Eine stabile Mitte

Mit der feierlichen Altarweihe am Samstag, den 14. April 2018 um 18.00 Uhr, gemeinsam mit Bischof Hermann Glettler, fand eine umfassende, mehrjährige Restaurierung der Pfarrkirche zum Hl. Martin in Gries im Sellrain ihren Abschluss.

Restaurierung aus Notwendigkeit heraus begonnen
Begonnen wurde bereits 2014 aus einer eher technischen Notwendigkeit heraus mit der Restaurierung des Holzschindeldaches und der Außenfassade, sowie der statischen Sanierung der Mauerwerksrisse. Nach erfolgreicher Fertigstellung der Außenrestaurierung war die anfängliche allgemeine Skepsis ob der finanziellen Herausforderung gemeinschaftlichem Mut gewichen und so wurde die ungleich größere Aufgabe in Angriff genommen. Die Restaurierung des Kirchenraumes und die zeitgemäße Gestaltung der Liturgischen Orte in der Pfarrkirche war berechtigterweise sowohl eine ästhetische als auch eine liturgische Notwendigkeit. Nach einer ungewollten, schwierigen Situation für die Pfarre konnte nach einjähriger Pause die Innenrestaurierung 2016 in die Planungsphase starten.  

 

Umgestaltung mit gut begleitetem Beteiligungsprozess 

Für diese komplexe Planungsaufgabe konnte mit Architekt Walter Klasz ein ortsansässiger und in Sachen Kirchenraumgestaltung routinierter Fachmann engagiert werden. Die Umgestaltung der Dorfkirche konnte nur mit einem gut begleiteten Beteiligungsprozess und unter Einbindung aller Gremien, Behörden und natürlich der Kirchgänger sowie im weiteren Sinne aller Dorfbewohner funktionieren und erfolgreich sein. Architekt, Gestalter, Vermittler, Moderator, Erklärer, Reibebaum – im Spannungsfeld zwischen historischem Kontext und neuem Gestalten für Menschen ergab sich eine vielfältige Präsenz für den Planer.

Die typische, barocke Kirche ist eigentlich als Richtungskirche entlang der Längsachse konzipiert, alles strebt dem Hochaltar zu und ist auf ihn ausgerichtet. So auch in der Pfarrkirche in Gries. Obwohl sich der Innenraum also im gediegenen, barocken Gewand präsentiert und auf kein Stilmittel und Ausstattungsmerkmal dieser Zeit verzichtet, ist doch die annähernd quadratische Grundrissform prägend für den Kirchenraum.

Diese besondere Form machte für den Entwurf des Altarraumes und der liturgischen Orte die Umsetzung des konziliären Konzeptes der Versammlung um die Mitte möglich, ohne einen großen Widerspruch zum historischen Raumgefüge zu bilden.

 

Bischof Hermann Glettler: „Der Altar ist Quelle, Mitte und Höhepunkt des christlichen Lebens."
„Der Kirchenraum bekommt", so Bischof Hermann Glettler in seiner Grußbotschaft an die Pfarre Gries, „mit dem neuen Altar eine stabile Mitte, wo die Feier der Eucharistie stattfinden kann – Quelle, Mitte und Höhepunkt des christlichen Lebens." 

Der massive Altarstein ist ein Findling aus Lüsens. Er beeindruckt durch seine Massivität und zugleich durch seine „organisch" gewachsene Struktur, die durch eine sensible bildhauerische Bearbeitung von Peter Kuttler deutlich zur Geltung kommt. Der Stein ist ein lebendiges Symbol für Christus. Er ist der verworfene Eckstein, der zum Grundstein für die Kirche wurde – für den neuen Bau aus lebendigen Steinen. Im Altar wurden Reliquien des Hl. Martin und des Seligen Josef Mayr-Nusser beigesetzt.

Die Konzeptentwicklung und die Gestaltung der liturgischen Orte erfolgte in einem selbstbildenden Gestaltfindungsprozess. Es handelt sich somit um das Experiment einer dialogischen Autorenschaft. Die konkrete skulpturale Umsetzung entstand in der Kooperation des Bildhauer Peter Kuttler mit Architekt Walter Klasz.

 

Restaurator Thomas Öfner: „Restaurierung erfordert großes Einfühlungsvermögen" 

Restaurator Thomas Öfner war mit der Interpretation der Raumhaut beauftragt. Er sagt über seine Arbeit: „Restaurierung erfordert stets großes Einfühlungsvermögen für das Objekt und seine Geschichte. Auch das Erstellen des Restaurierungskonzeptes für die Raumhaut der 1734 erbauten Pfarrkirche war durch einen langen Denkprozess begleitet. Bei ersten Freilegemustern wurde die Ausmalung von Josef Anton Puellacher aus dem Jahr 1788 gefunden. Da diese Malerei in Seccotechnik, dh. auf bereits trockenen Untergrund aufgemalt, ausgeführt wurde war eine Komplettfreilegung ohne großen Substanzverlust nicht möglich. Nach intensiven Besprechungen vor Ort entschloss man sich für eine partielle Freilegung an verschiedenen Stellen in der ganzen Kirche verteilt, bei der man die originale Farbgebung und Zeichnung fand. Aufbauend auf diese Erkenntnisse entschloss man sich für die Rekonstruktion dieser Ausmalung. Die Ausführung erfolgte ausschließlich mit Materialien, die bereits 1788 verwendet wurden: Sumpfkalk, Sande aus der nahen Umgebung, Erdfarbpigmente. In Zusammenarbeit mit zahlreichen, freiwilligen Helfern aus der Gemeinde wurde es möglich in komprimierter Zeit alle notwendigen Arbeiten auszuführen und der Pfarrkirche zu neuem (altem) Glanz verhelfen."

Restaurator Schretthauser: „Gelingen kann ein Werk nur gemeinsam"
Und für Restaurator Michael Schretthauser ist es nicht nur der Raum, sondern auch die Menschen, die ihn bei der Arbeit umgeben, die wichtig sind: „Das Klima auf der Baustelle, der gegenseitige Umgang miteinander, das Interesse der Entscheidungsträger, sind wesentliche Einflussfaktoren. Die Kirche, als Zentrum einer Gemeinschaft, lässt auch hier keine Alleingänge zu. Und so braucht es neben dem Restaurator, der eine Originalmalerei akribisch freilegt, auch Menschen, die bereit sind, sich auf das Ergebnis einzulassen. Die riskieren, durch unerwartete Ergebnisse bedingt, umdenken zu müssen. Die sich voll Vertrauen auf das noch Unbekannte einlassen wollen, und trotzdem zu ihrer Verantwortung stehen. Denn auch die Möglichkeit des sich Irrens besteht, und Aktionen, Arbeitsschritte, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, so als wären sie nie geschehen, zwingen uns zum Dialog, zum Einlenken und aufeinander zugehen. Eigentlich christliche Grundwerte, die vielleicht gegenüber den großen Glaubensweisheiten gering erscheinen mögen. Trotzdem müssen wir sie erleben, um neben der Möglichkeit des Irrens und Scheiterns auch das Gelingen erfassen zu können. Und gelingen kann ein Werk nur gemeinsam. So ist auch diese Kirchenrestaurierung ein Werk vieler, und jeder einzelne darf zu seiner Arbeit, zu seiner Leistung stehen, damit wir uns gemeinsam freuen können." 

Bild: Diözese Innsbruck/Sigl