Dialog ist das Gebot der Stunde

Die beiden Innsbrucker Theologieprofessoren Jozef Niewiadomski und Wolfgang Palaver sprechen im Interview mit der Nachrichtenagentur KATHPRESS darüber, welche Folgen der Anschlag des 11. Septembers 2001 für das Verhältnis von Christentum und Islam hatte.

(KAP) Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verweisen österreichische Theologen auf zahlreiche positive Errungenschaften im Dialog mit dem Islam. Indem die Anschläge das Thema Religion und Gewalt auf die Tagesordnung brachten, sei zugleich "religionspolitisch der Dialog zum Gebot der Stunde" geworden, unterstreicht etwa der Innsbrucker Theologe Prof. Jozef Niewiadomski. Trotz mancher Rückschläge - etwa in Form der harschen Reaktionen auf die "Regensburger Vorlesung" des Papstes 2006 - habe die Zahl der "Dialogwilligen und Dialogfähigen" überwogen und es seien zahlreiche "Aufbrüche" gelungen. Den häufig beschworenen "Kampf der Kulturen" habe es nicht gegeben, unterstreicht auch der Innsbrucker Sozialethiker Prof. Wolfgang Palaver.
Konkrete Initiativen und Kontakte mit dem "Islam vor Ort", gegenseitige Besuche, Friedensgebete, Symposien und interreligiöse Begegnungen hätten dazu geführt, dass der Dialog "bodenständiger und vielschichtiger" wurde als zuvor. Ein aktuelles Beispiel für das anhaltende Bemühen sei etwa das Engagement der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, der Niewiadomski als Dekan vorsteht, neben Wien auch im Westen Österreichs einen eigenen Masterstudiengang Islamische Religionspädagogik anzubieten.
Angesichts der aktuellen Revolten im arabischen Raum wagt Niewiadomski einen mutigen Brückenschlag: So zeigten die Aufstände in den überwiegend muslimischen Ländern, dass die Anschläge vom 11. September sich für Al-Qaida sogar "als kontraproduktiv" erwiesen hätten. Denn wie die Revolten deutlich machten, sei heute nicht Al-Qaida "der politisch-spirituelle Leader der arabischen Welt", sondern eine junge Generation aufbruchswilliger Muslime, die "auch mit Hilfe islamischer Tradition nach ihrem Weg Richtung Demokratie und Pluralismus suchen", so Niewiadomski.
Nicht Religion, sondern Entwurzelung schürt Konflikte
Auf akademischer Ebene schließlich habe es einen kurzzeitigen "Boom" der Kritik an einer angeblich gewaltvollen Schlagseite des Monotheismus gegeben, der auch das Christentum nicht unberührt ließ. Mittlerweile überwiege jedoch wieder die Einsicht, dass dieser Schluss aus einer einseitigen und undifferenzierten Perspektive auf den biblischen Monotheismus resultiere.
Ähnlich in dieser Frage auch die Einschätzung von Prof. Wolfgang Palaver, Theologe an der Uni Innsbruck und Leiter der Arbeitsgemeinschaft "Religion-Politik-Gewalt" der Österreichischen Forschungsgemeinschaft: "Im Blick auf die moderne Welt zeigt sich, dass Religionen keineswegs die Hauptverantwortung für die großen Gewaltmassaker der jüngsten Geschichte tragen." Die eigentlichen Gründe dafür - dies habe die Gewalt-Forschung der vergangenen zehn Jahre gezeigt - liegen laut Palaver stattdessen in "Entwurzelung", ökonomischer Ungleichheit und einem Mangel an Solidarität.
Islam und Demokratie sind vereinbar
Eine wichtige Frucht des interreligiösen Dialogs sei laut Palaver außerdem die Erkenntnis, dass "die Behauptung einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit von Islam und Demokratie ein Vorurteil ist". Gerade die intensive Auseinandersetzung mit dem Islam habe - auch innerhalb des Islam selbst - in den vergangenen zehn Jahren "vorhandene demokratische Potenziale sichtbarer gemacht" und so auch den Boden für die arabischen Revolten geebnet: Denn diese seien zwar keine dezidiert religiösen Revolten, dennoch spielen in ihnen "auch religiös geprägte Menschen einen wichtige Rolle, für die Demokratie und Islam keinen Widerspruch darstellen", so Palaver.
Einig zeigten sich Palaver und Niewiadomski überdies in ihrer Einschätzung, dass "die Welt seit dem 11. September 2001 eine andere geworden" sei. Dies sei jedoch angesichts der Forschritte im Dialog der Religionen, in der neuen Sensibilität für Gewalt und ihre Ursachen und im Blick auf die Aufbrüche in der arabischen Welt durchaus positiv gemeint, so die Theologen in ihrem Resümee. 

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