Schönheit und Verletzlichkeit des Lebens

Rund um den 1. Juni begeht auch die Diözese Innsbruck die "Woche für das Leben", um den Wert und die Würde des menschlichen Lebens hervorzuheben. In einer Pressekonferenz wurde das diesjährige Programm vorgestellt.

„So vielfältig wie das Leben ist, so vielfältig sind auch seine Gefährdungen“, betont der für Lebensschutz in der Bischofskonferenz zuständige Referatsbischof Hermann Glettler. Das Programm der „Woche für das Leben“ schärfe heuer das Sensorium für die Schönheit und Verletzlichkeit des Lebens in der vorgeburtlichen Zeit. Das Staunen über „das Wunder des Lebens“ kann mehr zu einer guten Debatte über den Lebensschutz beitragen als ein Schlagabtausch verhärteter Positionen.

Mit der „Woche für das Leben“ soll heuer speziell die Situation von Menschen mit Beeinträchtigung und deren Angehörigen thematisiert werden. Wirklich schmerzhaft empfindet Bischof Glettler die gesetzliche Regelung, dass ein Kind bei Verdacht auf eine Behinderung bis zur Geburt abgetrieben werden kann. „Das ist eine Selektion von scheinbar lebensunwürdigem Leben, die dem Anspruch einer humanen Gesellschaft nicht gerecht wird“, so Bischof Glettler, der von zahlreichen Gesprächen von Eltern erzählt, die aufgrund einer einschlägigen Diagnose zu einem Spätabbruch ihres Kindes regelrecht gedrängt wurden. Dementgegen sieht der Referatsbischof „den Auftrag einer inklusionsbereiten Gesellschaft in der Wertschätzung und im Schutz menschlichen Lebens – unabhängig von der Tatsache einer Behinderung“. Die Kirche leiste dazu einen vielfältigen Beitrag.

 

45 Jahre „Tag des Lebens“ 

„Respekt vor dem Wunder Leben“, fordert auch Eni Gruber, Geschäftsführerin von Aktion Leben Tirol. Der unabhängige, gemeinnützige und nicht gewinnorientierte Verein engagiert sich seit über 40 Jahren für den Schutz menschlichen Lebens und feiert heuer das 45-Jahr-Jubliäum vom „Tag des Lebens.“ „Jeder Mensch ist in jeder Phase seines Lebens kostbar und einzigartig“, lautet die Botschaft des Aktionstages. In der Schwangerenberatung stelle sie häufig fest, „dass Frauen das Gespür für sich, für ihren Körper verlieren. Sie können oder wollen das Thema Schwangerschaft nicht wahrhaben bzw. annehmen“, so Gruber. „Eine einfühlsame Beratung kann hier helfen, den Ursachen des vermeintlichen Konflikts auf die Spur zu kommen. Es ist unsere Aufgabe, ganzheitlich und professionell zu beraten. Jene, die zur Beratung kommen, entscheiden aber immer selbst, wie sie die erhaltenen Informationen für ihr individuelles Anliegen umsetzen.“ Die Einladung von Bischof Glettler, die interaktive Ausstellung „LebenErleben“ im Dom St. Jakob zu präsentieren, habe sie sehr gerne angenommen. „Erlebnisinseln“ zum Tasten, Raten, Hinhören und Erspüren vermitteln Einsichten in den spannenden ersten Abschnitt des Lebens.

 

Inklusion beginnt im Kopf und im Herzen 

Rund 80.000 Menschen pflegen in Österreich ihr Kind mit Behinderung. Karl Medwed ist einer davon. Seine Tochter Daniela wurde vor 19 Jahren im Alter von 26 in den Zustand eines aggressiven Wachkomas versetzt und ist seither ein 100-prozentiger Pflege- und Betreuungsfall. Um auf die Herausforderung im Alltag von pflegenden Angehörigen aufmerksam zu machen und ihnen ein Mitspracherecht bei sie betreffenden Entscheidungen einzuräumen, gründete sich der Verein „Angehörige von Menschen mit Behinderungen“, dessen Obmann Medwed ist. Oberstes Credo des Vereins ist Inklusion. „Das Humanverhalten einer Gesellschaft erkennt man am Umgang mit den Schwächsten“, betont Karl Medwed den gesellschaftlichen Dauerauftrag. „Wir brauchen mehr qualitative, inklusive Betreuungsplätze, in allen Regionen.“ Wichtig sei dabei, den Betreuungsschlüssel für Schwerstbehinderte zu erhöhen. Außerdem brauche es Lösungsansätze für den Personalmangel an Pflege- und Betreuungspersonal: „weniger Wochenstunden zugleich aber bessere Bezahlung und das Ausschöpfen aller Ressourcen, die sich bei der Suche von Pflegepersonal anbieten, bspw. eine Pflegelehre“. Es dürfe nicht sein, dass die größte Angst von Angehörigen, die ihr Kind fast ihr ganzes Leben lang gepflegt haben, jene sei, was mit dem Kind nach ihrem Tod passiere. „Vielen wäre es lieber, wenn ihr Kind vor ihnen stirbt, damit die Ungewissheit des Danach wegfällt.“

 

