Nur der Geist macht lebendig

Bischof Hermann Glettler mahnt bei Messe zum "Tirol-Tag" des Forum Alpbach auch zu "Geist der Großherzigkeit": "Europa kann nur in einem verlässlichen 'Wir' überleben".

Zu mehr Verbundenheit in Europa und einem "Geist der Großherzigkeit", etwa auch in Fragen des Umgangs mit Flüchtlingen aus Afghanistan, hat Bischof Hermann Glettler aufgerufen. In den vielfachen Belastungsproben aus politischen Konflikten bis hin zur "galoppierenden" Klimaveränderung helfe "nationalistische Engstirnigkeit" nicht weiter, mahnte der Innsbrucker Diözesanbischof am Sonntag beim Gottesdienst zum traditionellen "Tirol-Tag" des Europäischen Forums Alpbach. "Europa kann nur in einem verlässlichen 'Wir' überleben", betonte der Bischof bei der Messe in der Alpbacher Pfarrkirche.

Nötig sei vor allen Strukturdebatten im Zusammenhang mit den genannten Krisen ein "neuer Geist", den man etwa aus einer erneuerten Beziehung zu Gott und empfangen könne. "Einen Geist, der uns innerlich nährt und damit belastbarer, großherziger und kreativer macht - für alle Aufgaben im persönlichen Lebensumfeld, aber genauso in den großen Fragestellungen betreffend die Zukunft Europas und der Welt", sagte Glettler.

In jedem Fall brauche es einen "Geist der Großherzigkeit", was Glettler am Beispiel Afghanistan und der anhaltenden österreichischen Debatte um Asyl und Abschiebungen konkretisierte. Die Machtübernahme der Taliban habe auch hierzulande Panik ausgelöst, so der Bischof. "Man kann mit einem verzagten oder populistisch motivierten Geist jetzt schon fiktive Abwehrkämpfe ersinnen, um ja nicht noch mehr Flüchtende aufnehmen zu müssen. Aber was ist das angesichts der verzweifelten Lage von Millionen?", fragte Glettler. Auch wer "mit eiferndem Geist" sich seit Jahren in europäischen Ländern aufhaltende Afghanen generell kriminalisiere und sie mit allen Mitteln loswerden wolle, schüre ein "unmenschliches Klima".

Stattdessen müsse man sich "diesen extrem verzweifelten Menschen" gerade jetzt zuwenden, rief der Bischof auf. "Die meisten von ihnen bangen um ihre Angehörigen, die ihr Heimatland nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten. Viele von den jungen Leuten sind uns auch in Tirol als integrationswillige und fleißige Lehrlinge bekannt. Es ist doch ein Gebot der Stunde, menschliche Kontakte jetzt zu stärken und therapeutische Beratung anzubieten", sagte Glettler.

 

Ambivalentes "Murren" in der Gesellschaft 

In seiner Predigt ging der Innsbrucker Bischof auch auf "Tendenzen der Absetzung" angesichts gesellschaftlicher Konflikte in den Staaten Europas ein. Zahlreiche Proteste in Städten würden "wutentbrannte Bürger" zeigen, so Glettler. "Ist es nur die Reaktion auf die Freiheit einschränkenden Corona-Vorgaben oder ein allgemeines 'Wohlstands-Murren'? Ist es gerechtfertigt?", fragte der Bischof. Das "vielfältige Murren" sei ambivalent: "Oftmals ist es eine berechtigte Kritik am System und am Versagen der Verantwortlichen, leider oft auch ein chronischer Habitus der Unzufriedenheit, bisweilen atmosphärisch giftig, weil es menschlich Energien raubt und das Vorankommen hemmt", gab Glettler zu bedenken. Notwendig sei in dieser Situation "eine gute Unterscheidung, oftmals ein demütiges Hinhören", rief der Innsbrucker Diözesanbischof auf.

Die gesamt Predigt im Wortlaut finden Sie unter https://www.dibk.at/content/download/126968/2862992

Im Anschluss  an den Gottesdienst nahmen die Landeshauptleute von Tirol, Südtirol und dem Trentino, Günther Platter, Arno Kompatscher und Maurizio Fugatti, und der neue "Forum Alpbach"-Präsident Andreas Treichl an der ersten Eröffnungsveranstaltung des diesjährigen Forums teil. Bis 3. September geht es dabei unter dem Generalmotto "The Great Transformation" ("Die große Veränderung") unter anderem um die Themen  Sicherheit in Europa, Klimawandel als Chance und die Finanzierung Europas.

 

Gründungsverträge der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino erneuert 

2011 wurde die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino institutionalisiert, heuer – zehn Jahre später – wurden ihre Gründungsverträge erneuert. Der Tirol-Tag beim Europäischen Forum Alpbach stand somit ganz im Zeichen von „10 Jahre Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino“ und wurde von Euregio-Präsident LH Günther Platter, LH Arno Kompatscher (Südtirol) und LH Maurizio Fugatti (Trentino) zum Anlass genommen, über Erreichtes zu reflektieren und – vor dem Hintergrund der neuen Statuten – den Blick auch in die Zukunft der Euregio zu richten. Auch der Euregio-JungforscherInnenpreis sowie der Euregio-Innovationspreis wurden beim Tirol-Tag verliehen.

 

Interreligiöses Begleitprogramm 

In der Pfarrkirche Alpbach wird für die Konferenz-Teilnehmer auch ein interreligiöses Begleitprogramm mit Morgen- und Abendbetrachtungen angeboten. Impulse geben dabei u.a. der Jesuit Dominik Markl SJ vom Päpstlichen Bibelinstitut in Rom und der Innsbrucker Islam-Theologe Khalid El-Abdaoui. (Website: https://2021.alpbach.org)

Freuten sich mit den den GewinnerInnen des Euregio-JungforscherInnen und Euregio-Innovationspreises (v.li.): Bischof Hermann Glettler, BMin Margarete Schramböck, LH Günther Platter, LH Arno Kompatscher und LH Maurizio Fugatti. © Land Tirol/Sedlak