Tagung: Experte warnt vor assistiertem Suizid im Gefängnis

Jahrestagung der Gefängnisseelsorger in Matrei/Brenner ging u.a. mit Blick auf bedenkliche Entwicklungen in der Schweiz zu Ende

Mit einem Gottesdienst ist am Freitag die 66. Jahrestagung der österreichischen, bayrischen und Schweizer Gefängnisseelsorger im Bildungshaus St. Michael in Matrei am Brenner zu Ende gegangen. Die Jahrestagung stand unter dem Generalthema "Schuld und Vergebung". Christian Kuhn, Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Gefangenenhausseelsorger Österreichs", zog gegenüber Kathpress ein positives Resümee und sprach von einer Ermutigung, Versöhnung und Vergebung künftig noch stärker in der Gefängnisseelsorge in den Blick zu nehmen - auch wenn die Möglichkeiten freilich begrenzt seien. 

Große Sorgen bereite ihm hingegen eine Entwicklung in der Schweiz, die auf der Tagung intensiv diskutiert wurde: Assistierter Suizid soll auch im Gefängnis möglich sein. "Das ist absolut inakzeptabel und unvorstellbar", so Kuhn. Im Blick auf Österreich rief er dazu auf, den Anfängen zu wehren.

In der Schweiz ist das freilich durchaus vorstellbar, wie die beiden Vorsitzenden des Schweizer Vereins für Gefängnisseelsorge, Alfredo Diez und Andreas Beerli berichteten. In den Kantonen würden dazu bereits sehr konkrete Überlegungen angestellt, in die alle möglichen Stellen involviert seien, nur die Gefängnisseelsorge habe man außen vor gelassen, wie Diez am Rande der Tagung gegenüber Kathpress berichtete. Deshalb sei die Gefängnisseelsorge von sich aus aktiv geworden und habe eine Broschüre erarbeitet, in der Argumente gegen einen solchen assistierten Suizid angeführt werden.

Es sei mehr als zweifelhaft, ob ein Insasse tatsächlich frei entscheiden könne, dass er seinem Leben ein Ende machen will, so Diez. Die Lebensbedingungen im Gefängnis würden sich grundlegend von jenen außerhalb unterscheiden. Diez sprach von einem "Ausnahmezustand". Tiefgehende existenzielle Krisen würden keine freie rationale Entscheidung zulassen. Wünsche nach Suizid seien Hinweise auf große Not und Verzweiflung. Besonders virulent sie dies bei der vulnerabelsten Gruppe im Gefängnis; jene mit lebenslänglichen Freiheitsstrafen oder jene im Maßnahmenvollzug bzw. in den Verwahrung. Hier brauche es u.a. besondere seelsorgliche Aufmerksamkeit und Begleitung.

Assistierter Suizid im Gefängnis wäre zudem eine unerträgliche Bürde für das Personal wie auch die Mitinsassen, so Andreas Beerli, der noch auf einen weiteren Aspekt hinwies. So stelle sich die Frage, ob sich jemand mit dem assistierten Suizid nicht auch seiner Strafe - verstanden als Sühne für seine Taten - entziehen könnte.

Auch Blick auf andere Kulturen
An der Tagung im Matrei/Brenner nahmen knapp 50 Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie Experten aus verschiedenen Disziplinen teil. Die Hauptvorträge hielten der Feldkircher Bischof Benno Elbs ("Von der Kraft der Versöhnung") und der Innsbrucker Rechtsphilosoph Karl Heinz Auer ("Keine Strafe ohne Schuld. Schuld als Angelpunkt des Strafrechts"). Der evangelische Pfarrer und Gefängnisseelsorger Klaus Niederwimmer referierte zum Theme "Vergebung am Sterbebett", der Leiter der Gefangenen-Seeelsorge der Diözese Innsbruck, Andreas Liebl, unternahm eine "Historische Sicht auf Schuld und Versöhnung". 

Schließlich wurden auch Erfahrungen aus anderen Kulturen reflektiert. Die Tiroler Psychiaterin Karin Kramer-Reinstadler berichtete über Hawaii ("Hooponopono"/"In Ordnung bringen") und Christian Kuhn über "Versöhnung in Ruanda". Eröffnet wurde die Tagung am vergangenen Montag mit einer ökumenischen Vesper, an der auch der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler teilnahm.

Die nächste Jahrestagung der deutschsprachigen Gefängnisseelsorge findet im Juni 2022 in Passau statt.

 

Eine Meldung von www.kathpress.at