Von der Mauer zum Korridor

Bis Ende September 2019 ist vor und in der Spitalskirche in Innsbruck eine Kunstinstallation des Kramsacher Künstlers Alois Schild zu sehen.

Bis Ende September sind vor und in der Innsbrucker Spitalskirche Objekte des Tiroler Künstlers Alois Schild zu sehen. Die Kunstinstallation auf Initiative von Kirchenrektor Jakob Bürgler macht einerseits die Abschottungspolitik gegenüber Menschen auf der Flucht und die Radikalisierung der Gesellschaft zum Thema, hält zugleich aber die Hoffnung auf die Überwindung von Spaltung und Ausgrenzung aufrecht. Die beiden Kunstobjekte wurden am Montag, 5. August, bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Um 18 Uhr wird die Ausstellung mit einer kleinen Feier in der Spitalskirche offiziell eröffnet.

 

Vor der Kirche: Ein Prototyp der Mauer 

Acht Meter ragt vor der Spitalskirche in minimalem Abstand zur barocken Kirchenfassade eine Stahlskulptur in die Höhe. „Prototyp der neuen Dimension“ ist eine Anspielung auf die von US-Präsident Donald Trump in Auftrag gegebene Prototyp für den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko. Mit diesem Objekt holt der Künstler einen Brennpunkt des aktuellen weltpolitischen Geschehens nach Innsbruck. Die im Originalmaßstab errichtete Skulptur mache „die Wucht und Aggressivität, die von diesen Trennungselementen ausgehen, für Passanten und Besucher direkt erlebbar“, so Künstler Alois Schild. Die für den Endausbau der Mauer benötigten 2,5 Millionen Tonnen Stahl und 12 Millionen Tonnen Beton werden im kleinen Maßstab in der Skulptur, die auf einem Betonsockel steht, sichtbar. „Unweigerlich stellt sich die Frage, ob diverse enormen materiellen Ressourcen nicht besser für Bildung, Umwelt, Soziales, Kunst, Kultur und Wissenschaft verwendet wären?“, so Schild.

 

In der Kirche: Ein Korridor der Barmherzigkeit 

Die Installation im Mittelgang der Spitalskirche ist als zwölf Meter langer Korridor aus Maschendrahtzaun gestaltet, der von den Besuchern durchschritten werden kann. Am Maschendraht fixiert sind 17 abstrakte Figuren, die vor drei Jahren vom Künstler zusammen mit Flüchtlingskindern gestaltet wurden. Die Kinder haben darin Materialien und Objekte aus ihren Herkunftsländern und Gegenstände aus Tirol verarbeitet. Mit Klebeband umwickelt und geformt sind sie als eine Art „Zeitkapsel“ bewahrt und werden immer wieder weiter verwendet, so Schild. Zur Gelegenheit für die Ausstellung der Installation in der Kirche meint Schild: „Ein Kirchenraum ist ein besonders geeigneter Ort für die Präsentation und die Auseinandersetzung mittels eines Kunstwerkes über die zunehmende Ausgrenzung und die fortschreitende Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft. Der Dialog der beiden Kunstobjekte vor der Kirche und in der Kirche ist ein Spiegelbild von einerseits leider geschaffenen politischen Tatsachen und als Gegenpol, der Hoffnung auf mutige und tatkräftige zivilgesellschaftliche Entgegnung und Veränderung.

 

Jakob Bürgler: „Ein Signal für die Zeit des Wahlkampfs vor der Nationalratswahl“. 

Für Jakob Bürgler, Rektor der Spitalskirche und Bischofsvikar für Missionarische Pastoral, enthält die Kunstinstallation eine wichtige Botschaft: „Wer Christ, wer Christin ist, hat die Pflicht, alles zu tun, Mauern unnötig zu machen und stattdessen Korridore der Barmherzigkeit zu bauen.“ Bürgler erinnert an den Fall der Berliner Mauer und den Fall des Eisernen Vorhangs. „Heute werden wieder Mauern und Zäune gebaut. Bei aller Hilflosigkeit manchen Entwicklungen der Welt gegenüber spüren wir doch im Innersten: Das kann die Lösung nicht sein“, so Bürgler. Die Installation stehe in der der Zeit des Wahlkampfs vor der Nationalratswahl als deutliches Signal in der Spitalskirche: „Bauen wir Mauern oder bauen wir Brücken?“

 

Bürgermeister Georg Willi: „Wir verlernen, einander offen und vertrauensvoll zu begegnen.“ 

Auf den Mauerbau, der in den Köpfen vieler Menschen auch in Europa vor sich gehe, weist der Bürgermeister von Innsbruck, Georg Willi, hin. „Wir übersehen dabei, wie sehr dieser neue Mauerbau an den Grundsätzen der Demokratie, an der Europäischen Friedensordnung und an den Menschenrechten rüttelt“, so Willi: „Diese Mauern trennen, sie spalten uns aber auch im Inneren und wir verlernen, Brücken zu bauen und aufeinander zuzugehen.“ Neben der Kunst sei es immer wieder auch die Kirche, die daran erinnere, „Brücken und nicht Mauern zu bauen“, so der Bürgermeister.

 

Bischof Glettler: „Eine dringliche Einladung zum Nachdenken“ 

Die Kunstinstallation von Alois Schild sei eine „dringliche Einladung zum Nachdenken“, meint Bischof Hermann Glettler angesichts des eng an der Kirchenfassade errichteten Mauersegments. „Es braucht dringend eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse derer, die sich gegen Verdrängung, gegen das „an die Wand gefahren werden“ nicht wehren können“, sagt Glettler. „Wir alle haben den Auftrag, einander Lebensmöglichkeiten und Lebenschancen offen zu halten und nicht zu verunmöglichen.“

Die Maschendraht-Installation in der Kirche wiederum sei „ein Appell, unser Zusammenleben nicht auf Angst voreinander aufzubauen. Wir müssen alles unternehmen, um Zonen der Begegnung zu schaffen und einander von Mensch zu Mensch zu begegnen.“ Der durch die Installation geschaffene Korridor sei wie eine „Rettungsgasse, die auf den Altar zuführt, genau dorthin, wo Tod und Auferstehung gefeiert werden“. Die Kunstinterventionen von Alois Schild, so Glettler, stellen „einen starken Anspruch. Mit Sicherheit wollen sie unsere Vorstellungskraft und Sprache zu einem Plus an Menschlichkeit inspirieren.“ Es erfülle ihn mit Freude, „wenn wir als gastgebende Kirche dazu einen glaubwürdigen Beitrag leisten können".