Assistierter Suizid – Reden wir darüber!

Rückblick auf die Veranstaltungsreihe des Katholischen Bildungswerks Tirol Anfang April 2022 in Absam, Innsbruck-Dreiheiligen und Pfunds

Kann eine Entscheidung über das eigene Lebensende persönlich getroffen werden? Wie kann Missbrauch verhindert werden? Welche Rahmenbedingungen braucht ein Tod in Würde? Was hat sich seit dem 1.1.2022, mit Inkrafttreten des Gesetzes, für die Arbeit der Ärzte- und Pflegschaft, Palliativmedizin, Krankenhausseelsorge, Wohn- und Pflegeheime verändert?

 

Anfang April fand die Veranstaltungsreihe „Assistierter Suizid – Reden wir darüber“ in Absam, Innsbruck-Dreiheiligen und Pfunds statt. Wie bereits im Herbst 2021 gaben Vertreter der verschiedensten Berufsgruppen nicht nur tiefe Einblicke in ihre sinnstiftende Arbeit, sondern ließen auch persönliche Gedanken und Sorgen über das beschlossene Gesetz zu. Moderiert wurde die Veranstaltungsreihe von Mag. Angelika Stegmayr, Leiterin des Pastoralen Bereichs BILDUNG.gestalten der Diözese Innsbruck. Mit über 100 TeilnehmerInnen wurde großes Interesse an der Thematik sicht- und spürbar.

 

Seit 1. Jänner 2022 ist das Sterbeverfügungsgesetz in Kraft, sprich „Assistierter Suizid“ ist in Österreich straffrei. Laut Gesetz werden den „assistierten Suizid“ nur Volljährige, voll entscheidungsfähige Menschen sowie unter einer schweren Krankheit leidende Menschen anwenden dürfen. Die praktische Umsetzung ist derzeit fast nicht möglich, da weder konkrete Strukturen, wie eine Ärzte- und Apothekenliste noch Anlaufstellen bekannt sind. Menschen mit einem Sterbewunsch hängen in der Luft. Auch die MitarbeiterInnen in den entsprechenden Einrichtungen stehen vor vielen offenen Fragen und großen Herausforderungen.

 

Suizide in jeglicher Form verursachen unendliche Traurigkeit und Schwere, bei Betroffenen und Hinterbliebenen. Es ist in jeder Form ein gewaltsamer Tod und kein schöner Ausweg, da sind sich die Professionisten in den Podiumsdiskussionen einig. Der Gesetzesgeber hat es delegiert, bei der Ärztekammer herrscht seit 1.1.2022 Funkstille, die Patientenanwaltschaft sollte aber helfen können.

Podiumsveranstaltung in Ibk-Dreiheiligen am 4.4.22 – Foto: BILDUNG.gestalten
Einblicke in die Arbeit

Der Grundtenor der eingeladenen Berufsgruppen ist der gleiche. „Wir begleiten alle Menschen bis zum Lebensende und verurteilen keine Entscheidungen“, so OA Dr. Markus Ringler vom BKH Schwaz. Es geht nicht darum, Entscheidungen zu bewerten. Aber „ein Leben in Krankheit ist möglich und bietet auch etwas!“

 

„Wir treten für alle Maßnahmen ein, die das Leben schützen! Wir sind als Seelsorge da und gehen den Weg mit den Menschen mit. Wir lassen niemanden alleine. Uns geht es um die Würde am Lebensende“, so MMag. Dr. Hildegard Anegg, Leiterin der Klinikseelsorge Innsbruck, die sich mit ihrem Team sehr für „eine sorgende Gesellschaft“ einsetzt. Und, „das Leben hat es verdient, zu Ende gelebt zu werden!“ Hier schließt sich auch ihr Stellvertreter, Mag. Michael Weiskopf an: „Aus einer christlichen Haltung lehnen wir den assistierten Suizid ab. Aber, wir begleiten Menschen bis zu ihrem Lebensende!“

 

„Wer sich nicht mit dem Sterben beschäftigt, der lebt unbewusst!“, sagt Hans Schermer, Leiter des Seniorenheim Teresa. In seine Einrichtung kommen Menschen, die ihren „letzten Umzug“ bestreiten. Sterben steht im Altersheim in einem anderen Kontext – es gehört zum Leben. Pflegende sind Bezugspersonen der BewohnerInnen. Es ist gar nicht erlaubt zu „assistieren“, vielmehr geht es darum, im Gespräch zu bleiben und die Menschen gut zu begleiten.

