Stift Wilten: Tagung zu Ludwig von Pastor und Papstgeschichte

Symposium führte am 14./15. September Expertinnen und Experten aus sechs Nationen im Innsbrucker Prämonstratenserstift zusammen.

Eine internationale Fachtagung im Prämonstratenserstift Wilten in Innsbruck hat sich am 14. und 15. September mit dem Historiker und Kirchendiplomaten Ludwig von Pastor (1854 bis 1928) beschäftigt. Im Mittelpunkt der hochkarätig besetzten Tagung standen zum einen die eng geknüpften Beziehungsnetze Pastors in Kirche, Politik, Kultur und Wissenschaft.

 

Der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler, Schirmherr der Tagung, betonte in seinem Grußwort, die Wichtigkeit der Erforschung der Papstgeschichte für die Kirche und ihre Mission in Europa und der Welt. "Es geht in der internationalen Tagung nicht nur um eine weitere Würdigung der „Geschichte der Päpste“, sondern vor allem um eine kritische Reflexion der Zeitumstände, in der der streitbare Autor, Historiker und österreichische Diplomat gewirkt hat", so der Bischof. Besonders bemerkenswert sei die schillernde Persönlichkeit des Papsthistorikers Ludwig von Pastor, mit Gewissheit sein umfassendes Forschungsinteresse.

 

Der Wiltener Abt em., Raimund Schreier, zeigte sich in seiner Begrüßung "hocherfreut" über die Tagung, die den Innsbrucker Universitätsprofessor, Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom und Gesandten Österreichs beim Heiligen Stuhl nach dem Ersten Weltkrieg ins Zentrum rückte.

 

Der Tagungsorganisator Andreas Sohn, Historiker an der Universität Sorbonne Paris Nord, hob hervor, dass der aus Aachen gebürtige Gelehrte Pastor durch jahrzehntelange Quellenstudien an mehr als 230 Orten, darunter im Vatikanischen Geheimarchiv, mit rund 15.000 Seiten "ein bedeutendes und bis heute unverzichtbares Standardwerk" geschaffen habe. Durch die Übersetzungen ins Englische, Französische, Italienische und Spanische habe es eine weltweite Verbreitung gefunden, so habe auch Papst Franziskus noch als Jesuit im argentinischen Cordoba Pastors Werke gelesen.

 

Der Prämonstratenserpater Bernard Ardura, Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, zeichnete bei der Tagung Profil und Wirken der Päpste von Leo XIII., welchem die epochale Entscheidung der Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs 1880/81 für die Forschung zu verdanken ist, bis Pius XI. nach. Sie alle hätten Pastors Werk große Wertschätzung entgegengebracht. Der Direktor des Österreichischen Historischen Instituts in Rom, Andreas Gottsmann, stellte dessen Nachfolger ebendort und in Innsbruck, Ignaz Philipp Dengel, vor. 

 

Der Innsbrucker Liturgiewissenschaftler Reinhard Meßner sah im Werk Pastors "viele Bausteine zur Ethnographie symbolischer Kommunikation", gerade im Hinblick auf Zeremoniell und liturgische Akte der Päpste, und "beachtliche Beiträge" zu Entwicklung und Reform des Breviers. Der Münchner Mediävist Christof Paulus stellte die geschilderte "Vielfalt und Spannung" im Verhältnis der Päpste zu den geistlichen Gemeinschaften vor der Reformation heraus.

 

Der Pariser Historiker Olivier Poncet erkannte Pastor zu, eine wichtige Vermittlerrolle für die Ergebnisse deutschsprachiger historischer Forschung nach Frankreich gespielt zu haben. Der evangelische Kirchenhistoriker Volker Leppin von der Yale University stellte dar, wie trotz der stark protestantisch bestimmten Prägung und Selbstwahrnehmung der amerikanischen Gesellschaft die "Papstgeschichte" Pastors eine "beachtliche Rezeption" in den USA gefunden hatte. 

 

Der Vizepräfekt des Vatikanischen Apostolischen Archivs, Paolo Vian, fokussierte auf das Netz von Freundschaften und Beziehungen, das Pastor zu kirchlichen Würdenträgern und Gelehrten in Italien knüpfte, zum Beispiel zu Giovanni Battista de Rossi, dem Begründer der Christlichen Archäologie. Der Passauer Zeithistoriker Winfried Becker analysierte hingegen das facettenreiche Verhältnis Pastors zur Görres-Gesellschaft, die emeritierte Leiterin des Archivs der Präfektur der Vatikanischen Bibliothek, Christine Maria Grafinger, wandte sich unter anderem der Rolle des Freiburger Verlagshauses Herder in der internationalen Verbreitung von dessen "Papstgeschichte" zu.

 

Die katholische Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler aus Graz beleuchtete die Beziehungen Pastors zu Bundeskanzler Ignaz Seipel anhand von dessen Tagebuch und weiterer Quellen. Jacques Verger würdigte zum Schluss die differenzierten Ergebnisse der Wiltener Tagung für das Verständnis der Entwicklung des Papsttums und der Gelehrtengeschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert. Die Tagung schloss ein Gedenken mit Gebet am Grab des berühmten Papsthistorikers Ludwig von Pastor ein, der auf dem Friedhof vor der Wiltener Pfarrkirche bestattet ist.

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Bilder: Stift Wilten

Abt em. Raimund Schreier und Prof. Andreas Sohn beim Lesen der Pastor Bände "Geschichte der Päpste". Foto: Markschläger