Auch heute werden Menschen wie Müll verworfen

Sant' Egidio-Vertreterin Vera Merkel: An der Seite der Armen sein und dort Jesus begegnen.

50 Jahre nach dem Start der katholischen Gemeinschaft "Sant'Egidio" in Rom hat deren Österreich-Koordinatorin an die Ursprünge der aus der Friedensdiplomatie bekannten Bewegung erinnert. Damals wie jetzt gelte es darum, die "Schutzbedürftigen bei uns heute" zu erkennen und sich ihnen zu widmen. "Papst Franziskus erinnert uns immer wieder daran, dass es heute Menschen gibt, die 'wie Müll verworfen' werden: alte Menschen, Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, junge Geflüchtete ohne Aufenthaltsrechte", schrieb Vera Merkel in einem Kommentar für die "Tiroler Tageszeitung" (Samstag).

Ihren Namen hat die Gemeinschaft vom heiligen Ägidius, dessen kirchlicher Gedenktag am 1. September ist. Der aus Griechenland stammende Mönch aus dem frühen 8. Jahrhundert wird in der christlichen Tradition zu den "14 Nothelfern" gezählt. Etliche Pfarrkirchen auch in Österreich tragen seinen Namen, er ist aber allgemein eher wenig bekannt. Dargestellt wird der Heilige oft mit einer Hand, die durch einen Pfeil durchbohrt ist, als er eine Hirschkuh vor dem tödlichen Schuss eines Königs bewahrte. Somit gelte er als Beschützer und Anwalt der Schwachen, erinnerte Merkel.

Von daher sei es laut Merkel "vielleicht kein Zufall", dass 1973 just in der im römischen Stadtteil Trastevere gelegenen Kirche Sant'Egidio eine Gruppe von Schülern und Studenten Räumlichkeiten gefunden hätten, um gemeinsam "das Evangelium zu lesen und die Botschaft Jesus sehr konkret in ihrem Leben umzusetzen". Die Mitglieder der Gemeinschaft, die sich fortan "Sant'Egidio" nannte, seien "aus ihrer gewohnten Umgebung aufgebrochen, um den Schwachen zur Seite zu stehen, sie 'mit bloßen Händen' zu schützen und zu unterstützen, ja, ihnen zu Freunden zu werden". Sie hätten damals für sich erkannt: "Wenn du etwas in der Welt verändern willst, beginne bei dir selbst."

Mittlerweile habe sich der Ansatz von Sant'Egidio in der ganzen Welt ausgebreitet, auch in Österreich: "Gewöhnliche Frauen und Männer, die neben ihren täglichen Pflichten ihr Herz von der Botschaft Gottes berühren lassen und an die Ränder der Gesellschaft gehen, um an der Seite der Armen zu sein und dort Jesus zu begegnen", so die Übersetzerin und Tagesmutter, die seit ihrer Jugend der Gemeinschaft Sant'Egidio angehört.

 

Großes Friedenstreffen in Berlin 

Bereits in wenigen Tagen wird Sant'Egidio in Berlin erneut ein Internationales Friedenstreffen austragen, mit dem Titel "Den Frieden wagen. Religionen und Kulturen im Dialog". 1986 von Papst Johannes Paul II. in Assisi gestartet, gilt das jährlich veranstaltete Treffen von Spitzen der Weltreligionen und der Zivilgesellschaft als wichtiger Beitrag für Verständigung über Grenzen hinweg, für Versöhnung und Frieden.

Bei der diesjährigen Ausgabe des Treffens, das in Berlin vom 10. bis 12. September stattfindet und per Livestream übertragen wird, haben unter anderem der Groß-Imam von Al-Azhar, Ahmad al-Tayyib, der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Jerry Pillay, sowie der Vorsitzende der europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, ihr Kommen zugesagt. Teilnehmer aus Deutschland sind u.a. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz, Bischofskonferenz-Vorsitzender Georg Bätzing und die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche, Anette Kurschus; aus Wien kommt Oberrabbiner Jaron Engelmayer.  

www.santegidio.org 

www.tt.com 

www.kathpress.at 

Entstanden im römischen Stadtteil Trastevere im Jahre 1968, setzt sich die Gemeinschaft heute in vielen Ländern vor allem für ärmere Menschen ein. Foto: Pixabay