Neuer Altar: Geborgen im Geheimnis Gottes

Die Pfarrkirche Nauders wurde am Sonntag, 24. September 2023, nach der Sanierung von Bischof Hermann Glettler gesegnet.

Die Pfarrkirche zum Hl. Valentin liegt am östlichen Dorfrand von Nauders. Sie überblickt weithin das Engadin und den Reschenpass. Schon bisher ist die Kirche ein Beispiel für die Verbindung von Altem und Neuen gewesen, angefangen von der Gotik über den Historismus des 19. Jahrhunderts bis ins Heute. Die neue Gestaltung des Altarraums verstärkt diesen Eindruck und fügt die einzelnen Stile zu einem harmonischen Ganzen. Der festliche Gottesdienst mit Altarweihe durch Diözesanbischof Hermann Glettler fand am Sonntag, 24. September, statt. 

  

Neuer Altar vom Südtiroler Bildhauer Michael Fliri 

Im Zentrum der Altargestaltung stehen Hände. Auf die Hände richtete der Bischof auch den Beginn seiner Predigt: “Sie erzählen die Geschichte unseres Lebens, die erzählen von den Erfolgen und Niederlagen, von Freundschaft und Verbundenheit, aber auch von Auseinandersetzungen und Verwundungen.”  

 

Hände bilden einen bergenden Raum, der zur Metapher für das zentrale Geheimnis des Gottesdienstes empfunden werden kann. Die aus einem Stück Holz gefrästen Hände stehen für Geborgenheit, Schutz und Verletzlichkeit zugleich. Die Hände sind leer und dennoch scheinen sie übervoll mit Sehnsucht gefüllt zu sein – mit Sehnsucht nach den Gaben, die nur Gott schenken kann. Gebet und Gottesdienst der Kirche, vor allem die Feier der Hl. Messe, stellen uns immer deutlich vor Augen, dass wir das Entscheidende im Leben nicht selbst machen können – trotz der vielen Mühe und Sorgen, die im Bild der Handschuhe deutlich zum Ausdruck kommen. 

 

Abschließend verwies Bischof Hermann auf die Hände Gottes: “Aus Gottes Händen empfangen wir ,Ewiges Leben’. In seiner Barmherzigkeit wird er uns alle überraschen. Bei Gott gibt es kein Aufrechnen, und kein Umsonst. Alles, was aus Liebe getan wurde, hat Bestand vor ihm. Seine Großzügigkeit ist Geschenk und Herausforderung zugleich.” 

 

Formensprache im Altarraum 

Die Grundform des Dreiecks ist ein traditioneller Hinweis auf den Dreifaltigen Gott. Sie ist nicht nur für die Altargestaltung bestimmend, sondern wird von Michael Fliri auch bei der Gestaltung von Ambo und Lesepult konsequent verwendet. Das Wort Gottes, das an dieser Stelle verkündet wird, stammt vom Urquell des Lebens, der in sich Einheit und Gemeinschaft in Vielfalt ist.  

 

Die Sitze und alle weiteren Objekte im Altarbereich hat die Schweizer Designerin Anoinette Bader gestaltet. Möbel und Ambo wurden von der Tischlerei Thomas Moser in Nauders gefertigt, der Altar von der Firma 3dW in Gröden mit einer CNC-Fräse gefräst.  

Bischof Hermann Glettler segnet den neuen Altar in der Pfarrkirche Nauders. Bildnachweis: Stefan Graf/dibk.at

DIE PREDIGT IM WORTLAUT

Predigt von Bischof Hermann Glettler zur Segnung der Kirche nach der Restaurierung und zur Altarweihe

Einleitung: Blick auf die eigenen Hände. Sie erzählen die Geschichte unseres Lebens, die erzählen von den Erfolgen und Niederlagen, von Freundschaft und Verbundenheit, aber auch von Auseinandersetzungen und Verwundungen. 

 

  1. Der Altar ist die Mitte – es geht um Sammlung, Zu-sich-Kommen, Zu-Gott-Kommen, Nach-Hause-Kommen 

 

Der Altar von Michael Fliri ist eine neue, sammelnde und bergende Mitte. Die überdimensionierten Hände mit Arbeitshandschuhen stehen für das Tun Gottes, seine Mühe, seinen zärtlichen und manchmal energischen Einsatz für uns Menschen. Gott sammelt uns aus dem Zuviel unserer Zeit, aus der Zerstreuung und Verlorenheit. Kirche ist die Gemeinschaft der von Christus beim Namen gerufenen. "Ekklesia" – bezeichnet die zum Glauben-gekommenen. Beispiel der Katechumenen heuer in Tirol – sie stammen aus dem Iran, Türkei und aus Ostdeutschland. Und der Ruf Jesu ist aktueller denn je: Kommt alle zu mir, die Ihr mühselig und beladen seid. Christus ist die Mitte der Kirche, die Mitte unseres Lebens. Der Altar ist ein Zufluchtsort, der Geborgenheit und Schutz bietet. Ein Kind fragte mich: „Kann man mit Gott kuscheln?“ Meine Antwort: Ja, natürlich. Glaube ist ein ständiges Heimkommen zu Gott. Vgl. Gleichnis vom Barmherzigen Vater. In dieser Weise wird Frieden ausgehen von diesem Ort. 