 

Einen Sterbewunsch zu äußern, hat primär nichts mit dem Wunsch nach „Assistiertem Suizid“ zu tun. Suizidwünsche sind oft Hilfeschreie verzweifelter Menschen. „Den Menschen in ihren Wünschen ernst zu nehmen, auf sie einzugehen, ihnen beizustehen, gemeinsam mit ihnen zu ringen“, ist sich Mag. Werner Mühlböck, MBA, Leiter der Tiroler Hospiz Gemeinschaft, sicher, ist wesentlicher Teil der Arbeit im Hospiz. „Es würde aber unserer Grund-DNA der Hospizbewegung zuwider laufen, wenn wir uns auch als Assistenten beim Suizid beteiligen“, so Mühlböck mit einer klaren Haltung.

 

Hausoberin Sr. Mag. Dr. Barbara Flad vom Krankenhaus St. Vinzens in Zams geht dabei noch tiefer. „Ein Sterbewunsch ist oft Ausdruck einer großen Not! Vielfach sind es große Angst und Verzweiflung, die diesen Wunsch aufkommen lassen“, so Sr. Barbara Flad. „Diese Grundentscheidung nach „assistiertem Suizid“ überfordert uns Menschen. Umso wichtiger ist es, „immer“ hinzuhören und beizustehen.“

 

Auf die Frage, welches Rezept Dr. Gabl, Ärztlicher Leiter des Mobiles Palliativteams der Tiroler Hospiz Gemeinschaft ausstellt, beantwortet er mit: „Das Rezept ist Leben!“

Absam: Mag. Angelika Stegmayr (BILDUNG.gestalten/Diözese Innsbruck), DSBAA Petra Schuster (Seniorenheim St. Raphael GmbH), Mag. Werner Mühlböck, MBA (Tiroler Hospiz Gemeinschaft), Regina Stock (Erwachsenen Schule Absam), OA Dr. Markus Ringler (Palliativteam BKH Schwaz), Mag. Michael Weiskopf (Klinikseelsorge Innsbruck) – Foto: BILDUNG.gestalten

Innsbruck-Dreiheiligen: Mag. Angelika Stegmayr (BILDUNG.gestalten/Diözese Innsbruck), Dr. Christoph Gabl (Mobiles Palliativteam Tiroler Hospiz Gemeinschaft), Maria Dejean (Bildungswerk Dreiheiligen), Dr. Ivo Greiter (Rechtsanwalt und Buchautor), MMag. Dr. Hildegard Anegg (Krankenhausseelsorge Innsbruck), Mag. Margit Haider (Abteilung Erwachsene & Familien, Diözese Innsbruck), Hans Schermer (Seniorenheim Teresa) – BILDUNG.gestalten

Kooperation von Katholischem Bildungswerk Tirol, Tiroler Hospiz Gemeinschaft und Abteilung Erwachsene und Familien

Ermöglicht wurde die Veranstaltungsreihe „Assistierter Suizid – Reden wir darüber“ durch eine Kooperation vom Katholischen Bildungswerk Tirol, der Tiroler Hospiz Gemeinschaft und der Abteilung Erwachsene und Familien der Diözese Innsbruck. „Reden Sie über das Leben. Reden Sie über das Sterben. Zeigen Sie sich verletzlich!“, so die abschließenden Worte von Mag. Angelika Stegmayr, am Ende einer sehr erfolgreichen Veranstaltungsreihe.

Pfunds: Dr. Daniel Mederle (Krankenhaus St. Vinzenz Zams), Sr. Mag. Dr. Barbara Flad (Seelsorge Krankenhaus St. Vinzenz Zams), Anton Pircher (Seniorenzentrum Zams-Schönwies + Sozial- und Gesundheitssprengel Landeck-Zams-Fließ-Schönwies), Mag. Angelika Stegmayr (BILDUNG.gestalten/Diözese Innsbruck), Walter Immler (Bildungswerk Pfunds) – Foto: BILDUNG.gestalten