Zur Debatte um das Kreuz im Klassenzimmer

Ein Beschluss des Tiroler Schülerparlaments, der an den Tiroler Landtag übermittelt wurde, sorgt für Diskussionen. Darin heißt es, es gelte "den Missstand mit den religiösen Symbolen zu beseitigen". Hier finden Sie Stellungnahmen und Argumente von kirchlicher Seite.

Ein Beschluss des Tiroler Schülerparlaments, der an den Tiroler Landtag übermittelt wurde, sorgt für Diskussionen. Darin heißt es, es gelte "den Missstand mit den religiösen Symbolen zu beseitigen". So ein Bericht in der Tiroler Tageszeitung von 3.3.2023. Bischof Hermann Glettler hat dazu wie folgt Stellung genommen:

„Ich verstehe einen wesentlichen Teil des Anliegens vom Tiroler Schülerparlament, dass sich nämlich in der Verwendung der Glaubens-Symbole im gemeinsamen Unterrichtsraum auch die religiös bunte Zusammensetzung einer Klasse spiegeln sollte. Gerne würde ich mit den jungen Leuten ausführlich und persönlich über die Verwendung religiöser Symbole in der Schule diskutieren. 

Mein Vorschlag lautet, dass Kinder einer nicht-christlichen Religion ebenso die Möglichkeit haben sollten, ihr religiöses Symbol im Klassenzimmer für alle sichtbar anzubringen. Das würde eine respektvolle Lernumgebung schaffen und für alle Beteiligten einladend wirken. Dem entgegen wäre das Entfernen aller religiösen Zeichen aus den Schulräumen eine mutwillig gesetzte Aktion, die eine geistige und spirituelle Verarmung zur Folge hätte. Sie entspricht außerdem nicht der gesellschaftlichen Realität, in der religiöse Fragestellungen in vielen Bereichen präsent sind. Wichtig ist, dass gerade in Schulklassen das Verständnis füreinander trainiert wird, um unterschiedliche Überzeugungen zu respektieren. Im Erlernen dieser Offenheit liegt ein wesentlicher Lernauftrag von Schule. 

Warum jedoch ein Kreuz im Klassenraum? Das Kreuz ist als Glaubens- und Hoffnungszeichen zutiefst in die Kultur unseres Landes eingeschrieben. Darüber hinaus sind die ausgestreckten Arme des Gekreuzigten eine Geste, dass Gott seinen Segen und seine Fürsorge allen Menschen anbietet. Und es ist Ausdruck christlicher Grundüberzeugung, dass der am Kreuz hingerichtete Jesus von Nazareth mit dem Einsatz seines Lebens jede noch so abgründige Bosheit und die gefährliche Gewaltspirale von Rache und Vergeltung überwunden hat. 

Das Kreuz ist das verlässliche Zeichen dafür, dass Versöhnung möglich ist und die Liebe stärker ist als jeglicher Hass. In jeder noch so verzweifelten Situation kann es einen Neuanfang geben. Mit dem anspruchsvollen christlichen Ursymbol haben wir Gottes Liebe vor Augen! Außerdem verbindet uns das Kreuz mit allen Menschen, die persönliches Leid zu ertragen haben - es ist kein Symbol der Sieger und Permanent-Erfolgreichen. Das Kreuz ist ein berührendes Bild solidarischer Verbundenheit mit allen, auch mit den unzähligen Gedemütigten und sozialen Verlierern unserer globalisierten Welt, inklusive der geschundenen Schöpfung. Nicht zuletzt ist das Kreuz in unserer belasteten Zeit eine Aufschau-Hilfe, eine Hoffnungsbrücke zwischen Erde und Himmel."

 

Bischöfliches Schulamt: Religiöse Symbole – in konstruktiven Austausch gehen

Aus dem bischöflichen Schulamt der Diözese Innsbruck heißt es: Kinder und Jugendliche sollen in der Schule – so ist es zumindest der gesetzliche Auftrag –  ganzheitliche Bildung erleben, und zwar in allen Bereichen, die für  ihr Leben und unsere Welt bedeutend sind. Sich damit auseinanderzusetzen, eine eigene Meinung zu entwickeln, argumentieren zu lernen – das alles geschieht grundlegend in der Schule.

