Aschermittwoch: Offizielle Eröffnung der Kunstinstallationen

Während der Fastenzeit sind in einigen Kirchen Innsbrucks Werke von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Die Werke laden ein, Fragen des Lebens und des Glaubens im Licht der Kunst zu reflektieren. Am Aschermittwoch wurden im Rahmen des traditionellen Gottesdienstes mit Aschenauflegung die Kunstinstallationen im Dom, in der Universitätskirche und in der Jesuitenkirche eröffnet.

Papst Franziskus hat das Jahr 2024 zum „Jahr des Gebetes“ erklärt. Die Kunstinstallationen der diesjährigen Fastenzeit folgen assoziativ diesem spirituellen Schwerpunkt. Sie reihen sich ein in die Tradition der mittelalterlichen Fastentücher, die auch in der Diözese Innsbruck seit vielen Jahren mit den Möglichkeiten zeitgenössischer Kunst zum Einsatz kommen. Alle gezeigten Kunstwerke (ausgenommen die Zeichnung von Rudolf Wach) befinden sich im Privatbesitz der Künstler. Sie wurden für eine temporäre Präsentation verliehen.

Im Innsbrucker Dom, in der Universitätskirche am Innrain und in der Jesuitenkirche bildete der traditionelle Aschermittwoch-Gottesdienst mit Aschenauflegung den feierlichen Rahmen für die Eröffnung der Kunstinstallationen. Im Dom zelebrierte Probst Florian Huber, in der Universitätskirche Bischof Hermann Glettler den Gottesdienst.

Bilder von den Gottesdiensten und von den Kunstobjekten finden Sie im Bilderbuch im Anschluss an die Meldung.

 

Herbert Brandl, o.T., 2007, Öl auf Leinwand, Servitenkirche 
Als Fastentuch in der Klosterkirche der Serviten ist ein überdimensioniertes Ölgemälde von Herbert Brandl zu sehen. Der international renommierte Maler liefert auf einer Bildfläche von ca. 20 Quadratmetern (!) ein bewegtes Farbenspiel, das den Betrachter in einen „Sog nach oben“ hineinnimmt – oder mit einem himmlischen Energieausstoß von oben herab überflutet. Das Bild des österreichischen Künstlers wirkt im Kirchenraum jedenfalls wie ein aufsteigendes Gebet inmitten unserer belasteten Zeit. Im Zusammenklang der kräftigen, fast beiläufig hingesetzten Pinselstriche in diversen Blautönen und Grau-Weiß-Abstufungen wird eine Dynamik freigesetzt, die den gesamten Kirchenraum in Schwingung versetzt. Erst auf den zweiten Blick sind im lichtvollen, luftigen Farbspiel dunkle Linien zu erkennen, die in der linken, oberen Bild-Ecke eine Kreuzform andeuten – eine Anspielung auf Caspar David Friedrichs „Kreuz im Gebirge“? Nur Romantik oder ein tatsächlicher Lichtblick für die Seele? Wir wissen es nicht. In jedem Fall ist das bewegende Bildwerk eine erfreuliche Auf-Schau-Hilfe, die uns allen guttut. 

 

Rudolf Wach, „Das Tor der zwei Hände“, 2010, Zeichnung auf Leinwand, Spitalskirche
In der „Kirche im Herzen der Stadt“ ist eine große Zeichnung (180 x 180 cm) von Rudolf Wach zu sehen. Der bekannte Tiroler Künstler, von dem auch das lange Zeit umstrittene Kreuz auf der Innbrücke stammt, wird heuer 90 Jahre alt. Auf der Zeichnung lassen sich zwei Hände erkennen, die mit den Fingern nach unten gerichtet sind. Dieses Motiv spielt im graphischen und skulpturalen Werk von Rudolf Wach eine große Rolle. Es meint eine Geste des Loslassens und des Behütens. Zugleich bilden die beiden Handflächen ein eigenartiges organisches Gebilde, das an zwei Lungenflügel denken lässt, vielleicht sogar an eine Herz-Form. Der Titel gibt an, dass die zwei Hände ein Tor öffnen würden. In der leichten Drehung der Handballen lässt sich dies tatsächlich erkennen. In jedem Fall finden sich in der feingliedrigen Zeichnung einige wertvolle Assoziationen zum spirituellen Schwerpunkt der diesjährigen Fastenzeit mit dem Thema „Beten – in der Schule der Hoffnung“: Beten ist nicht primär unser Tun, sondern ein Geschehen-Lassen. Es öffnet sich geheimnisvoll ein Raum, der dem Leben eine Tiefe und Weit verleiht.  

