Appell an Politik: Weniger streiten, mehr zuhören
Bischof Hermann Glettler plädiert für ein besseres Zuhören und weniger Gereiztheit in Politik, Kirche und Gesellschaft. Der Innsbrucker Bischof ortet einen immer höheren Empörungspegel und eine "Beschleunigung, die wir nicht mehr schaffen". Daraus erwachse eine diffuse "Aggression auf das System", weil viele das Gefühl haben, nicht mehr gehört zu werden und abgehängt zu sein, sagte der Bischof am Mittwochabend im Wiener Figlhaus bei einem Podiumsgespräch zum Semesterstart der Akademie für Dialog und Evangelisation.
Diese Gereiztheit habe sich von der Gesellschaft auf Politik und bis in die Kirche ausgebreitet. In diesem "Modus der Aggression" gehe es nur noch darum, den anderen lächerlich und Ideen sofort zunichtezumachen. Papst Franziskus habe diesen Zugang, bei dem es nicht mehr um das Gestalten geht, als "ekelhaftes Gesicht der Politik" bezeichnet, so der Bischof.
Für Glettler braucht die Politik den Glauben, "weil uns viel mehr verbindet, als uns trennt". Der Glaube an die Vergebung sei die "schönste Kraft des Christentums", so der Bischof. "Wenn wir Unsicherheit und Versagen teilen, dann wirkt der Geist Gottes", zeigte er sich überzeugt: "Wenn ich sage, 'ich habe dir Leid zugefügt, es tut mir leid', fühlt sich das Gegenüber viel eher verstanden, als wenn ich nur aufzähle, was ich alles Tolles gemacht habe." Das ist für Glettler "gelebte Demut, das ist das Wirken des Heiligen Geistes".
Sich ansprechen lassen, "in Wahrnehmung und Resonanz kommen", das sei es auch, was Papst Franziskus sich von der Synode erhoffe. So habe Franziskus bei einem ökumenischen Gebet auf dem Petersplatz im Vorfeld der Synode ein über acht Minuten langes Schweigen gefordert. Dem Papst gehe es darum, wieder "ins Hören zu kommen", sich herausreißen zu lassen, dem Moment Raum zu geben und letztlich empathiefähig zu bleiben, so der Bischof.
Keine "sicheren Häfen mehr"
Davon, wie sich die politische Kultur verändert hat, berichtete die NGO-Gründerin ("Bauern helfen Bauern") und ehemalige ÖVP-Landespolitikerin in Salzburg, Doraja Eberle. Der heutige Umgang miteinander ist für sie "erschreckend", es gehe "heute nur noch um Bashing, wir können den anderen im Anderssein nicht mehr achten", das gelte nicht nur in der Politik, sondern für die Gesellschaft als Ganze.
Heute gäbe es keine "sicheren Häfen" mehr, es fehle an Vorbildern, "an Menschen, die Zuhören können, die Demut haben". Sie selbst sei manchmal in Sorge, die Empathie zu verlieren, so die Ex-Politikerin. Als Christin versuche sie, die Menschen nicht durch hochtrabende Reden, sondern durch ihr Tun zu berühren, so die NGO-Gründerin. Eberle ortet auch einen Mangel an Solidarität: "Wir trauen allen alles zu, Demokratie braucht aber vor allem Solidarität", schloss sie.
Die Akademie für Dialog und Evangelisation bietet im neuen Semester wieder unterschiedliche Lehrgänge an, darunter ein Leadership-Training, das Führungsqualität und christliche Werte kombinieren soll. Ziel der Akademie ist es, durch ihre Kurse und Veranstaltungen den Dialog von Menschen aller Weltanschauungen und Religionen zu fördern. (Info: https://akademie-wien.at/)
Eine Meldung von www.kathpress.at