Symbole, Religionen, Weltanschauungen sind ein wichtiger Teil unserer Lebenswirklichkeit. Sie dürfen, ja sie sollen im schulischen Umfeld sichtbar sein. Damit sind sie Gegenstand von Diskussion und von Argumentation. Das ist ein wesentliches Ziel von ganzheitlicher Bildung: Die Vielfalt von Lebensentwürfen und Lebensdeutungen sichtbar zu haben und den Diskurs untereinander zu lernen. Daher ist zu wünschen, dass alle Religionen und Weltanschauungen, die in einer Klasse vertreten sind, präsent sein können und damit nicht verschämt privat gehalten werden müssen. Nur dann ist es möglich, einerseits die eigene Herkunft und Position zu reflektieren, andererseits das Leben in einer multireligiösen und vielfältigen Gesellschaft einzuüben und in einen konstruktiven Austausch zu gehen, gegenseitiges Verständnis und Toleranz einzuüben.

Über die Frage von Religion nicht zu reden, die Sichtbarkeit von Symbolen aus dem öffentlichen Raum der Schule zu verbannen, heißt nicht, dass sie nicht wirksam sind. Religion ist dann verdrängt und nicht mehr diskutierbar.

Das bedeutendste christliche Symbol ist das Kreuz.
Es ist zunächst ein archetypisches Menschheitssymbol und steht für die Verbindung von Himmel und Erde, von der horizontalen und der vertikalen Linie. Das Kreuz ist jedem Menschen eingeschrieben, von Kopf bis Fuß und in die ausgebreiteten Arme. Für Christinnen und Christen ist es zudem das Symbol der endgültigen Erlösung, der Ort, an dem Jesus Christus alles Leid durchgestanden und alle menschlichen Grenzen überwunden hat und der Schuld, der Bosheit und dem Tod eben nicht das letzte Wort lässt. Damit ist das Kreuz für Christinnen und Christen das Hoffnungszeichen schlechthin.
Darüber zu reden, das soll in der Schule geschehen. Und über alle anderen Religionen und Weltanschauungen ebenso. Dann sind wir auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die Vielfalt leben und schätzen kann. 

Maria Plankensteiner-Spiegel 

 

Schlussendlich der Rausschmiss?  - Gedanken zum Kreuz                                                                    

Es ist wohl mehr als drei Generationen her, dass eine Amraser Bäuerin, Mutter von acht Kindern, beim Gauleiter Hofer vorstellig wurde und von ihm forderte, die Kreuze in der Schule wieder aufhängen zu lassen. Todesmutig stellte sie sich der kirchenfeindlichen Nazi-Willkür entgegen –
und war erfolgreich. Der Gauleiter wollte die fromme, starke Frau zunächst mit dem Satz wegschicken: „Was wollen Sie denn, das ist doch nur ein Symbol!“ Das quittierte die selbstbewusste Christin mit einem Fingerzeig aufs Hitlerbild und erwiderte: „ …und das ist auch nur ein Symbol!“ 

Nun also sollte das Symbol des Christentums – wenn es dem Schülerparlament nach geht – aus den Klassenzimmern verschwinden: „Raus damit, Kruzifix nochmal!“ Mit Verständnis für den radikalen Gerechtigkeitssinn der Schülerinnen und bereit zum Gespräch, bin ich doch erschrocken über die vehemente Eingabe und die Wortwahl. Als wäre die Verbannung des Kreuzes und aller anderen Symbole von Religionen ein Akt der Befreiung. Es ist mir nicht danach, einer „guten, alten Zeit“ das Wort zu reden, die es nie gegeben hat. Aber als Mann der Kirche muss ich mich und so viele von uns fragen: Wie können wir die Versäumnisse, Fehler und Unglaubwürdigkeit benennen und wieder gut machen, damit der, der da am Kreuz hängt nicht rausfliegt. Rausfliegt, um einer Gerechtigkeit willen, für die Jesus sich ans Kreuz schlagen ließ. Nicht um Schule, Gesellschaft oder Menschen ans Kreuz zu bringen, sondern um sie vom Kreuz zu befreien, starb doch der Eine für die Vielen.

