Bischofshaus mit neuer Fassade: 1.1.0

Lang geplante Sanierung abgeschlossen, künstlerische Gestaltung von Martin Walde

Mit der neuen Fassade ist die Sanierung des Innsbrucker Bischofshauses weitgehend abgeschlossen. Schäden im Sockelbereich außen sowie Feuchtigkeit in den angrenzenden dahinterliegenden erdgeschossigen Räumen machten die Arbeiten dringend notwendig. Das bereits 2018 geplante Vorhaben wurde nun abgeschlossen. Das künstlerische Konzept der Fassadengestaltung stammt vom Tiroler Künstler Martin Walde.

 

„Die Einfachheit der neuen Fassadengestaltung fasziniert. Sie wird dem Alter und der Schlichtheit des Gebäudes gerecht, das im 15. Jahrhundert an der mittelalterlichen Stadtmauer errichtet wurde“, sagt Bischof Hermann Glettler.

 

Zahlenspiel mit zahlreichen Deutungsmöglichkeiten: 1.1.0 

Die neue Fassadengestaltung basiert auf einem Entwurf des in Innsbruck geborenen und in Wien lebenden Künstlers Martin Walde. Als Technik hat er das traditionelle Sgraffito gewählt. Aus der Gesamtfläche des Putzes werden gewisse Flächen herausgekratzt, sodass die Fassade mit den tiefer- und höherliegenden Putzflächen eine feine Plastizität erhält. Der raue, dunklere Ton kontrastiert mit den höher liegenden, glatten Flächen und Formen. Die Brechung des Lichtes macht den Unterschied, nicht eine zusätzliche Farbgebung.

 

In unterschiedlichen Grautönen ist auf dem Betonputz „1.1.0“ zu erkennen. Für Bischof Hermann Glettler ist die Zahlenfolge eine Annäherung an das Geburtsdatum Jesu, das sich historisch exakt kaum festlegen lässt: „Unsere Zeitrechnung kennt ein Vor und Nach der Geburt Christi. Mit 1.1.0 erinnert das Bischofshaus an jene revolutionäre Persönlichkeit, die wie keine andere die Hoffnungsgeschichte der Menschheit geprägt hat. Das Datum ist ein indirekter Verweis auf die bleibende Bedeutung und Gegenwart Jesu Christi.“

 

Dass bei Asylsuchenden, wenn sie keine Geburtsurkunde oder andere persönliche Dokumente bei sich haben, als fiktives Geburtsdatum der jeweils erste Jänner des mündlich angegebenen Jahres festgelegt wird, stelle eine weitere Assoziation dar, so der Bischof in seiner ausführlichen Deutung: „Die Zahlenfolge am Bischofshaus verweist auf unsere soziale Verantwortung, die an kulturellen, nationalen oder religiösen Grenzen nicht haltmachen darf. Als Menschheitsfamilie sind wir weltweit Schwestern und Brüder. Das ist ein Geschenk und ein Auftrag, dem wir uns nicht entziehen dürfen.“

 

Darüber hinaus seien die Zahlen auch eine Referenz an die Geschichte des Hauses als Schule: Hier wurde schreiben, lesen und rechnen über mindestens 300 Jahre erlernt. Der Bischof habe als Lehrer und Vermittler des Glaubens zusammen mit allen Bildungseinrichtungen der Diözese auch einen ganzheitlichen Bildungsauftrag zu erfüllen: „Ob gläubig oder nicht, wir alle müssen Lernende bleiben – gerade angesichts einer unüberschaubar gewordenen Fülle von Daten, Informationen und Wissenserträgen.“ Vielleicht sei 1.1.0 auch als Notrufnummer zu sehen, wie sie in Deutschland in Gebrauch ist. „Dass wir in verschiedenen Notlagen kurze, prägnante Nummern und Hotlines brauchen, ist uns in Krisenzeiten noch deutlicher bewusst. Auch Stoßgebete und Hilferufe zum Himmel gehören dazu“, so der Bischof.

: v. l. n. r.: Martin Walde (Künstler), Markus Pescoller (Pescoller Werkstätten GmbH), Bischof Hermann Glettler, Walter Hauser (Landeskonservator), Martin Moser (Leitung Kirchliches Bauen, Diözese Innsbruck) - Fotos: Cincelli/dibk.at
Historie des Hauses – seit 1964 Bischofshaus

Das Gebäude war im 15. Jahrhundert die erste Schule Innsbrucks, später Priester-Wohnhaus. Nach der Bischofsweihe von Paulus Rusch wurde es zum Sitz der Innsbrucker Bischöfe.

 

Das Aussehen des Gebäudes hat sich im Laufe der Jahrhunderte vermutlich öfters verändert. Die historische Fassade, die dem Aussehen der benachbarten Propstei St. Jakob angeglichen war und vermutlich aufgrund der Kriegsschäden in schlechtem Zustand, wurde in den 60er-Jahren abgeschlagen und durch eine äußerst nüchterne Fassade mit einem flachen Putz ersetzt.

 

Abstimmung mit der Denkmalpflege 

Die Aufgabe der Denkmalpflege ist es, Bau- und Kunstdenkmäler fortzuschreiben, historische Substanz zu sichern und eine Weiterentwicklung zu begleiten. Der Leiter des Bundesdenkmalamtes in Tirol, Dr. Walter Hauser, war von Anfang an in die Konzeption der Fassade eingebunden. Er erläutert: „Die Fassade des Bischofshauses stammte aus den 1960er Jahren und besaß per se keine besondere Bedeutung. Dadurch war eine Veränderung denkmalfachlich möglich.“ Und Bezug nehmend auf das städtebauliche Ensemble sagt er: „Die aktuelle künstlerische Intervention sucht einen repräsentativen Anspruch für das Bischofshaus, das wie die Kirche, das Rathaus oder die Stadtburg in der gestalterischen Hierarchie bedeutender Bauten in einer historischen Stadt steht.“ Die Umsetzung des Entwurfs von Martin Walde erfolgte in einer kunsthandwerklich anspruchsvollen Putzarbeit, in Sgraffito-Technik, ausgeführt von den Pescoller Werkstätten aus Bruneck.

 

Sanierungsarbeiten mit Blick auf Nachhaltigkeit 

Im Rahmen der aktuellen Sanierungsarbeiten wurden auf Nachhaltigkeit Wert gelegt. Eine Pellets-Heizung wurde im Bischofshaus bereits im Vorjahr eingebaut. Der Einbau von neuen Fenstern mit Wärmeschutzverglasung wurde nach sorgfältiger Prüfung nicht weiterverfolgt. „Stattdessen entschied man sich, die bestehenden Fenster zu restaurieren und durch den Einbau von Isolierglaselementen wärmetechnisch zu verbessern“, erklärt Martin Moser, Abteilungsleiter für Kirchliches Bauen der Diözese Innsbruck.

 

Zur Person Martin Walde 

Martin Walde (geb. 1957 in Innsbruck) ist ein österreichischer Künstler. Walde arbeitet im Bereich Installationskunst, Plastik und Zeichnung. Walde studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien, Österreich (bei Wolfgang Hollegha, Max Weiler, Arnulf Rainer). Walde wohnt und arbeitet in Wien. 2017 erhielt er den Österreichischen Kunstpreis für Bildende Kunst. Walde erschafft seine Werke aus ungewöhnlichen Materialien wie Glas, Silikon, gallertartige und klebrige Substanzen, Styropor, Haare, Düfte und Plasmalicht. Dabei bedient er sich unterschiedlicher Medien, neben Objekten und Installationen arbeitet er auch immer wieder mit Zeichnungen und Bildgeschichten.