  

  1. Der Altar mit den beiden Händen ist ebenso Symbol für Geist-Sendung, Auftrag, Weltzuwendung, Dienst am Nächsten 

 

Die überdimensionierten Hände sind lesbar als Anschub nach außen, fast als "Rauswurf" – Ite missa est! Geht, ihr werdet gebraucht! Es ist nicht egal, wie wir leben – gemütlich und in gleichgültiger Distanz die Weltszene kommentierend oder im Einsatz unserer Gaben, Talente, Fähigkeiten, im Einsatz von Intellekt und Herzenskraft. Hands on! Bitte um Mitarbeit, Engagement. 

Schönes Bild im AT: Gott behütet uns wie ein Adler seine Jungen umsorgt - ja, aber er wirft sie auch aus dem Nest! Wenn sie unbeholfen abstürzen, fliegt er unter sie hinein und trägt sie auf seinen Flügeln wieder hoch. Nur so können sie das Fliegen erlernen. Raus aus dem Nest! Gott zählt auf jeden von uns - Eigenverantwortung, Weltgestaltung! 

Die eigenartigen Hände im Altar sind wie die Hände des Christus, der die verängstigten Jünger mit seinem Geist anhauchte und sagte: So wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch! Geht, zögert nicht! Teilt aus, was euch geschenkt wurde. Auftrag der Zuwendung zu den vielen, die enttäuscht sind oder sich ungetröstet, unverstanden und ungerecht behandelt fühlen. 

  

  1. Der Altar ist Ort der Begegnung mit Gottes Barmherzigkeit – letztlich zählen nur "die Werke der Barmherzigkeit" 

 

Am Kreuz hat Christus seine Arme ausgebreitet für alle. Seine Hände hilflos und ohnmächtig. Am Ostermorgen sahen die Jünger die Wundmale des Auferstandenen. In der Altar-Skulptur verborgen unter den Handschuhen. Viele Wunden, die das Leben den Menschen zufügt, bleiben verborgen, für unsere Augen unsichtbar. Und wozu Schutzhandschuhe? Im Hygienebereich, in der Pflege, in der Medizin, ... überall dort gebraucht, wo es um Leben in seiner Verwundbarkeit geht. 

Wir können mit unseren „gezeichneten Händen“ zu Christus kommen, mit den Händen voller Dankbarkeit und mit den leeren Händen, die höchstens mit Sehnsucht gefüllt sind. Wir bitte um die wesentlichen Gaben, die wir selbst nicht machen können: Vertrauen, Vergebung, innerer Friede, Freude, …  

Aus Gottes Händen empfangen wir "Ewiges Leben". In seiner Barmherzigkeit wird er uns alle überraschen. Bei Gott gibt es kein Aufrechnen, und kein Umsonst. Alles, was aus Liebe getan wurde, hat Bestand vor ihm. Seine Großzügigkeit ist Geschenk und Herausforderung zugleich. 

FAKTEN

Wichtige Symbolik bei Altarweihe

Eine Altarweihe besteht aus Elementen, die sich teilweise auch bei einer Taufe oder bei einer Priesterweihe finden. Diese Verbindung ist durchaus gewollt. Der Altar versinnbildlicht in der katholischen Liturgie Christus als lebendigen Grund- und Eckstein der Kirche und ist deshalb weit mehr als nur ein Objekt im Sakralraum. Der Altar ist Christus selbst. Er ist die bergende Mitte, um die sich die Gemeinschaft der Gläubigen sammelt. Durch das, was Christus getan hat, gibt es neues Leben für alle Menschen.  

 

Die Beisetzung von Reliquien im Altar erinnert daran, dass im frühen Christentum Kirchen zumeist auf den Gräbern von Märtyrern errichtet wurden. In Nauders wird deshalb eine Reliquie des Heiligen Valentin eingesetzt. Im Rahmen des Weiherituals wird der Altar mit Weihwasser besprengt und gesalbt. Danach werden darauf Weihrauch verbrannt und ein Weihegebet gesprochen. Mit dem Auflegen des Altartuches beginnt die erste Eucharistiefeier am neuen Altar.