Caritas startet Inlandshilfe-Kampagne

Zahl der armutsgefährdeten Haushalte in Österreich von 25 auf 35 Prozent gestiegen

Dass immer mehr Personen von Armut betroffen oder gefährdet sind, legt ein deutlicher Anstieg der Beratungen bei der Caritas Tirol nahe: von 2019 auf 2022 (Vergleichszeitraum September des Vorjahres bis Oktober) gab es um 40 Prozent mehr Beratungen. Die meisten Anfragen beziehen sich jetzt verstärkt auf Mietrückstände und die steigenden Kosten für Lebensmittel, die das ohnehin geringe Budget bei Weitem überschreiten. Mit Sorge erwartet die Caritas eine weitere große Welle an Hilfsanfragen im Dezember/Jänner, wenn die Betriebskostennachzahlungen für 2022 und die Strompreis-Akontozahlungen für 2023 fällig werden. 

 

Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb betont daher: „Die Unterstützungsmaßnahmen von Seiten der Bundesregierung wie Klimabonus und Strompreiszuschuss sind enorm wichtig, aber deren Treffsicherheit muss deutlich erhöht werden. Es braucht eine nachhaltige Absicherung armutsgefährdeter Menschen.“

 

„Um auf lokaler Ebene weiterhin zielgerichtet arbeiten zu können, freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit der neuen Landesregierung und sehe im Regierungsprogramm schon einige vielversprechende Vorhaben im Sozialbereich, wie beispielsweise die Beibehaltung der Mindestsicherung, die angekündigten Indexanpassungen, 3-Jahres-Verträge für Sozialeinrichtungen, die Stärkung der Familienhilfe und die Unterstützung für NEET’s-Jugendliche“, so Rathgeb.

 

Steigende Kosten werden zur Frage der Existenz 

Die Rekordinflation sorgt für steigende Lebenshaltungskosten. Besonders gravierend ist das für armutsbetroffene Menschen. Die Preislawine trifft sie mit voller Wucht. Täglich, denn die hohen Preise schlagen bei jeder Rechnung zu.

 

Der durchschnittliche wöchentliche Einkauf ist im Vergleich zum Vorjahr um knapp 19 Prozent teurer geworden. Das heißt: Menschen, die ohnehin im Supermarkt sehr genau rechnen müssen, ob sich die Kaffeepackung am Ende des Monats noch ausgeht – diese Menschen können sich das Alltägliche schlichtweg nicht mehr leisten. Die Situation stellt armutsbetroffene Menschen und auch jene mit geringen Einkommen vor unüberwindbare Herausforderungen. Sie zwingt sie, massive Abstriche zu machen – bei Grundbedürfnissen wie Essen, Heizen oder bei der Unterstützung und Förderung ihrer Kinder.

 

Rathgeb sieht hier einen klaren Auftrag: „Wir müssen dafür sorgen, dass Kühlschränke nicht leer, Heizkörper nicht kalt und Rechnungen nicht unbezahlt bleiben“. Dabei ist es ihr ein besonderes Anliegen, Hemmschwellen so gut es geht aus dem Weg zu räumen. „Der Gang zur Beratungsstelle ist oft mit Scham verbunden – das soll und muss nicht so sein. Neu haben wir die Caritas-Online-Beratung eingeführt: Damit versuchen wir, auf die individuellen Bedürfnisse aller Betroffenen bestmöglich einzugehen und jede*n dort abzuholen, wo sie oder er steht.“

 

Immer mehr Menschen kommen mit Einkommen nicht aus 

„Die Teuerung trifft zunehmend auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft“, bestätigt Andreas Exenberger. Der Armutsforscher hat im Oktober die umfassende Studie „Armutsbetroffenheit und COVID-19 in Tirol“ herausgegeben. Laut Exenberger hat die Inflation weitreichende Auswirkungen: „Vor der Pandemie waren 25 Prozent der Haushalte in der Position, dass ihre Ausgaben die Einnahmen überstiegen. Unter Berücksichtigung der aktuellen Inflationsdynamik muss davon ausgegangen werden, dass mittlerweile 35 Prozent der Haushalte in Österreich nicht mehr mit ihrem Einkommen auskommen“. Exenberger bezieht sich dabei auf eine aktuelle Studie des Fiskalrats. Er rechnet damit, dass „eine anhaltende Inflation weitere Haushalte in Schwierigkeiten bringen wird“.

