Caritas fordert Aufnahme von 100 Familien aus griechischen Lagern

Geschäftsführender Wiener Caritas-Direktor Schwertner: "Die Augen zu verschließen, wird nicht helfen"

Caritas und "Initiative Courage" appellieren erneut an die österreichische Bundesregierung, wenigstens 100 Familien mit Kindern aus "griechischen Elendslagern" aufzunehmen und damit dem Beispiel anderer europäischer Staaten zu folgen. Zahlreiche Gemeinden unterschiedlichster Couleur, aber auch Pfarren hätten ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an einer solchen "geordneten Rettung" bekundet, erinnerten der Wiener geschäftsführende Caritasdirektor Klaus Schwertner und die Fluchtmigrationsforscherin Judith Kohlenberger bei einem Medientermin zum Weltflüchtlingstag in Wien.

 

"Die Augen zu verschließen, wird nicht helfen und auch nicht ausreichen, wir müssen uns mit der Not der Menschen auseinandersetzen", rief Schwertner die Regierung auf, "endlich humanitäres Engagement zu zeigen". Insgesamt forderte er die Politik zu mehr Einsatz in der Flüchtlingspolitik auf. Die Aufgabe sei "bewältigbar", zeigte sich Schwertner überzeugt.

 

Die Situation in Griechenland sei keine akute Katastrophe, vielmehr handle es sich um eine chronische Krisensituation, so Kohlenberger. Lager wie jene in Moria oder Kara Tepe seien "die grausamen Symptome einer jahrelang verfehlten EU-Migrationspolitik". Der von Kohlenberger präsentierte "Sechs-Punkte-Plan" der "Initiative Courage" zur Aufnahme von Menschen aus den Lagern sieht in Abstimmung mit den Behörden u.a. eine Vorbereitung und Koordinierung auf Lesbos, die Auswahl geeigneter Personen und Covid-Schutzmaßnahmen sowie die anschließende Unterbringung, soziale Absicherung und Integrationsbegleitung in Österreich vor.

 

Österreich habe in den Jahren vor 2018 im Rahmen von humanitäre Aufnahmeprogrammen 1.250 anerkannte syrische Flüchtlinge aus der Türkei, dem Libanon und Jordanien auf sicherem und legalem Weg nach Österreich gebracht, erinnerte Schwertner. Ähnliches wäre auch jetzt im Fall von Griechenland denkbar. Die damaligen Erfahrungen seien positiv gewesen. Sogar die frühere ÖVP/FPÖ-Regierung habe sich in ihrem Regierungsübereinkommen zu diesem Instrument bekannt: "Ich glaube und hoffe, dass das, was unter Türkis-Blau denkbar schien, auch für die aktuelle Bundesregierung machbar sein wird."

 

Den Appell an die Regierung verknüpfte Schwertner mit der Forderung nach Einhaltung internationalen Rechts im EU-Außengrenzschutz und mehr Hilfe vor Ort in Ursprungsländern von Flüchtlingen. Die Genfer Flüchtlingskonvention dürfe im 70. Jahr ihres Bestehens nicht "zu totem Recht" und "scheibchenweise abmontiert" werden, warnte der Caritas-Direktor. "Wie selbstverständlich" schweige die Politik zu den sogenannten "Pushbacks", also der direkten Abweisung von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen, kritisierte Schwertner. "Die Genfer Flüchtlingskonvention ist an dieser Stelle sehr klar. Menschen auf der Flucht müssen weiterhin die Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen und um Schutz anzusuchen. Nicht jede und jeder wird auch Asyl erhalten. Alle müssen aber das Recht haben auf ein rasches und faires Verfahren."

 

Wesentlich sei aber auch die Bekämpfung von Fluchtursachen durch eine verstärkte Hilfe vor Ort. Zwar habe die österreichische Regierung hier zuletzt ihr Engagement erhöht, sagte Schwertner, aber: "Da geht noch mehr. Wir starten von einem sehr niedrigen Niveau." Einmal mehr pochte Schwertner auf die schrittweise Erhöhung der EZA-Mittel auf das 0,7-Prozent-Ziel. Über den Auslandskatastrophenfonds bereitgestellte Mittel müssten nun eingesetzt werden, zumal sich durch Corona-Pandemie und Klimakrise die Situation für viele Menschen weltweit verschärft habe.

 

Rückenwind für die Forderung nach "endlich echter Hilfe vor Ort" bekam die Caritas bei dem Pressetermin auch von Europaparlaments-Vizepräsident Othmar Karas (ÖVP). Der Umgang mit Flucht und Vertreibung sei in erster Linie eine Frage von Menschenrechten und gemeinsamen humanitären Grundwerten. Nötig sei auch ein gemeinsamer EU-Außengrenzschutz, statt "blockieren und abschieben" müsse ein solcher aber bedeuten: "registrieren, differenzieren und ab dem Zeitpunkt begleiten". Einmal mehr mahnte Karas, der auch Präsident des Hilfswerks Österreich ist, Solidarität unter den EU-Staaten und das Umsetzen gemeinsamer Regeln und Lösungen ein.

 

Europa müsse schlicht seine eigenen Gesetze wieder ernst nehmen, hielt der Leiter der in Berlin ansässigen European Stability Initiative (ESI), Gerald Knaus, fest. Pushbacks ohne Asylverfahren, wie sie in Ungarn, aber auch an der kroatisch-bosnischen Grenze, der griechisch-türkischen Grenze und spanisch-marokkanischen Grenze regelmäßig zu beobachten seien, stünden im Widerspruch zu EU-Recht und müssten sofort beendet werden.

 

Um zu erreichen, dass weniger Menschen im Mittelmeer sterben braucht es aus Sicht des Migrationsforschers zudem zwei Dinge: "Seenotrettung, aber auch Wege, damit sich weniger Menschen in die Boote setzen". Letzteres umfasse auch einen rechtsstaatlich konformen "Weg, Leute zurückzuschicken, die anderswo auch sicher wären, um Leute nicht zu ermutigen zu kommen". Grundsätzlich müssen die europäischen Staaten darüber hinaus in einem organisierten Weg mehr Menschen aufnehmen, so Knaus: "Seenotrettung, keine Pushbacks, menschliche Behandlung an den Grenzen, verhindern, dass mehr Menschen sich in die Boote setzen und stattdessen legale Wege bieten. Das zusammen wäre eine humane Politik an Europas Grenzen."

 

(Spendenkonto für Caritas-Hilfe: Erste Bank, IBAN AT23 2011 1000 0123 4560; https://www.caritas.at/flucht)

 

Eine Meldung von www.kathpress.at