„Theologie im Gespräch": Hätte Jesus geklebt?

Die drohende globale ökologische Katastrophe fordert eine umfassende Transformation unseres Lebensstils. Ob man dafür zum „Klimakleber“ werden muss und ob Jesus das getan hätte, wurde bei „Theologie im Gespräch – Schaffen wir die ökologische Wende?“ in Innsbruck ausführlich debattiert.

Sich mehrende Naturkatastrophen, Gletscherschwund, sinkende Artenvielfalt sind nur einige Zeichen der sich anbahnenden globalen ökologischen Katastrophe. Die Lebensform des modernen Menschen zerstört den Lebensraum Erde, das gemeinsame Haus. Können die Wissenschaften und darin besonders die Theologie einen Beitrag leisten, diese Katastrophe noch abzuwenden oder abzumildern? Dieser Frage widmete sich die erste Ausgabe des neuen Formats „Theologie im Gespräch“ an der Katholisch-theologischen Fakultät Innsbruck am 23. April 2024. Gut 100 Teilnehmer:innen folgten den Vorträgen und Diskussionen.

 

Dekan und Sozialethiker Wilhelm Guggenberger, die Umweltökonomin Elisabeth Gsottbauer (Innsbruck/London/Cambridge) und der Bildungswissenschaftler Lars Keller (Innsbruck) reflektieren die wissenschaftlichen Aspekte, wie die ökologische Wende zu schaffen wäre. Die diözesane Umweltreferentin Daniela Soier stellte ausgewählte Praxisbeispiele vor. Der Aktivist, Sozialethiker und Jesuit Jörg Alt plädierte für kirchlichen Mut zum zivilen Widerstand angesichts der Untätigkeit der Politik. Ob sich Jesus dafür angeklebt hätte?

 

Den Graben überspringen: Vom Wissen zum Handeln 

In seinem Eröffnungsbeitrag sprach Dekan Guggenberger über das positive Potenzial von Glauben in Wandlungsprozessen. Glaube kann den Graben zwischen „Wissen“ und tatsächlichem „Handeln“ überbrücken, da er hilft auch angesichts großen Widerstands durchzuhalten. „Gottesglaube ermöglicht ein Handeln, das weiß, es auf mich ankommt, aber nicht alles von mir abhängt. Ein Handeln, das hofft, dass nicht alles verloren ist, auch wenn wir mit unseren Bemühungen scheitern“, so Guggenberger.

 

Freiwilligkeit ist nicht genug: Umweltökonomin plädiert für effektive Co2-Steuer 

Umweltökonomin Elisabeth Gsottbauer stellte mehrere Studien vor, wie Menschen zu einem klimafreundlichen Handeln motiviert werden können. Ihre Schlussfolgerung: Freiwillige Verhaltensänderungen sind nicht genug um die ökologische Krise zu bewältigen. Es braucht intensive Bildungsarbeit, eine Reflexion unserer sozialen Normen und vor allem eine ausreichend hohe, global abgestimmte Co2-Steuer. Schweden sei das Erfolgsbeispiel für diese Steuer. 1991 wurde dort eine CO2-Steuer von 130 US-Dollar / Tonne eingeführt. Die Emissionen sind seither um 27 Prozent gesunken, während das Brutto-Inlands-Produkt, ein wichtiger Wohlstandsfaktor, weiter gestiegen ist. Die CO2-Steuer in Österreich liegt derzeit bei gerade 40 US-Dollar / Tonne. Unter anderem verhindern Industrie-Lobbyisten und Wahlzuckerl eine effektive Besteuerung.

 

Der Innsbrucker Bildungswissenschaftler und Geograph Lars Keller unterstrich die Bedeutung einer aktiven Bildung für nachhaltige Entwicklung, insbesondere in Schulen. Er beklagte, dass junge Lehrer:innen oft nicht ernst genommen würden, wenn sie mit frischen Ideen an die Schulen kämen.

 

Diözese Innsbruck setzt Impulse: Neuer Nachhaltigkeitspreis 

Die diözesane Nachhaltigkeitsreferentin Daniela Soier präsentierte ausgewählte Projekte aus der Diözese, die Schritt für Schritt zu einem ökologischeren Lebensstil führen sollen. Darunter neue Photovoltaikanlagen, die Förderung von Biodiversität in den Pfarren oder nachhaltiges Catering bei Veranstaltungen. Bischof Hermann Glettler verkündete bei dieser Gelegenheit den „Pfarrer Karlheinz Baumgartner Nachhaltigkeitspreis“, der ab 2024 im 5-Jahresrhytmus vergeben werden wird. Die Ausschreibung des mit 5000 Euro dotierten Preises wird in diesen Tagen starten. Die Diözese Innsbruck informiert ausführlich darüber.

 

Jörg Alt: Jesus hätte geklebt! 

Den Abschluss des Tages bestritt der Jesuit und Klimaaktivist Jörg Alt. Wenn niemand zuhöre und entsprechend handle, dann sei ziviler Widerstand notwendig, „dann kommen wir zum Straßenkleben“. „Ich bin überzeugt davon, dass sich Jesus auf die Straße geklebt hätte, weil ihm das Leid und die Not im Globalen Süden wichtiger gewesen wären als das 30minütige Leid der deutschen Autofahrer“, sagte Alt. Ziviler Widerstand gegen Zerstörung und Ungerechtigkeit sei theologisch zu legitimieren, biblisch tief verankert, eine prophetische Aufgabe. Zwei Leitfragen seien theologisch entscheidend: Wer ist heute „wie Gott“? Was ist des Menschen wahres Glück?

 

Im Angesicht zahlreicher laufender Klagen gegen Klimaaktivist:innen, darunter auch ihn selber, mahnte Pater Alt: „Wir müssen die Täter der fossilen Zerstörung anklagen, nicht die, die zivilen Widerstand gegen die Zerstörung leisten!“, und erhielt dafür großen Beifall. Der Kirche stellte Alt ein ambivalentes Zeugnis aus. Viele ehemals kirchlich engagierte Jugendliche hätten sich von der Kirche enttäuscht abgewandt, weil sie zu wenig Unterstützung für ihre Generation sehen. Aber Kirche müsse öffentlich klar Stellung beziehen gegen mächtige Interessensgruppen, die eine aktive Klimapolitik verhindern und mutig auftreten, um der nächsten Generation noch ein Leben zu ermöglichen.

„Theologie im Gespräch": Hätte Jesus geklebt?
Dr. Elisabeth Gsottbauer, MMag. Daniela Soier, Bischof Hermann Glettler, Moderator Dr. Johannes Panhofer, Vizerektorin Dr. Irene Häntschel-Erhart, Univ.-Prof. Dr. Lars Keller (v.l.) - Foto: Katholisch-theologische Fakultät/Michaela Quast-Neulinger