Voneinander lernen 

„Eine Sehnsucht des Menschen ist es, dazuzugehören, teilhaben zu können und gebraucht zu werden“, erklärt Birgit Geisler, Pastoralassistentin im slw Innsbruck, einer Einrichtung für Menschen mit Unterstützungsbedarf, die von der Ordensgemeinschaft der Kapuziner gegründet wurde. „In der Seelsorge erlebe ich täglich, wie sehr wir von Menschen mit Beeinträchtigung lernen können.“ Speziell in den wöchentlichen Gottesdiensten mit Erwachsenen mit und ohne Behinderung wird eine lebendige Kirche sichtbar, in der sich jeder so einbringen könne, wie er sei. „Sehr oft bin ich berührt, mit welcher Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit das Leben miteinander geteilt wird.“ Der Blick in manche Pfarrgemeinde zeige jedoch, „dass wir als Kirche nach wie vor gefordert sind, Barrieren, die dieser Sehnsucht entgegenstehen, abzubauen“. Hohe Stufen und schwergängige Türen sind dabei ebenso zu nennen wie so manche Vorbehalte gegenüber Menschen, die sich „lautstark“ im Gottesdienst bemerkbar machen. Ein wirklich gemeinsames Feiern zu erlernen, ist eine schöne Herausforderung, wie Birgit Geisler aus persönlicher Erfahrung erläutert. „In der ehrlichen Begegnung entstehen Beziehungen, die das Leben wertvoll machen und gelingen lassen – unabhängig von Alter, Herkunft oder Unterstützungsbedarf!“

 

„Woche für das Leben“ 

Um den Wert und die Würde des menschlichen Lebens bewusst zu machen, lädt die katholische Kirche alljährlich zu einer Woche für das Leben ein. In den zahlreichen Veranstaltungen rund um den Tag des Lebens (1. Juni) geht es um die Wertschätzung des Lebens im Mutterleib, im Alter und in der Sterbephase ebenso wie um den Umgang mit behinderten, kranken und pflegebedürftigen Menschen. Auch die Situation von pflegenden und betreuenden Personen wird in den Blick genommen. Es geht grundsätzlich um die vielfältigen Fragen der Bioethik, Chancen und Grenzen moderner Medizin sowie um Gewaltschutz und Schöpfungsverantwortung.

 

Programm:

Mittwoch, 31. Mai, 19:00 Uhr: Ethikforum im Haus der Begegnung 

Es gibt in Österreich rund 80.000 Menschen, die ihr Kind mit Behinderung pflegen. Die Öffentlichkeit hat meist wenig Ahnung vom Alltag dieser Familien und von den emotionalen, mentalen, körperlichen und finanziellen Belastungen, mit denen sie zurechtkommen müssen.
„Wir mussten lernen, damit umzugehen“ ist der Tenor, wenn man mit Müttern, Vätern und Geschwistern spricht. Auch wir als Gesellschaft möchten lernen, mit den Kindern und später Erwachsenen mit Behinderung umzugehen – und da haben wir noch sehr viel Aufholbedarf. Deshalb haben wir Familien eingeladen, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen:  

  • Am Podium: Eltern, die ihre Kinder pflegen: Susanne Marini, Jasmina Memic, Maria Oberrauch, Ines Sax, Doris Unterberger und Mag.a Astrid Hofmüller BA, Integration Tirol – Familienberatungsstelle
  • Eröffnung: Diözesanbischof MMag. Hermann Glettler
  • Moderation: Mag.a Angelika Stegmayr, Pastoraler Bereich BILDUNG.gestalten

 

Donnerstag, 1. Juni: 45 Jahre „Tag des Lebens“ – aktion leben feiert! 

Der „Tag des Lebens“ wurde von aktion leben initiiert als Zeichen für unser „JA ZUM LEBEN“. Zu diesem Anlass ist heuer die Ausstellung „LebenErleben“ von aktion leben tirol ab Donnerstag, den 1. Juni (von 10:30 bis 16:00 Uhr) im Dom zu St. Jakob zu sehen. In der Ausstellung „LebenErleben“ erfahren Interessierte interaktiv die vorgeburtliche Zeit hautnah und handlungsbetont.

  • Die Ausstellung ist auch am Freitag, 2. Juni und Samstag, 3. Juni jeweils von 10:30 bis 18:00 Uhr geöffnet.
  • Bei der „Langen Nacht der Kirchen“ am Freitag, 2. Juni gibt es eine Führung durch die Ausstellung zwischen 19:00 und 19:45 Uhr

 

Freitag, 2. Juni, 20:00 Uhr: 

Nachtwallfahrtsgottesdienst in Maria Waldrast mit Bruder Erich Geir OFMCap für Familien und Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Anstieg zum Kloster individuell wandernd oder mit dem Auto/Taxi über die Mautstrasse. Der Gottesdienst wird nach Anmeldung bei Thomas.Lungenschmid@dibk.at gerne gebärdensprachlich begleitet. Falls ein Taxi benötigt wird: +43 5273 6219

  • Der Klostergasthof ist an diesem Abend geöffnet!
  • Musikalische Gestaltung: Lea Graf

 

Sonntag, 4. Juni, 10:00 Uhr: 

„Fest der Lebensfreude“ im Dom St. Jakob – Gottesdienst mit Bischof Hermann Glettler zusammen mit Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, ihren Familien, Freundinnen und Freunden und allen, die das Leben in seinen vielfältigen Facetten feiern und Gott dafür danken wollen.

  • Musikalische Gestaltung: NullProblemos
  • Der Gottesdienst wird in Gebärdensprache übersetzt.
  • Grußworte von Marianne Hengl, Obfrau von RollOn Austria
  • Anschl. Agape vor dem Dom

 

Bild: Sprachen viele Themenbereiche rund um die Woche für das Leben an: v.l. Birgit, Geisler, Karl Medwed, Bischof Hermann Glettler und Eni Gruber. Foto: Diözese Innsbruck/Gstaltmeyr