Das Kreuz sollte Symbol und Hilfestellung dafür sein, einander nicht zu verurteilen oder zu „kreuzigen“. Das Schülerparlament versetzt mir eine geistig-geistliche Ohrfeige und macht überdeutlich, wie wenig es uns gelungen ist, die christliche Botschaft in den letzten Jahrzehnten erlebbar und als wichtig erfahrbar zu machen. „Raus damit, Kruzifix nochmal!“ Das ist ein echtes Thema in dieser Fastenzeit und sollte die Alarmglocken schrillen lassen, bei allen, die sich das Christ-Sein, die Menschlichkeit und Freiheit zum Lebensmotto gemacht haben und besonders in den Büros und Arbeitsrunden der BotschafterInnen des Glaubens: Wenn die Orientierungshilfe „Kreuz“ und damit der christliche Glaube nicht den gesellschaftlichen Rausschmiss erleiden sollen, sind höchste Bereitschaft zum Dialog, zur Wahrnehmung der Wirklichkeit und eine transparenteGlaubwürdigkeit die Mindestforderungen.

Das zumindest sind wir – um Jesu Christi Willen - den jungen Leuten schuldig!

Martin Frank Riederer, Seelsorger 

 

Nur ein Stück Holz?

Kevin war mit seinem Großvater unterwegs. Es war für ihn einer der schönsten Winterspaziergänge, an die er sich erinnerte. Die Wege waren teilweise mit Krusten von Schnee und Eis bedeckt. Der alte Herr kam dennoch mit seinem Holzstock recht sicher voran. Kevin tanzte und rutschte vor Freude dahin. Als sie am zugefrorenen See vorbeikamen, war der Kleine kaum noch zu bändigen: „Ich laufe hinaus auf den See“, rief er dem Großvater zu. „Nein, das ist zu gefährlich, das Eis wird nicht halten!“ Aber die Mahnung des Großvaters erreichte den umtriebigen Kerl nicht mehr. Schon war er mit fröhlichen Eislaufschritten auf dem See.

Plötzlich krachte es und die vorhergesagte Katastrophe trat ein. „Hilfe, Hilfe!“ Der alte Herr mühte sich zum Ufer des Sees, um Kevin, sein im Eiswasser zappelndes Enkelkind, zu retten. Er reichte ihm seinen Holzstock und zog ihn mit größter Mühe heraus. Alles schien geglückt zu sein, doch leider verkühlte sich der Großvater bei dieser Aktion recht schwer und musste am nächsten Tag wegen einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Tragischer Weise erholte er sich von dieser gefährlichen Verkühlung nicht mehr und verstarb. Große Trauer und wie so üblich, musste nach einiger Zeit das Zimmer des Verstorbenen geräumt werden. Als nun auch der Gehstock auf den Container der hinterbliebenen Dinge landete, die einfach entsorgt werden sollten, schrie der kleine Kevin: „Nein, bitte nicht! Ich will diesen Stock haben!“ Seine Mutter entgegnete ihm: „Warum denn? Es ist doch nur ein Stück Holz!“ Aber der Kleine widersetzte sich ihr und sagte: „Nein, für mich ist es viel mehr. Immer wenn ich diesen Holzstock sehe, weiß ich, was der Großvater für mich getan hat.“

(Quelle unbekannt, von Bischof H. Glettler neu aufgeschrieben)

 

Angebote für Beratung und Begleitung durch Kirchliche Pädagogische Hochschule Edith Stein

Die Kirchliche Pädagogische Hochschule Edith Stein bietet Schulgemeinschaften Beratung und Begleitung in dieser und ähnlichen Fragen an. Schulteams können sich für eine Veranstaltung melden, in der wesentliche Fragen gemeinsam bearbeitet werden, z.B.:

  • Wie nehmen wir an unserer Schule religiöse und kulturelle Verschiedenheiten wahr, wie zeigen wir sie und was fehlt?
  • Wie können wir die religiöse Vielfalt an unserer Schule gemeinschaftsfördernd sichtbar machen und bearbeiten?
  • Wie ermöglichen wir bei Veranstaltungen und feiern die aktive Beteiligung aller Weltanschauungen?

