Bischof Glettler: Himmel für junge Asylwerber öffnen

Bischof Hermann hat in seiner Predigt bei der Festmesse zu Mariä Himmelfahrt in der Pfarrkirche Rietz unter anderem einen offeneren Umgang mit jungen Asylwerbern eingefordert. Das Fest sei dennoch ein Zeichen der Hoffnung und des Trostes.

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler hat in seiner Predigt anlässlich Mariä Himmelfahrt am Samstag bei der Festmesse zu Mariä Himmelfahrt im Dom einen offeneren Umgang mit jungen Asylwerbern eingefordert. Es gehe um junge Leute, die als Asylwerber nach Österreich gekommen sind und eine Ausbildung oder Lehre begonnen haben. "Für sie hat sich damit ein Himmel von Lebenszuversicht geöffnet. Sollten wir diesen gewaltsam schließen - nur um dem Gesetz Genüge zu tun? Wäre es nicht wesentlich 'himmlischer', wenn sie ihre Begabungen und neu erworbenen Kompetenzen für ihre und unsere Zukunft in unserem Land einsetzen könnten?", so Glettler in seiner Predigt.

Ob in diesem Bereich oder in anderen gesellschaftlichen Aufgabenstellungen: Menschen, die um den offenen Himmel wissen und Maria, die zu Gott vorausgegangen ist, an ihrer Seite haben, würden füreinander Himmels-Öffner sein. Das sei die irdische Auswirkung des Glaubens - Trost für alle Menschen!

 

Mariä Himmelfahrt - ein Zeichen der Hoffnung  

Mariä Himmelfahrt sei ein Zeichen der Hoffnung. "Der Feiertag Mariens mitten im Sommer ist entgegen all dieser Befürchtungen, vielfachen Zukunftsängsten und fatalistischen Vermutungen ein deutliches Signal von Hoffnung", sagte der Bischof bei der Festmesse. Der Himmel stehe offen und "wir meinen damit nicht eine kosmische Sphäre, sondern den Inbegriff von Leben, die Gemeinschaft mit Gott". Diesen Himmel könne man letztlich nicht machen, nicht herbeireden und auch nicht kaufen. Dieser Himmel sei im Gegensatz zu vielen Vertröstungen, die sich Menschen in "himmlischer Verführung" zeigen, ein echter Trost.

 

Die gesamte Predigt von Bischof Hermann zum Nachlesen 

EIN FEST DES TROSTES 

Seit 1959, dem 150-Jahr Gedenken der 3. Bergisel-Schlacht, wird das Fest der „Aufnahme Mariens in den Himmel“ in Tirol als Landesfeiertag begangen – es ist der Hohefrauentag, an dem das offizielle Land Tirol Ehrungen und Auszeichnungen verleiht. Heuer wird es anstelle dessen eine Gala des Dankes geben für all jene, die sich in besonderer Weise während der Akutphase der Corona-Zeit für andere Menschen engagiert haben. In Tirol gibt es knapp 20 Kirchen, die zu Mariä Himmelfahrt ihr Patrozinium feiern und damit die Bedeutung des Festes für unser Land bezeugen.
1950 wurde die „Himmelfahrt Mariens“, wie das Fest volkstümlich bezeichnet wird, nach einer langen Auseinandersetzung innerhalb der Kirche – da die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel nicht biblisch belegt ist, aber eine jahrhundertelange Tradition in der Volksfrömmigkeit hatte – von Papst Pius XII. zum Dogma erklärt. Das Datum dieser Dogmatisierung ist nicht zufällig: Nach den Barbareien und Höllen des Zweiten Weltkrieges und der Shoah sollte es ein widerstandsfähiges Zeichen der Hoffnung sein, an dem sich Menschen auf- und ausrichten können. Ein Fest des Trostes! 