 

Besonders gefährdet sind Personen mit niedriger Bildung/Qualifikation, Ein-Eltern Haushalte und Mehrkind-Familien, Mindestpensionist*innen sowie Arbeitslose. Das Problem der Armutsgefährdung erfasst immer mehr den Mittelstand. Für die betroffenen Menschen bedeutet das zum Beispiel konkret: Es ist nicht möglich, unerwartete Ausgaben in der Höhe von 1.200 Euro zu begleichen oder Freunde zum Essen einzuladen. Die Folgen sind neben den direkten finanziellen Problemen auch Benachteiligungen im Zusammenleben mit anderen Menschen, die zu Ausgrenzung oder im schlimmsten Fall zur Vereinsamung führen. Denn Ausgaben, bei welchen Armutsbetroffene häufig sparen, sind jene, die Teilhabe ermöglichen, wie Bildung, Musikschule, Vereine, Freizeit. Besonders Kinder und Jugendliche in armutsgefährdeten Familien sind von dieser fehlenden Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben betroffen.  

 

Der erste Klick zur Hilfe: Caritas Wegweiser 

Um die Hilfestellung besonders für neu Betroffene niederschwellig zu gestalten, hat die Caritas einen „Online Caritas Wegweiser“ entwickelt: www.caritas-wegweiser.at. Er schafft Orientierung für Hilfesuchende für Anliegen unterschiedlicher Art – etwa bei Geldnot oder in den Bereichen Wohnen, Pflege, Sucht usw. Am PC, Handy oder Tablet beantworten Betroffene mit wenigen Klicks einige Fragen zu ihrem Problem. Der Caritas Wegweiser führt dann je nach Region zu passenden Informationen oder Hilfsangeboten, zur richtigen Anlaufstelle oder Ansprechperson oder zur Online-Beratung in den Sozialberatungsstellen weiter.

 

Damit können sich Betroffene schnell, einfach und anonym an eine*einen Caritas-Berater*in wenden: Je nach Angebot können sie per E-Mail und Sofort-Chat Kontakt aufnehmen oder sich online einen Termin für ein Beratungsgespräch vereinbaren – per Videochat, Telefon oder persönlich.

 

So hilft die Caritas 

  • Der Caritas-Online-Wegweiser schafft Orientierung.
  • Die Caritas-Sozialberatung steht allen offen, die aktuell Hilfe brauchen.
  • Jene Menschen, die bereits vor Covid und der Teuerung armutsbetroffen waren, unterstützt die Caritas weiterhin. Hierbei geht es um das Notwendigste: Existenzsicherung, Lebensmittelhilfe und -gutscheine, Energieversorgung, Beratung, Wohnungssicherung.
  • Die Caritas hilft armutsgefährdeten Familien, welche die Inflation noch stärker

in die Not getrieben hat.

  • Die Caritas hilft jenen, die bisher keine finanziellen Sorgen kannten und durch die Krise plötzlich armutsgefährdet sind. Sie brauchen jetzt Unterstützung. Denn:

Viele private Reserven sind jetzt endgültig erschöpft.

 

Spendenbeispiele 

  • Mit 10 Euro können Familien mit Hygieneartikeln wie bspw. Windeln ausgestattet werden.
  • Mit 25 Euro finanzieren Sie Lebensmittelgutscheine für eine Mutter oder einen Vater mit Kind.
  • Mit 50 Euro schenken Sie Wärme. Die Caritas kann damit bei den Heizkosten finanziell aushelfen.
  • Mit 100 Euro finanzieren Sie einen Wocheneinkauf für eine Alleinerzieher*in mit 2 Kindern.
  • Mit 150 Euro helfen Sie Familien, akute finanzielle Not aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten zu überbrücken.

  

Caritas-Spendenkonto 

Raiffeisen Landesbank Tirol: AT79 3600 0000 0067 0950, Kennwort: Herbstsammlung 2022

Online-Spenden: www.caritas-tirol.at

Elisabeth Rathgeb und Andreas Exenberger - Foto: Caritas Tirol