Dem kleinen Leben das Wachsen ermöglichen

Zum Muttertag: Julia Stabentheiner schreibt über ihre Gedanken rund um Schwangerschaft und Geburt ihres jüngsten Sohnes.

Als ich meinen Schreibtisch in der Caritas-Auslandshilfe verlasse, weiß ich, dass ich viele Monate nicht zurückkehren werde. Mein E-Mail Postfach ist voll: Arbeitsaufträge, Anfragen, Terminvorschläge, aber auch Segenswünsche, besorgte Nachfragen und Versprechen, sich während meiner Abwesenheit gut um alles zu kümmern.

Meine Abwesenheit, die so nicht geplant war: vorzeitiger Mutterschutz. Besonders die Mails der Caritas-Projektpartner aus Burkina Faso freuen und beschämen mich. Ich weiß, dass keine Frau in Westafrika sich bei voller Lohnfortzahlung mehrere Monate aus dem Berufsleben zurückziehen kann, zum Schutz ihrer Gesundheit und der ihres Kindes. Ich weiß, wie viele Mütter und Kinder diese mangelnde Fürsorge mit dem Leben bezahlen. 

Viele unfertige Aufgaben bleiben zurück im Büro und nur langsam akzeptiere ich, dass jetzt trotz allem nur mehr eine Aufgabe wichtig ist: dem kleinen Leben in meinem Bauch ein gutes Wachsen zu ermöglichen.

 

Unterstützt und getragen. Ein Kind zur Welt zu bringen ist eine Aufgabe, die niemand für mich erfüllen kann. Und die ich andererseits unmöglich alleine bewältigen kann und auch nicht muss. Dankbar bemerke ich an allen Ecken und Enden, wie ich fast intuitiv unterstützt und getragen werde. Von meinem Mann und den kleinen „großen“ Geschwistern des neuen Babys, von den wunderbaren Arbeitskolleginnen, meiner Mutter – was wäre die Welt ohne Großmütter! – meiner Familie und Freunden, von Ärztinnen und Krankenschwestern und nicht zuletzt unserem solidarischen Sozialversicherungssystem, das den finanziellen und infrastrukturellen Rahmen sicherstellt und gerade rund um das Thema Geburt weltweit seinesgleichen sucht. So erfahre ich diesen langen „Mutterschutz“, der genauso ein „Kinderschutz“ ist, als starke Zusage der Gemeinschaft, in der wir leben: Du bringst dein Kind nicht allein zur Welt, wir alle übernehmen Mitverantwortung, wir sind für euch da, auch wenn es schwierig wird.

In dieser Zusage leuchtet mir der Name Gottes entgegen. „Ich bin ja da" – mehr braucht die Mama oft nicht zu sagen, um ihr Kind zu trösten. „Jahwe" – „Ich bin“ – mehr brauchen wir nicht an Zusage Gottes für unser Leben und das unserer Kinder, das bei aller Fürsorge und Bemühung nicht in unserer Hand liegt. Im Netz von Menschen, das mich durch die Zeit des Mutterschutzes trägt, spüre ich das Wirken jener großen Mutter, die uns schon im Mutterschoß webt, staunenswert und wunderbar, die unsere Tage schon formt, als noch keiner von ihnen da ist (Ps 139). Die Schöpferin, die die ganze Erde unter Wehen hervorbrachte (Ps 90) und sie durch die Geburt eines Kindleins in Bethlehem erlöste.

Die ganze Welt in ihrer Hand. Der Gedanke, dass wir umschlossen sind von dieser mütterlichen Kraft, spürbar in so vielen konkret helfenden Personen, trägt durch die Schwangerschaft. Für mein ungeborenes Kindlein dichte ich ein altes Spiritual um: „Sie hält die ganze Welt in ihrer Hand, sie hält das klitzekleine Baby in ihrer Hand, sie hält die Mama und den Papa in ihrer Hand, sie hält die Ärzte und die Schwestern in ihrer Hand, sie hält die ganze Welt in ihrer Hand.“ Es wird das letzte Lied sein, dass ich ihm im Bauch vorsinge und das erste, dass ich ihm direkt ins Ohr summe.

 

Der Tag der Geburt. Am Tag der Geburt sind die Medien voll von Meldungen über Brexit, Venezuela-Krise, Wirbelstürme und Kinder, die wöchentlich dafür protestieren, auf dieser Welt noch eine Zukunft zu haben… Die einzige Sorge des Neugeborenen ist die nächste Portion Milch und dann schläft er bezaubernd in aller Entspanntheit und weiß noch nichts von den Verrücktheiten, in die er hineingeboren ist. Wie wird die Welt aussehen, wenn er erwachsen ist? Wird es noch Eisbären, Fichten, Bienen oder Küstenstädte geben? Und Frieden und Demokratie in Europa? Auch all das gehört neben dem Stillen und Wickeln zu den mütterlichen Sorgen und Aufgaben. Wieder sind es mehr, als ich alleine bewältigen könnte.

 

Mit-Mütter Gottes. Aus der katholischen Soziallehre kennen wir den Gedanken, dass der Mensch durch seine Arbeit am fortdauernden Schöpfungswerk Gottes beteiligt ist. Deshalb ist die alltägliche Arbeit gewissermaßen eine heilige Sache. Wie viel mehr muss dies für alles gelten, was wir für das Gedeihen neuen Lebens tun! Da dürfen wir richtig mithelfen am Schöpfungswerk Gottes, der Quelle allen Lebens! 

An der Mutterschaft Gottes haben alle Anteil, die sich um Gottes Kinder auf dieser Welt sorgen. Sie alle sind Mit-Mütter für die Kinder, die sie rund um die Geburt und beim Wachsen unterstützen. Für die sie die Erde als Lebensraum schützen und bewahren. Eine schöne und heilige Aufgabe.

Allen, die sich um die Mütter und Kinder dieser Welt kümmern, um ihr Wohlergehen und ihre Zukunft, den vielen Mit-Müttern Gottes einen herzlichen Dank und einen schönen Muttertag!

Die Familie von Julia Stabentheiner. Foto: Stabentheiner