um das Volk zu schützen, nicht zu viel mit den Römern anlegen durften".
Kein Werk so schwierig wie die Passion
Erst beim Schreiben sei ihm die enorme Herausforderung dieses Projektes bewusst geworden, so Mitterer, "dass ich nämlich das Stück vor allem für dessen Darsteller - 600 Bewohner Erls stehen auf der Bühne - schreibe. Die darf ich im Glauben nicht vor den Kopf
stoßen." Nach der ersten Textvorlage folgten deshalb wochenlange Gespräche und Abänderungen - "denn alle mussten einverstanden sein". Dennoch sei Erl "der wohl mutigste" Passionsspielort, wofür auch die diesjährige Wahl Markus Plattners als Regisseur spreche - "ein sehr ungewöhnlicher Mensch, der nach anfänglichen Zweifeln am Konzept mit flammender Begeisterung alle angesteckt hat. Alle machen mit großer Freude und Leidenschaft mit", so Mitterer.
Doch bereits die Texterstellung sei ein sehr "spannender" Prozess gewesen: Nach der Vorgabe, ein möglichst zeitgemäßes Stück zu schaffen, habe er, Mitterer, "nicht mehr aufhören wollen zu studieren", die Erler hätten ihn angesichts des nahenden
Probebeginns im Vorjahr zur Freigabe des Textes bereits drängen müssen. Für ihn persönlich habe die lange künstlerische Beschäftigung mit der Passion "den Abstand vermindert, den ich im Lauf der Jahre zu dieser großen und bedeutsamen Geschichte bekommen habe; sie hat mich zu Jesus Christus näher gebracht", so der im Waldviertel lebende Autor.
Schon oft hat Mitterer, der sich selbst als "Tiroler Heimatdichter und Volksautor" bezeichnet, in seinen Werken religiöse Themen aufgegriffen, darunter etwa die Heiligengestalten Jeanne d'Arc und Franz von Assisi, das Thema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche ("Die Beichte", 2004) oder zuletzt die Geschichte von Franz Jägerstätter, die im gleichnamigen Bühnenstück am 20. Juni in Wiener Theater in der Josefstadt uraufgeführt und dann von 3. Juli bis 9. August in Haag gespielt wird. Einem breiten Fernsehpublikum wurde Mitterer durch die Satire "Piefke-Saga" (1991) und Drehbücher für mehrere in Österreich spielende "Tatort"-Folgen bekannt.
www.passionsspiele.at 

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