Symposium zur Gewalfreiheit in Innsbruck

Er zählt zu den herausragenden Friedensgestalten des 20. Jahrhunderts: Jean Goss, dessen Geburtstag sich heuer zum 100. Mal jährt. Das Haus der Begegnung lädt am 8. und 9. Juni zu einem Symposium über Jean Goss und seine Friedensarbeit ein.

Er zählt zu den herausragenden Friedensgestalten des 20. Jahrhunderts: Jean Goss, dessen Geburtstag sich heuer zum 100. Mal jährt. Das Haus der Begegnung lädt am 8. und 9. Juni zu einem Symposium über Jean Goss und seine Friedensarbeit ein. 

"Jean Goss - ein Leben für die Gewaltfreiheit", so lautet der Titel der zweitägigen Veranstaltung, die vom Internationalen Versöhnungsbund organisiert wird. In diesem Rahmen wird auch das neue Buch "Jean Goss - Mystiker und Zeuge der Gewaltfreiheit" vorgestellt, das Goss' Witwe gemeinsam mit Jo Hanssens von der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" jetzt im Patmos-Verlag herausbrachte. Der Band zeichnet das Leben und Wirken des vor 100 Jahren geborenen Goss nach und zeigt auch auf, welche spirituellen Grundlagen sein Engagement hatte.
 
Jean Goss habe gezeigt, "dass christliche Nächstenliebe aus dem Geist der Bergpredigt keine politische Utopie bleiben muss", sagt Kardinal Schönborn über Jean Goss. Auch Feindesliebe sei bei ihm konkret geworden. Seine Erfahrungen in deutscher Kriegsgefangenschaft hätten ihn zum christlich motivierten Einsatz für Gewaltfreiheit geführt. Jesus sei für ihn dabei letzter Maßstab gewesen, an dessen Beispiel Gewaltlosigkeit am besten und tiefsten erkennbar seien, so Schönborn.
 
"Bis heute geschichtswirksam"
Die 1930 geborene Hildegard Goss-Mayr, Witwe von Jean Goss, weist in einem  Beitrag in den "ksoe-Nachrichten" darauf hin, dass der gewaltfreie Widerstand eines Lech Walesa, Vaclav Havel oder der DDR-Christen "über Europa hinaus bis heute geschichtswirksam" sei. Sie nannte als Beispiele u.a. Aung San Suu Kyi in Burma, die "People Power"-Revolution auf den Philippinen oder den von Erzbischof Tutu und Nelson Mandela inspirierten Widerstand gegen das Apartheid-Regime Südafrikas. Hinter diesen Beispielen steht nach Überzeugung Goss-Mayrs eine geistige Revolution: "die Umkehr von Gewaltgläubigkeit und Machtstreben zur Haltung und Praxis der Gewaltfreiheit in der Nachfolge von Jesus, Gandhi, Buddha und anderen". Neue Formen von Gewalt durch Öko-Katastrophen, ideologische Radikalisierung oder Aufrüstung dürfe nicht zu Resignation führen. Auch in Österreich gebe es "bescheidene, doch wirksame Friedensinitiativen". Goss-Mayr nannte die vom Versöhnungsbund in Kooperation mit lokalen Partnern geleistete Versöhnungsarbeit am Westbalkan und an vielen Schulen umgesetzte Friedenserziehungsprojekte anlässlich der Friedensdekade 2001-2010.
 
Ein Leben im Einsatz für den Frieden
Jean Goss wurde am 20. November 1912 in Caluire bei Lyon als ältestes von fünf Kindern geboren. Schon als Zwölfjähriger musste er mit Gelegenheitsjobs zum Familieneinkommen beitragen. Als Teenager engagierte er sich innerhalb der Gewerkschaftsbewegung, eine feste Stelle bei einer Eisenbahngesellschaft, der späteren SNCF, bekam er erst 1937. Seinen Militärdienst leistete Jean Goss ab 1939 in der Überzeugung, dass Hitler und das Dritte Reich dämonische Mächte seien. Für seine Tapferkeit im Kampf wurde er mit einem Orden ausgezeichnet, geriet aber bald in Kriegsgefangenschaft. Durch ein für ihn einschneidendes spirituelles Erlebnis der Liebe Gottes wurde ihm klar, dass er als Soldat Hitler nicht beseitigen konnte, sondern nur Menschen tötete, die den Krieg genauso wenig gewollt hatten wie er selbst.
 
Diese Erkenntnis und deren Weitergabe wurden sein Lebensthema. Schon in der Kriegsgefangenschaft trat er mutig für seine Überzeugung ein, wurde zum Tode verurteilt und vom Lagerleiter nur unter Einsatz des eigenen Lebens - er versteckte Goss bei einem deutschen Pfarrer - vor der Hinrichtung bewahrt. Nach dem Krieg warb Jean Goss für seine pazifistische Haltung bei katholischen und später auch protestantischen Kirchenverantwortlichen, aber erst beim Internationalen Versöhnungsbund fand er einen Namen für sein Lebensthema: vom Geist des Evangeliums inspirierte Gewaltfreiheit. Viele Jahre lang arbeitete er und seine Frau Hildegard, die er 1958 heiratete, im verantwortlicher Position im französischen Zweig des Versöhnungsbundes mit.
Goss setzte sich bald nach Kriegsende für die Anerkennung der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen ein, in den 1950er Jahren nahm er an verschiedenen Friedenskonferenzen jenseits des "Eisernen Vorhangs" teil.
 
Einfluss auf das Zweite Vatikanische Konzil
Nach seiner Hochzeit lebte das Paar Hildegard und Jean hauptsächlich in Wien, bekam 1960 die Zwillinge Myriam und Etienne und engagierte sich für die Förderung von Gerechtigkeit, Frieden und aktiver Gewaltfreiheit. 1962 setzten sich Jean und Hildegard als Beobachter des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom für Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ein. Beide erarbeiteten zusammen mit den Theologen Yves Congar, Bernhard Häring und Karl Rahner Vorschläge zur Gewaltlosigkeit, die in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" Niederschlag fanden. Während mehrmaliger langer Aufenthalte in Lateinamerika organisierten sie Konferenzen zur Propagierung der Gewaltfreiheit und arbeiteten u.a. mit dem späteren Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel und mit Dom Hélder Câmara zusammen. Seminare zur Gewaltfreiheit führte das Paar auch in Länder und Regionen, die von Krieg und Gewalt gezeichnet waren: Irland, Balkan, südliches Afrika, Nahost und El Salvador. In den 1980er Jahren folgten Besuche in Asien - Philippinen, Thailand, Bangladesh und Hongkong. Jean Goss erlebte die von ihm geistig mitvorbereitete gewaltfreie Revolution 1986 auf den Philippinen. Er starb am 3. April 1991 in Paris, am Tag, bevor er mit seiner Frau zu einer Friedensmission nach Madagaskar aufbrechen wollte. 

Symposium "Jean Goss - ein Leben für Gewaltfreiheit. 8. und 9. Juni 2012, Haus der Begegnung in Innsbruck. 

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