  1. 1.       Der Himmel ist nicht verschlossen – echter Trost in aller Bedrängnis

In einer Zeit „bedrängter Zuversicht“ ist es nicht selbstverständlich, dass es einen offenen Himmel gibt. Für viele Menschen ist der Himmel verschlossen – zu stark und bedrängend sind die Probleme, Sorgen und Ängste. Unzählige Menschen haben den Eindruck, dass uns ein unbeeinflussbares Schicksal regiert, das jederzeit unvorhersehbar zuschlagen kann. Der Feiertag Mariens mitten im Sommer ist entgegen all dieser Befürchtungen, vielfachen Zukunftsängste und fatalistischen Vermutungen ein deutliches Signal von Hoffnung: Der Himmel steht offen – und wir meinen damit nicht eine kosmische Sphäre, sondern den Inbegriff von Leben, die Gemeinschaft mit Gott. Diesen Himmel können wir uns letztlich nicht machen, nicht herbeireden und auch nicht kaufen. Dieser Himmel ist im Gegensatz zu vielen Vertröstungen, die sich uns in „himmlischer Verführung“ zeigen, ein echter Trost.

Der Himmel – im Englischen heaven und nicht sky – meint die letzte und tragende Beziehung, die verlässlichste Verbundenheit, die wir uns vorstellen können. Dieser Urquell von allem, was Leben bedeutet, hat sich selbst „geöffnet“ und uns Menschen mitgeteilt. Das Hochfest der „Aufnahme Mariens“ hängt am zentralen Geschehen unseres christlichen Glaubens. Durch seine Menschwerdung hat Gott selbst den Himmel für immer geöffnet und eine lebendige Brücke zwischen Himmel und Erde gebaut. Diese Brücke ist Jesus, unser Bruder und Herr. Er ist der offene Himmel in Person. Seine Mutter Maria wird mit Recht – dogmatisch festgelegt am Konzil von Ephesus im Jahre 431 – als Gottesmutter bezeichnet. Ihr feierliches Heimgehen zu Gott bestätigt, dass unser Leben auf ein Ziel hin ausgerichtet ist. Auch wir dürfen einmal definitiv zu Gott heimkehren – und werden nicht irgendwo in einer höheren Energie aufgehen oder sogar ausgelöscht werden.

  1. 2.       Am Ende nach Hause kommen dürfen – mit allem, was uns ausmacht

Ich entdecke immer mehr, wie kostbar es ist, wenn man jederzeit nach Hause kommen kann und erwartet wird. Es hängt nicht an den Erfolgen oder Misserfolgen, ob man empfangen wird – und selbst wenn etwas Beschämendes passiert ist, darf ich nach Hause kommen. Diese Gewissheit trage ich in mir. „Komm gut heim!“ Dieser Wunsch ist uns vertraut – es sind Eltern, die damit ihre Kinder in die Schule schicken, es sind Ehepartner, die sich mit diesem Gruß verabschieden und es sind Bekannte und Freunde, die damit liebevoll einer vertrauten Person eine gute Reise wünschen. Am Ende unseres Lebens werden wir nach Hause kommen dürfen. Meine Großmutter hat einige Monate vor ihrem Sterben ganz deutlich immer wieder gesagt: „Ich gehe jetzt nach Hause. Pfiat Euch Gott!“ Und, aufgrund ihre deutlichen Demenz, hat sie tatsächlich das Haus meiner Tante, wo sie schon Jahre gewohnt hat, fast täglich in einem Eiltempo verlassen. Man musste sie immer wieder zurückholen. Bei ihrem Begräbnis konnte ich ihren Wunsch „nach Hause zu gehen“ richtig deuten.

