Mütter oft im Stich gelassen

Im Rahmen der Woche des Lebens haben im Haus der Begegnung in Innsbruck Experten über ethische Fragen der vorgeburtlichen Untersuchung (Pränataldiagnostik) diskutiert.

Im Rahmen der Woche des Lebens wurden gestern im Haus der Begegnung in Innsbruck von einer Expertenrunde der Status Quo und die ethischen Auswirkungen der modernen Pränataldiagnostik, also der Untersuchung an Ungeborenen, erörtert und diskutiert. Bischof Manfred Scheuer verwies auf den großen gesellschaftlichen Druck, der auf werdende Eltern lastet, sobald der Verdacht auf Behinderung des ungeborenen Kindes diagnostiziert wird. „Die heutige Gesellschaft reagiert meistens mit Reserviertheit und Ablehnung, vor allem die werdende Mutter fühlt sich oft alleine und im Stich gelassen. Die Geburt eines behinderten Kindes wurde – in den vergangenen beiden Jahren - in der politischer Diskussion in Österreich leider häufig zum versicherungstechnischen Schadensfall reduziert.“ Pränataldiagnostik könne für Kinder – etwa mit einem Herzfehler - lebensrettend sein, im negativen Fall könne sie aber auch zum Instrument von Selektion werden. So kommen laut einer aktuellen Statistik 90 Prozent der mit einem Down-Syndrom diagnostizierten Ungeborenen nicht lebend zur Welt. „Gott ist Freund des Lebens!“„Gott ist ein Freund des Lebens“ (Buch der Weisheit), nicht nur des perfekten, gesunden und integrierten Lebens. Bischof Scheuer stellte zudem die langfristigen, gesellschaftlichen Auswirkungen einer pränatalen Selektion am Lebensbeginn der Menschen dar. Behinderte Erwachsene äußerten ihm gegenüber immer wieder die Befürchtung, dass diese Entwicklung auch ihre Integration im täglichen Leben gefährden könne. Der Wahn des Gesunden werde für ihn dann dämonisch, wenn er umschlägt in das Gehabe der Beurteilung wer Leben darf und wer nicht. Menschenwürde ist für den Bischof keine Frage von Zahlen und Statistiken.Bischof Scheuer forderte auf, Behinderung nicht nur als Bedrohung zu sehen, vielmehr lud er die Anwesenden dazu ein Behinderung als Raum der Beziehung, der Annahme, der Lebensfreude und auch der Bejahung zu erfahren. Persönliche Erfahrungen verfilmtMit Ausschnitten des Filmes „Mein kleines Kind“ der anwesenden Hebamme und Filmemacherin Katja Baumgarten wurde auf die Problematik der Pränataldiagnostik sehr feinfühlig aufmerksam gemacht. Katja Baumgarten entschied sich – nach der Diagnose ein schwerstbehindertes, nicht lange lebensfähiges Kind zu erwarten - das Kind gegen alle Widerstände auf die Welt zu bringen. Darüber verfasste sie mit Unterstützung einer engen Freundin eine filmische Dokumentation. Entstanden ist dabei ein äußerst sensibles, beeindruckendes Werk über ihren persönlichen Umgang mit dem Leben und Sterben ihres vierten Kindes. Lebensrecht des Kindes nicht gefährdenDer Moraltheologe P. Martin M. Lintner erklärte  das grundsätzliche Ja der Kirche zur Pränataldiagnostik. Die Einhaltung medizinisch-ethischer Grundprinzipien sei ein absolutes Muss. Die medizinische Errungenschaft muss freiwillig geschehen und zum Nutzen der Gesundheit des Kindes und der Frau eingesetzt werden. Das Lebensrecht des Kindes dürfe nicht gefährdet werden und eine umfassende qualitative Beratung und Begleitung muss gegeben sein. Für die Kirche sei PND an erster Stelle aus dem Blickwinkel des Kindes, dann der schwangeren Frau, der Eltern, der medizinischen Betreuung und zuletzt der Gesellschaft zu betrachten. Verantwortungsvoller UmgangEin Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik stellte Christoph Jochum, Geschäftsführer der Beratungsstelle schwanger.li, in Feldkirch vor. In der gelebten Praxis werden betroffenen Frauen – nach den Regeln der Krisenintervention – zuerst psychosozial stabilisiert, qualitativ informiert und erst dann wird versucht mittels Beratung die Entscheidung zu unterstützen. Jochum sprach dabei von der Notwendigkeit einer „Entschleunigung der – unüberlegten – Entscheidungsfindung“.

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