Niewiadomski warnt Kirche vor 'Rückzug ins Ghetto'

Vor einem "Rückzug ins kirchliche Ghetto" als mögliche Reaktion auf die eben veröffentlichte Kirchenstatistik warnt Dekan Jozef Niewiadomski.

Vor einem "Rückzug ins kirchliche Ghetto" als mögliche Reaktion auf die am Dienstag veröffentlichte Kirchenstatistik warnt der Innsbrucker Theologe Jozef Niewiadomski in einem Gespräch mit "Kathpress". Die Zahlen, die einen Rückgang der Katholikenzahl anzeigen, würden zum einen die "Diskussion über Reformen einer Großinstitution" weiter anheizen. Zum anderen gelte es aber, "oft reflexartig ansetzenden" Forderungen nach "Konzentration auf Wesentliches" - etwa auf Liturgie und Pastoral - entgegenzutreten, so Niewiadomski.

Wesentlich zur Kirche gehört, wie Niewiadomksi hervorhebt, auch die Caritas. Der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck hielte daher eine "Entweltlichungsdebatte", wie sie Papst Benedikt XVI. in Deutschland ausgelöst hatte, für missverständlich und kontraproduktiv. Wo eine solche Debatte als Reaktion auf ein weiteres Abschmelzen institutioneller kirchlicher Bindungen geführt werde und dabei etwa "Caritas und Liturgie gegeneinander ausgespielt" würden, laufe etwas falsch. Wenn Caritas nur als Anhängsel von Kirche begriffen werde, verfehle man die grundlegende Erfahrung und das Geheimnis des Erfolgs der "Alten Kirche": "In der oft feindlichen Umwelt lebend, fiel die christliche Minderheit gerade durch Caritas auf" - d.h. durch "Solidarität nach innen und Zuwendung zu den Armen und Ausgegrenzten nach außen".

Zugleich warnte Niewiadomski davor, die in der Kirche institutionell umgesetzten Formen konkreter Solidarität zu unterschätzen. Es gebe gerade in der Kirche noch "sehr viel an uneigennützig gelebter Solidarität" - aber die Gesellschaft neige dazu, zu vergessen, "was die Quellen dieser Solidarität sind": Diese haben nämlich laut Niewiadomski "fundamental etwas mit Gottesglauben und einem bestimmten Gottesbild zu tun: Jenem Gott, der auf die Stimme des Armen hört und sich die Sorgen der Entrechteten zu eigen macht."

Bei aller Wertschätzung einer "frei flottierenden Religiosität" müsse man doch dieses Kriterium immer wieder in Erinnerung rufen: die Zuwendung zu jenen Menschen, "von denen in einem marktförmigen Denken nichts mehr zu erwarten ist". Dies sei weiterhin die Stärke der Kirchen - "und das hat wohl etwas mit ihrem Glauben zu tun".

Aus diesem Grund sei es auch höchste Zeit, auf die umfassende gesellschaftliche Perspektive des Problems der Erosion traditioneller Kirchlichkeit aufmerksam zu machen, so Niewiadomski: "All die Kräfte, denen die Gestaltung der Zivilgesellschaft ein echtes Anliegen ist, müssten über den Prozess der Erosion kirchlicher Gemeinschaften längst besorgt sein."

Aber auch die mediale Öffentlichkeit müsse sich die Frage gefallen lassen, ob sie nicht zu vorschnell und selbstverständlich die christlichen Kirchen mit dem Thema Austritt bzw. Austrittsbereitschaft verknüpft. Dies schaffe auf lange Sicht ein Klima, in dem die "Auflösung von religiösen Identitäten" zur Normalität stilisiert werde.

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