Maria wurde „leibhaftig“ in den Himmel aufgenommen, wie es im kirchlichen Lehrdokument von 1950 heißt – also nicht nur eine Idee von ihr, nicht nur eine kaum vorstellbare Seele oder ein geistiges Abstraktum, sondern dieser reale Mensch, ganz und gar. Damit wird der Wert unseres irdischen Lebens in großartiger Weise wertgeschätzt. Mit dem Leib wird doch alles bezeichnet, was unser Leben in den Grenzen von Raum und Zeit ausmacht. In unserem Leib sind eingeschrieben alle Verwundungen und Erinnerungen, die unser Leben ausgemacht haben. „Leib“ in diesem Sinn meint natürlich weit mehr als den biochemischen Organismus. Leib meint das Ganze, was diesen konkreten Menschen in seiner Individualität ausmacht. Nichts davon müssen wir verleugnen oder verdrängen – wenn wir zu Gott heimkehren, zu ihm heimkommen. Der Mensch ist in der Konzeption Gottes ein ganzheitliches Wesen – nicht nur eine Hülle, in der eine Seele eingesperrt ist. Leibhaftig einmal bei ihm sein dürfen gehört zu den Spitzenaussagen unseres Glaubens – das heutige Fest ist gleichsam der Beleg dafür. Was Maria erfahren hat, dürfen wir für uns alle erhoffen.

  1. 3.       Einander den Himmel offen halten – Trost durch Zuwendung zum Nächsten

Es ist trostreich, dass wir einander trösten können – nicht nur die seelsorglichen und therapeutischen Experten/innen sind dazu fähig und beauftragt. Wir alle! Während der Akutphase der Corona-Zeit ist uns bewusst geworden, wie wichtig die gegenseitige Wertschätzung ist, der Zuspruch und die Aufmerksamkeit füreinander. Mit Franziskus gebetet: „Herr lass mich danach trachten, nicht dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste.“ Trösten bedeutet, den Raum weiten, den Blick heben und eine neue Perspektive ermöglichen. Trösten öffnet ein Stück weit den Himmel. Wer jenseits der eigenen Befindlichkeiten das Glück und das Wohl des Nächsten sucht, verbreitet einen Geschmack des Himmels. Viele haben dies während der Coronakrise getan, auch vorher schon und weiterhin. Ihnen allen, besonders den vielen Frauen und Müttern, die Mehrfachbelastungen durchgestanden haben, ist besonders heute am Hohen-Frauentag zu danken.

Den Himmel können wir uns nicht als einen Ort vorstellen, in der jeder nur für sich selbst in kleinen Boxen oder Miniappartments wohnen würde. Der Himmel – das ist die Gemeinschaft, ein unendlich wertvolles Netzwerk von Beziehungen, Kommunion und Kommunikation in schönster Form, ein Empfangen und Schenken – getragen von dem, der in sich höchst Erfüllung, Ursprung und Quelle von Leben und Liebe ist, der Dreifaltige Gott. Die Hölle – das ist die absolute Vereinzelung, die totale Abwesenheit von Kommunikation und Gemeinschaft. Wir haben mit dem heutigen Fest den Himmel vor Augen! Und dieser Himmel beginnt jetzt – in allen Momenten, wenn Menschen füreinander da sind, einander Wertschätzung zukommen lassen, Begegnungen suchen und auch alle damit verbundenen Schwierigkeiten aushalten, einander die von Gott geschenkte Würde bestätigen und nicht absprechen.

Ich möchte hier ein Thema erwähnen, das uns schon lange begleitet: Wertschätzung von jungen Leuten, die als Asylwerber zu uns gekommen sind und eine Ausbildung oder Lehre begonnen haben. Für sie hat sich damit ein Himmel von Lebenszuversicht geöffnet. Sollten wir diesen gewaltsam schließen – nur um dem Gesetz Genüge zu tun? Wäre es nicht wesentlich „himmlischer“, wenn sie ihre Begabungen und neu erworbenen Kompetenzen für ihre und unsere Zukunft in unserem Land einsetzen könnten? Ob in diesem Bereich oder in anderen gesellschaftlichen Aufgabenstellungen: Menschen, die um den offenen Himmel wissen und Maria, die uns zu Gott vorausgegangen ist, an ihrer Seite haben, werden füreinander Himmels-Öffner sein. Das ist die irdische Auswirkung unseres Glaubens – Trost für alle Menschen!