Nähere Informationen finden Sie etwa hier:

https://www.kph-es.at/fileadmin/user_upload/Beratung_an_Schulen.pdf 

 

Katholische Aktion für Verbleib von Kreuzen in Klassenzimmern

Innsbruck, 12.3.2023 (KAP) Für die Beibehaltung der Kreuze in den Klassenzimmern hat sich die Katholische Aktion der Diözese Innsbruck ausgesprochen. Der Tiroler KA-Vorsitzende Klaus Heidegger hob in einem Gastbeitrag in der "Tiroler Tageszeitung" (Sonntag) hervor, "dass das Kreuz in Klassenzimmern nicht ein kirchliches Herrschaftszeichen ist, sondern vielmehr universales Symbol mit vielfach positiver Bedeutsamkeit". Heidegger ist selbst Religionslehrer.  
Für viele Schülerinnen und Schüler stelle das Kreuz eine Bestärkung dar, berichtete Heidegger aus eigenen Erfahrungen. Ebenso sei es ein Hoffnungszeichen, "weil es an Jesus und seine Botschaft des Gewaltverzichts erinnern kann". Auch im Gespräch mit muslimischen Schülerinnen und Schülern hätten diese widersprochen, dass man ihnen damit ein christliches Symbol aufdrängen wolle. Jesus spiele auch im Islam eine wesentliche Rolle.
Heidegger: "Wir reden dann über Länder, in denen der Muezzin lautstark mehrmals am Tag vom Minarett ruft, Frauen aber verfolgt werden, wenn sie die strengen Bekleidungsvorschriften nicht exakt einhalten, während zugleich selbst individuell ein Kreuzchen an der Halskette Verfolgung bedeuten würde. Wir können dankbar sein, dass ein Kreuz in öffentlichen Räumen auch Ausdruck von Religionsfreiheit sein darf. "
Die Diskussion um Kreuze in Schulklassen wurde vom Tiroler Schülerparlament angestoßen. Das aus den Tiroler Schulsprechern und den Landesschülervertretern bestehende Gremium hatte Ende Februar vom Tiroler Landtag die Präsenz von Kreuzen in den Klassenräumen als "Missstand" bezeichnet. Sofern die jeweilige Klasse nicht einstimmig die Aufhängung eines religiösen Symbols verlange, sollte dieses entfernt werden, so die Forderung. Erst so werde die gebotene "Neutralität" in den Schulklassen gewahrt und alle Religionen würden gleich wertgeschätzt.
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler hatte sich infolge für die Beibehaltung von Kreuzen in Schulklassen und deren Ergänzung um andere religiöse Symbole entsprechend der Glaubensüberzeugung der jeweiligen Schülerinnen und Schüler ausgesprochen. Würden alle religiöse Zeichen aus Schulräumen entfernt, so wäre dies eine "mutwillig gesetzte Aktion, die eine geistige und spirituelle Verarmung zur Folge hätte", erklärte der Bischof in einer Stellungnahme. Schulräume ohne religiöse Zeichen widersprächen zudem der gesellschaftlichen Realität, "in der religiöse Fragestellungen in vielen Bereichen präsent sind". 

Dieser Beitrag wird in Folge mit weiteren Statements und Expertisen ergänzt! 

Zur Debatte um das Kreuz im Klassenzimmer
Das Kreuz ist ein berührendes Bild solidarischer Verbundenheit mit allen. Bild: pixabay