 

Henry Jesionka, Black Holes, 2017-2023, Metallscheibe, Universitätskirche
Der kanadische Künstler mit polnischer Abstammung, Henry Jesionka, regt mit einer zweiteiligen Installation den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Religion an. Vor dem barocken Bildnis des Hl. Johannes Nepomuk schwebt im Altarraum eine tiefschwarz beschichtete Metallschüssel – ein Hinweis auf das Phänomen der „Schwarzen Löcher“, die im Zentrum jeder Galaxie alle Energieflüsse und Gravitationskräfte zusammenhalten. Ihre Existenz führt zu einem ehrfürchtigen Staunen und dient zugleich als Metapher für eine spirituelle Reflexionen in der Fastenzeit. So z.B. müssen wir die Schattenseiten unserer Existenz wahrnehmen. Das Bildnis von Stephen Hawking (1942-2018) mit dem Titel „Black Holes“ im Eingangsbereich der Kirche ist darauf bezogen. Es zeigt den populären Physiker, der einen enormen Beitrag zur Erforschung des Universums und zum Verständnis von „Schwarzen Löchern“ leistete. Die ikonenhafte Darstellung ist ambivalent: Hawking steht für die genialsten Leistungen menschlicher Intelligenz und zugleich für deren Abgründe. U.a. wird mit dem Kupferemblem des geklonten Schafes Dolly und mit dem Hopfield-Netz (benannt nach dem amerikanischen Wissenschaftler John Hopfield, der das Modell 1982 bekannt machte) auf die problematischen Entwicklungen der Gentechnik und Künstlichen Intelligenz verwiesen. Nicht zu verschweigen ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung von Hawking in den Epstein-Dokumenten – auch wenn ihm in diesen Akten nie ein persönliches Fehlverhalten weder vorgeworfen noch nachgewiesen wurde. „Eingesackt“ in einem Mantel aus Blei sind vom extrem beeinträchtigten Körper des Physikers, der mithilfe eines Sprachcomputers kommunizierte, nur die Hände und das Gesicht sichtbar.  

 

Lois Anvidalfarei, „geköpft“, 2022, Bronzeguss, Innsbrucker Dom
Ein überdimensionaler Kopf aus Bronze, das Werk des Südtiroler Künstlers Lois Anvidalfarei, entstand in Auseinandersetzung mit dem Schicksal von P. Franz Reinisch. Der „Märtyrer des Gewissens“ wurde aufgrund seiner Weigerung, den Fahneneid auf Hitler abzulegen, am 22. August 1942 in Brandenburg an der Havel enthauptet. Der Pallottinerpater, der im Juni 1928 in der Propsteikirche St. Jakob zum Priester geweiht wurde, hat für seine Überzeugung buchstäblich seinen Kopf hingehalten. Die faszinierende Skulptur des Bildhauers Anvidalfarei ist nach ihrer Erstpräsentation in der Stadtpfarrkirche von Hall nun in der Fastenzeit 2024 im Innsbrucker Dom zu sehen – ganz zentral vor den Stufen zum Altar. Die Seligsprechung von P. Franz Reinisch steht unmittelbar bevor. 

 

Hans Seifert, „Kreuzweg – wegschauen? 8 Tafeln“, Öl auf Holz, Jesuitenkirche
In der Innsbrucker Jesuitenkirche, wo es keinen dauerhaften Kreuzweg gibt, laden acht Kreuztafeln des Tiroler Künstlers Hans Seifert in der Fastenzeit zu einer persönlichen Kreuzweg-Meditation ein. Die Tafeln zeigen Menschen, die - wie der Erlöser - ein Kreuz tragen.  Als “Kreuze der heutigen Zeit” regen die gleich großen, aber unterschiedlich geformten Kreuze zum Nachdenken über die gezeigten Themen an. Das Wegschauen erweist sich bestimmt nicht als der richtige Weg, wie es der Künstler selbst formuliert. 

 

Hans Seifert, "DENKPLATZ" – Trümmer- und Abbruchfeld, Vorplatz der Stiftskirche Wilten
Der Platz vor der Stiftskirche Wilten wird von Hans Seifert gestaltet zu einem Denkplatz. Damit lädt der Künstler ein, sich angesichts eines "Trümmer- und Abbruchfeldes" Gedanken zu machen über das eigene, bruchstückhafte Leben. Der Denkplatz ist ein interaktives Kunstprojekt, das zum Verweilen und persönlichen Werden einlädt.
Hinführung zum Kunstwerk im Rahmen einer Abendmesse am ersten Fastensonntag, 18. Februar um 19 Uhr mit Abt Leopold Baumberger und dem Künstler Hans Seifert. 

 

Klaus Giesriegl, "Balanced", Fastentuch in der Pfarrkirche Allerheiligen 

„Die Sichtweise, dass wir die Natur nicht als ein distanziertes Gegenüber haben, sondern dass wir selbst Teil der Natur sind, ist der inhaltliche Träger des Bildes", schreibt Klaus Giesrigl zu seinem Fastentuch. Dieses Eingebundensein gelinge dann, "wenn wir unser Handeln ausgewogen, mit Augenmaß betreiben, uns in Balance mit der Natur bringen. Die Hand auf dem Bild steht für unser Handeln, der Nagel als unser Werkzeug und das Ei, roh und zerbrechlich, kostbares Gut unserer Lebensgrundlage." Das Bild ist in der Scribbeling-Technik mit feinster Feder und Tusche gezeichnet. Das Moos aus dem Wald wird am Ende der Fastenzeit, nach Abbau des Bildes wieder dorthin zurückgeführt.