Sant´Egidio: Für Menschen am Rand da sein

Buchpräsentation in der "Langen Nacht der Kirchen"- Einladung am Weltflüchtlingstag, 20. Juni, zum Friedensgebet in Innsbruck

Beim Podiumsgespräch während der „Langen Nacht der Kirchen“ am 7. Juni 2024 im Wohnheim Saggen mit dem Titel „Verlass mich nicht, wenn meine Kräfte schwinden“ (in Bezug auf das gleichlautende Buch, herausgegeben von der Gemeinschaft Sant´Egidio) kamen Personen mit reichem Erfahrungsschatz zusammen. Moderiert durch den Journalisten Benedikt Sauer regten wertvolle Beiträge von Barbara Kleissl (Pflegemanagerin), der evangelischen Pfarrerin und Altenseelsorgerin Hannah Hofmeister und dem Fachreferenten der Altenseelsorge der Diözese Innsbruck, Rudolf Wiesmann zum weiteren Nachdenken an.

 

Am Donnerstag, 20. Juni 2024 - dem Weltflüchtlingstag - laden mehrere Gruppierungen zum ökumenischen Friedensgebet um 18 Uhr in die Kirche im Herzen der Stadt - Spitalskirche Innsbruck. Im Anschluss ist ein Gedenkweg zum Mahnmal für geflüchtete Menschen in der Kaiserjägerstraße geplant. Getragen wird die Veranstaltung von Sant´Egidio, Katholische Frauenbewegung Österreichs, Ordensgemeinschaften Österreichs, Pax Christi, Diözese Innsbruck, Fokolarbewegung, Evangelische Kirche in Salzburg und Tirol.

 

Alte Menschen als bio-psychosoziale-spirituelle Einheit  

Bei der Buchpräsentation ging Barbara Kleissl zunächst darauf ein, wie der alte Mensch seit den vergangenen Jahren mehr und mehr als bio-psychosoziale-spirituelle Einheit verstanden wird, während früher der Fokus auf dem Körperlichen lag. Dies ist wichtig in der Schulung von Pflegenden und Ehrenamtlichen weiterzuvermitteln. Weiters appellierte Kleissl, jede/r möge selbst einen Beitrag in die Gesellschaft investieren und nicht erst auf das Verändern von Strukturen warten. „Eine andere Zukunft für die alten Menschen von heute zu verwirklichen ist auch ein Dienst an den alten Menschen von morgen“, sagt Andrea Riccardi im Vorwort zum Buch.

 

Rudolf Wiesmann zog Parallelen von der biblischen Figur Abrahams - der im hohen Alter das Gewohnte verlässt und sich im Vertrauen auf Gott zu einem neuen Land aufmacht - zum alten Menschen, der ins Altenwohnheim zieht: der viel hinter sich lässt, sich öffnet, sich auf Neues, Fremdes einlässt. Wiesmann sieht den alten Menschen in dieser offenen Haltung gegenüber Fremdem als Vorbild und stellt fest, wie dieser das Neue und Fremde gar lieben lernt. Dies bildet ein Kontrast zu den oft ablehnenden Gefühlen vieler Menschen Fremdem gegenüber. Benedikt Sauer erinnerte sich im Zuge dessen an die gute Beziehung seiner Mutter zu einer Pflegerin, die aus Peru stammte, mit welcher sie regen Austausch zu verschiedenen Themen (wie zum Beispiel Erziehung) pflegte.

 

Pfarrerin Hofmeister strich den großen Bedarf an Ehrenamtlichen hervor, die kontinuierlich alte Menschen begleiten, eine Beziehung pflegen und nicht nur eine einmalige Aktion durchführen. Sie bemerkt zudem, dass die kirchlichen Bindungen in allen Generationen „dünner“ werden, die Suche danach aber gerade im Alter da ist. Themen des Glaubens kommen dann wieder mehr an die Oberfläche, während sie früher im Trubel der Aktivität untergingen. Anhand der biblischen Figur Noomi geht Hofmeister auf die sehr bedrückende Last der Einsamkeit ein.

 

Kleissl betont in Bezug auf „Einsamkeit“ das Bedürfnis jedes Menschen Teil des Gesamten zu sein, teilzuhaben an der Gesellschaft. Dazu wäre es bereits in jungen Jahren ratsam Bindungen mit Menschen verschiedener Generationen einzugehen, die später im Alter bestehen bleiben.

 

Wiesmann stellte sich die Frage, wie man alte Menschen darin unterstützen kann, sich wertvoll zu fühlen (abseits von Bastelbeschäftigungen), zum Beispiel indem sie für jemanden beten. In Bezug auf das Gebet können wir von den alten Menschen sehr viel lernen, strich Hofmeister hervor.

 

Für Frieden und Menschen am Rand der Gesellschaft 

Die Gemeinschaft Sant´Egidio, die diesen Abend organisiert hat und an vielen Orten der Welt – neben anderen Diensten - älteren Menschen nahe ist, erfährt mehrere der angesprochenen Aspekte in der Praxis. Bei den Besuchen in Wohnheimen in Innsbruck gehen neben Kindern und Jugendlichen auch Menschen mit Fluchthintergrund mit. Dabei entsteht die Erfahrung, wie „Mauern“ des Misstrauens durchbrochen werden können und inniger Kontakt entsteht gepaart mit einem neu geweckten Interesse gegenüber Fremdem. Viele alte Menschen fühlen sich wieder „nützlich“, indem sie etwa den „Neu-Europäern“ beim Erlernen und Praktizieren der Sprache helfen können und ihre Heimatländer im Wunsch nach Frieden in ihr Gebet einschließen. Zudem drücken die älteren Menschen (viele von ihnen haben selbst Krieg erlebt) den tiefen Wert des Friedens aus, fühlen sich den geflüchteten Menschen verbunden („ich weiß, wie schlimm das ist, wenn Raketen fliegen“) und sind auf diese Weise in der heutigen Zeit wie „Propheten“ für den Frieden.

 

Während in der Gesellschaft eine stark individualistische und ökonomistische Lebenshaltung vorherrscht, plädiert die Gemeinschaft Sant´Egidio für eine „gemeinschaftliche Revolution“, in der die alten Menschen wieder ins Herz der Familie und der Gesellschaft gestellt werden müssen.

Foto: Vera Merkel