Armenier-Gedenken in Innsbruck

Die allgemeine Anerkennung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich ab 1915 hat der Patriarchaldelegat der armenisch-apostolischen Kirche für Mitteleuropa, Archimandrit P. Tiran Petrosyan, am Sonntag bei einer Göttlichen Liturgie im Inns...

Innsbruck, 25.4.2016 (KAP) Die allgemeine Anerkennung des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich ab 1915 hat der Patriarchaldelegat der armenisch-apostolischen Kirche für Mitteleuropa, Archimandrit P. Tiran Petrosyan, am Sonntag bei einer Göttlichen Liturgie im Innsbrucker Jakobsdom eingemahnt. Im Anschluss an die Liturgie wurde im Mariahilfpark der Tiroler Landeshauptstadt ein "Khatschkar" (Kreuzstein) zum Gedenken an die 1,5 Millionen Opfer des Genozids an den Armeniern in den Jahren 1915-1923 eingeweiht.
Anlass der armenischen Gedenkfeiern in Innsbruck war der 101. Jahrestag des Beginns des Völkermords an den Armeniern. Am 24. April 1915 hatten Einheiten der osmanischen Geheimpolizei in Konstantinopel hunderte armenische Honoratioren, darunter Politiker, Journalisten, Schriftsteller, Industrielle, Priester verhaftet und nach Anatolien deportiert, wo die meisten den Tod fanden.
"Leugnen oder Schweigen haben keine Zukunft", sagte Archimandrit Petrosyan bei dem Gedenkakt in Innsbruck und forderte "ein würdiges Erinnern an die schuldlosen armenischen Opfer in einer europäischen Kultur des Erinnerns". Die Verhinderung und Vermeidung von Genoziden beziehungsweise von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei eine der Schlüsselfragen der Gegenwart. Alle Staaten müssten dafür Verantwortung übernehmen und dürften diese Verantwortung "nicht ihren politischen und wirtschaftlichen Interessen oder auch Bündnisbeziehungen unterordnen".
Bis heute hätten 25 Staaten den Völkermord an den Armeniern anerkannt, erinnerte Petrosyan. Auch das österreichische Parlament habe im April 2015 die Massaker an den Armeniern ganz klar einen Völkermord genannt. Das Blut der schuldlosen Märtyrer und das Leid des armenischen Volkes würden weiterhin nach Gerechtigkeit schreien, aber ebenso die zerstörten Heiligtümer und die systematische Verfälschung der Geschichte, betonte der Patriarchaldelegat. Eine offizielle Anerkennung des Völkermords könne auch ein Zeichen der Wiedergutmachung und Versöhnung bedeuten. Dies gelte umso mehr deshalb, weil es in der Türkei von heute auf zivilgesellschaftlicher Basis deutliche Anzeichen der Bereitschaft gebe, "das schreiende Unrecht der Ereignisse ab 1915 anzuerkennen und zu bedauern".
An dem Gedenkakt in Innsbruck nahmen u.a. auch der armenische Botschafter in Österreich, Arman Kirakossian, und - in Vertretung der katholischen Kirche - der Innsbrucker Dompropst Florian Huber sowie die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Esther Fritsch, und prominente Repräsentanten der Innsbrucker Kommunalpolitik teil.
"Spirituelle und kulturelle Schätze vernichtet"
Patriarchaldelegat Petrosyan erinnerte daran, dass 1,5 Millionen Armenier den Mordaktionen, dem Hunger und den Krankheiten zum Opfer fielen, als man sie deportierte und sie zwang, in den Tod zu marschieren. Jahrhunderte der Kreativität seien zunichte gemacht, tausende Klöster und Kirchen entweiht und zerstört worden, ebenso Schulen und Bildungseinrichtungen. "Unsere spirituellen und kulturellen Schätze wurden vernichtet. Aus dem westlichen Armenien, wo unser Volk seit Jahrtausenden, seit den Zeiten Noahs, gelebt, seine Geschichte und Kultur aufgebaut hat, wurde die ursprüngliche Bevölkerung gewaltsam vertrieben", erinnerte Petrosyan.
Die Überbleibsel der armenischen Nation hätten im östlichen Teil Armeniens einen Überlebenskampf auf Leben und Tod auszufechten gehabt. Es sei aber zu einem "neuen Morgen" gekommen. In einem "kleinen, geretteten Teil des Vaterlandes" habe das armenische Volk seine Staatlichkeit wiederhergestellt, aus Ruinen und Überresten ein Land erstehen lassen und "eine Heimat des Lichtes und der Hoffnung, der Wissenschaft, der Bildung und Kultur aufgebaut". Es sei aber auch heute notwendig, sich an die Opfer zu erinnern, betonte der armenische Priester und zitierte Papst Franziskus: ''Wo es keine Erinnerung gibt, hält das Böse die Wunde weiter offen; das Böse zu verbergen oder zu leugnen, ist wie zuzulassen, dass eine Wunde ohne Behandlung weiterblutet!''
Armenier seit dem 17. Jahrhundert in Österreich
Seit dem 17. Jahrhundert leben Armenier in Österreich. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen zahlreiche Familien aus dem Osmanischen Reich nach Wien und in andere österreichische Städte. Der größte Zustrom von Armeniern nach Österreich war während der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre zu verzeichnen. Die Übersiedler stammten hauptsächlich aus dem Libanon und dem Iran, aufgrund der dortigen instabilen politischen Situation.
Die Armenier in Österreich haben zwei geistliche Mittelpunkte: Die Angehörigen der armenisch-apostolischen Kirche scharen sich um die in den sechziger Jahren erbaute Kirche St. Hripsime in Wien-Landstraße, die armenisch-katholischen Gläubigen um das am Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete Mechitharistenkloster in Wien-Neubau mit seinen kulturellen Schätzen. Seit 1984 gibt es im Innenhof der Kirche St. Hripsime ein Denkmal für die Opfer des Völkermords, seit dem Vorjahr gibt es auch im Garten des Mechitharistenklosters einen Khatschkar und Gedenkbäume zur Erinnerung an die 1,5 Millionen Toten des Völkermords. 

gedenkstein__dsc3729.jpg
Diözese Innsbruck - Aktuell